Zeit genug, um zu erfahren, ob mir das Leben auf einem Schiff auf Dauer gefällt. Zeit genug, um Vertrauen in mein Schiff, eine Moody 425, und vor allem in mich aufzubauen, um das Mittelmeer auch mal eines Tages zu verlassen. Zeit genug, um neue Geldquellen aufzutun, um das neue Leben auch über die 4,7 Jahre hinaus zu finanzieren.
Denn nach dieser Zeit wäre ich erst Anfang 50, die Rente noch weit weg. Ich müsste also wieder Fuß fassen in einer Welt, in der ich schon einmal den Tritt verloren hatte. Und nichts scheint mir derzeit unrealistischer, als mich wieder allmorgendlich durch den Wahnsinn auf den Straßen ins Büro zu quälen. Der Kontrast zum Leben auf dem Schiff wäre zu krass. Zur Verdeutlichung: Ich sitze gerade im Cockpit, geniesse nach einer Sturmnacht die warme Sonne, frage mich, ob die Wolken über den Bergen Regen bringen – und schreibe diesen Artikel.

Der Luxus ist, auf Konsum zu verzichten
Mittlerweile, so sieht es derzeit aus, kann ich mir mit den Antworten auf meine Fragen ein bisschen mehr Zeit gönnen. Aus 4,7 wurde 6,3. Ich gebe deutlich weniger aus, als ich anfangs kalkuliert hatte. Und das, obwohl ich in das Schiff bereits mehr investiert habe als geplant. Nicht weil es notwendig war, sondern weil ich es wollte. Das Geld ist also hervorragend angelegt. Die alte Planke habe ich durch eine klappbare Gangway ersetzt, das kleine Dinghi durch ein größeres, den 2,3 PS-Außenborder verschenkt und mir die Kraft eines Sechsspänners gegönnt. Die alte ratternde Wasserpumpe habe ich durch eine schnurrende neue ausgetauscht, Fender erneuert und als nächstes sind die Segel dran.

Ausgaben, die zu diesem Zeitpunkt meist nicht nötig – und schon gar nicht einkalkuliert –waren. Aber ich hatte Lust dazu, so wie damals in Deutschland, wenn ich mich auf einen Kaffee in der Stadt verabredet hatte und bepackt wie ein Esel zurück kam und die Tüten im Kleiderschrank entlud. Nur, dass ich das Geld jetzt sinnvoller ausgebe. Die Investitionen erleichtern mir den Alltag oder erhöhen die Sicherheit. Das Leben an Bord ist deutlich uneitler, reduziert auf das Wesentliche. Der Luxus ist, auf Konsum verzichten zu können. Das schont die Bordkasse ungemein.
Hinzu kommt, dass Bootszubehör in der Türkei in der Regel deutlich billiger ist als in Deutschland. Die Gangway beispielsweise kostete gerade mal ein Drittel (180 Euro) von den üblichen Preise in Deutschland, für den 6-PS-Außenborder von Yamaha samt Schlauchboot mit Aluminiumboden zahlte ich 1.100 Euro. Allerdings ist das nicht an allen Orten in der Türkei so. Je kleiner das Angebot, um so höher sind die Preise. Wer sein Schiff auf- und ausrüsten will, für den ist Marmaris der richtige Platz. Insbesondere, was die Qualität der Arbeiten anbelangt – aber auch die Preise.

