Der Lotse verlässt das Schiff – und geht an Bord einer Yacht: Michael Jost, langjähriger Chefstratege des Volkswagen-Konzerns, tritt aus dem Unternehmen aus und wird Mitglied im Experten-Beirat des österreichischen Solarkat-Herstellers Silent Yachts, wie die Werft heute berichtet.
Sein Aufgabengebiet nimmt er mit: die Konzeption und Umsetzung einer Langzeitstrategie – nun für den innovativen Hersteller von Solarkatamaranen. Seit 2015 hat Jost das im Großen bei VW gemacht. Als das Unternehmen im selbst verschuldeten Dieselskandal steckte, leitete der Münchener die Transformation vom Verbrennungs- zum Elektromotor ein.

2018 wurde Michael Jost dann verantwortlich für die Zukunft des gesamten Konzerns. Mit Tochtermarken wie Skoda, Seat und Porsche und mehr als 660.000 Mitarbeitern ist VW derzeit der größte Autohersteller der Welt. Die komplette Hinwendung zur Elektromobilität ist geschafft, bis 2023 wird VW ein Drittel seiner Investitionen hierauf konzentrieren. Josts Fazit: Seine Arbeit sei getan, nun könne er aufs Wasser gehen. Sein exzellentes Beziehungs-Netzwerk innerhalb des Konzerns geht natürlich nicht verloren – zum Segen von Silent Yachts.
Kooperation seit 2019

Der heute 59-jährige Manager wurde 2019 auf den Yachthersteller aufmerksam: VW fördert über einen Innovationsfonds neue Geschäftsideen von Mitarbeitern. So erreichte den Manager die Anfrage, ob der so genannte „MEB“ nicht auch auf einem Boot eingesetzt werden könne. Dieser modulare E-Antriebs-Baukasten von VW ist die Grundlage der aktuellen Produktgeneration.
Wie einst Autos auf einem Chassis, so baut heute jedes Elektroauto des Konzerns auf dem MEB auf. Diese Kombination aus Batterieeinheit, Motor und Regelelektronik, von einer stabilen Rahmenstruktur umgeben, wird zukünftig in Millionen Fahrzeugen eingesetzt. Und bald auch in Booten?
„Im ersten Moment fand ich die Idee abwegig“, erinnerte er sich Ende Januar in einem Interview gemeinsam mit Silent-Yachts-Gründer Michael Köhler, veröffentlicht auf der Konzern-Website. Bei näherem Hinsehen war Jost dann „beeindruckt, wie sehr sich das Unternehmen als Anbieter solarelektrisch angetriebener Yachten dem Thema CO₂-Neutralität verschrieben hat“.
In Kürze soll die Kooperation zwischen Volkswagen und Silent Yachts starten. VW liefert den MEB, das Designcenter der spanischen Seat-Tochtermarke Cupra entwickelt einen dazu passenden Solarkatamaran. Das Schiff wird mit 50 Fuß Länge einer der kleinsten Silent-Solar-Kats und soll bis Mitte 2022 schwimmen. 2019 hatte der Vorgänger den Best of Boats Award gewonnen.
Ein eleganter Zweidecker
Ein erstes Rendering der neuen Silent 50 zeigt einen eleganten Zweidecker mit überdachtem Außensteuerstand. Großflächig sind Solarflächen auf dem Dach von Salon und Terrasse verteilt. Über die Spezifikationen des gut 15 Meter langen Schiffs ist noch nichts bekannt. Innerhalb von vier Jahren sollen 50 Stück gebaut werden.

Angesichts der ungeheuren Zahl an Fahrzeugen, die Volkswagen in derselben Zeitspanne auf die Straße bringen wird, mutet diese Stückzahl bedeutungslos an. Doch dem Konzern kommt es nicht auf Quantität an. „Wir zeigen mit dieser Kooperation, dass unsere MEB-Plattform sich auch für andere Mobilitäts-Unternehmen eignet und diesen offensteht“, so Michael Jost. Das betont VW bereits seit längerem. Sogar Konkurrenten dürfen die Plattform nutzen.
Außerdem ist das VW-Mobilitätssystem skalierbar. Der MEB ist in unterschiedlichen Motorisierungen zwischen 2 x 50 kW, 2 x 150 kW und 2 x 300 kW verfügbar. Das ist genau die Menge an Power, die Silent für den Antrieb seiner Solarkats benötigt. Auch die kompakte Bauweise der Schiffe macht die Zusammenarbeit aus Silent-Sicht attraktiv: Auf einer eng definierten Fläche ein Maximum an Energie gewinnen und einsetzen. „Hier können wir sehr viel von Volkswagen lernen“, so Michael Köhler.