Wie teuer der Ausstieg aus dem Alltag und der Einstieg auf ein Leben an Bord ist, hängt zunächst von dem Schiff ab. Die Preise für Gebrauchtboote sind derzeit günstig. Wer hier spart, spart am falschen Ende. Ich habe mich für eine knapp 30 Jahre alte Moody 425 entschieden. Trotz ihres Alters ist die Lady robust, gibt mir ein Gefühl der Sicherheit und hat ihre Seegängigkeit schon mehrmals unter Beweis gestellt. Wer davon träumt, die Welt zu besegeln, denkt meist an weiße Segel über kristallklarem Wasser unter gleißender Sonne. Unter diese Bedingungen fühlt man sich an Bord einer jeden Yacht wohl. Aber wie sieht es nach fünf Tagen Dauerregen, Kälte und Wellengang aus? Wenn man sich vorstellen kann, auch dann noch gerne an Bord zu leben, dann könnte die Yacht die richtige sein.
Zurück zu den Kosten für das Leben an Bord: Ich habe rund 61.000 Euro für meine Moody bezahlt, weitere 5.000 Euro in Davits und eine Solaranlage investiert. Das geht günstiger, ist dann eben aber auch billig. Mittlerweile haben mehrere Yachties versucht, die Davits zu kopieren. Handwerker kamen, nahmen Maß und schweißten ein Gerüst, das so aussieht wie der Jenga-Turm kurz vor dem Einsturz.
Ein weiterer großer Kostenpunkt sind die Liegeplatzgebühren. Ich habe mich für die Marina in Kaş entschieden, die zur Setur-Gruppe gehört, die elf Marinas in der Türkei betreibt. Kaş ist für mich der perfekte Ort zum Überwintern, der südlichste Punkt der Türkei, der Ort ist arm an Massentourismus, aber reich an tollen Restaurants und Bars. Die Marina ist top gepflegt, erst wenige Jahre alt. Ich habe mir einen Liegeplatz bis Mai 2020 gesichert. Das Gute: In dieser Zeit kann ich auch alle anderen Häfen der Gruppe bis zu einem Monat jeweils kostenfrei nutzen.


Im Monat kostet mich der Liegeplatz rund 280 Euro. Strom und Wasser kommen dazu. Im Sommer bin ich durch die Solaranlage autark, im Winter hilft der Landanschluss die kalten Nächte durch den Heizlüfter erträglicher zu machen. Kosten: in etwa 20 Euro. Viel wichtiger ist mir das kostenlose Wlan, das auch unter Deck stark genug ist, um lange Abende mit kurzweiligen Filmen wegzustreamen. In den ersten Wochen hatte ich mich ganz auf mein Bord-Wifi verlassen, das ich regelmäßig mit neuen Beträgen auf meiner Prepaidkarte füttern musste, was nicht billig (15 Gigabyte kosten 101 Türkische Lira, etwa 16 Euro), vor allem aber aufwändig und nervig ist, weil jedes Mal das Büro des Anbieters aufgesucht werden muss.
Der Liegeplatz ist nicht günstig, aber für mich jede Lira wert. Auch bei den Winterstürmen mit über zehn Windstärken fühle ich mich sicher. Es geht natürlich billiger. Australische Freunde, deren Bordkasse leckt wie ein alter Diesel, haben sich im Stadthafen einen Deal für den Winter ausgehandelt. Sie zahlen 1000 Lira pro Monat für 44 Fuß – inklusive Strom und Wasser (um die 160 Euro). Allerdings sind die sanitären Anlagen in den kalten Monaten geschlossen und in Nächten mit heftigen Stürmen müssen sie, um Schutz zu suchen, in die Marina flüchten. Dann belaufen sich die Tageskosten auf knapp 50 Euro.

Für den Winter, der auch hier durchaus garstig bis gräßlich sein kann, empfiehlt sich ein fester Standort. Das Wetter ist unberechenbar, Gewitter mit Sturmböen verwandeln vermeintlich sichere Ankerbuchten in Fallen mit Fallböen. Ab dem Frühjahr beruhigt sich das Meer. Hunderte geschützte Buchten laden dann zum sicheren Ankern ein, kleine Restaurants kobern Segler an ihre Stege, bieten Liegeplatz, oft inklusive Strom und Wasser, für ein Abendessen in ihrem Restaurant.
Ein ausgezeichneter Deal, denn das Essen ist gewöhnlich gut und die Preise sind moderat. Somit ist es möglich, die Türkei zu besegeln, ohne Liegeplatzgebühren zahlen zu müssen. Auch die pittoresken Stadthäfen locken mit günstigen Preisen (zwischen 10 bis 20 Euro), allerdings bieten sie meist wenig Komfort. Doch die quirlige Atmosphäre macht das locker wett.