Querschnittslähmung – ein Zustand, den sicher jeder Mensch fürchtet. Aus Angst vor einem inaktiven Leben mit viel Fremdbestimmung und Furcht vor gesellschaftlicher Ausgrenzung. Dass es auch anders sein kann, zeigt Dr. Thomas Grundmann aus Hamburg. Vor knapp elf Jahren führte ein Tauchunfall des heute 60-jährigen vor der französischen Stadt Frejus an der Côte d’Azur zu einer inkompletten Querschnittslähmung. Das bedeutet, dass der Chefarzt und medizinische Direktor der HNO-Abteilung der Altonaer Asklepios-Klinik seine Arme und Beine noch spüren kann. Aber: Wassersport im Rolli, wie sollte das gehen?
Nur wenige Monate nach dem Unfall im Oktober arbeitete Thomas Grundmann erstmals wieder im Operationssaal. Den Unterschied zu vorher machte der Rollstuhl, in dem er seitdem die Visiten absolviert, Patienten operiert und Konferenzen besucht. Angesichts des Klinikalltags und des ständigen Sitzens ist es für Thomas Grundmann umso schöner, für sich das Kitesurfen entdeckt zu haben. „Beim Kitesurfen bündeln sich Naturgewalten wie Wind und Welle mit Geschwindigkeit und dem Gefühl, schwerelos zu sein“, sagt der HNO-Chirurg. „Dabei vergesse ich, dass ich eigentlich im Rollstuhl sitze. Es ist ein Gefühl von Befreiung.“
Der Tag, an dem er das alte Leben verlor
An den Tag, an dem er sein altes Leben verlor, erinnert er sich noch gut, aber ungern. Es war der 28. Oktober 2008. Der damals 50-jährige Mediziner hatte einen Freund in dessen Haus in Südfrankreich besucht. Als begeisterter Taucher freute ihn das Angebot, mit zwei anderen französischen Tauchern in eine blaue Höhle hinabzutauchen. Grundmann vertraute den beiden, als sie sagten, er benötigte keinen Tiefenmesser.

„Das war der Fehler.“ Zu tief war die Höhle, zu schnell der Aufstieg an die Wasseroberfläche. Thomas Grundmann erlitt die Caisson-Krankheit. Wenn sich der Druck im Körper durch rasches Auftauchen zu schnell ändert, reduziert sich die Stickstoffbindung im Körper. Es bilden sich Gasblasen im Blut und im Körpergewebe, die zu einer Zerstörung des Gewebes führen. Im Falle von Thomas Grundmann traf es das Rückenmark. Auf der Autofahrt zurück ins Haus seins Freundes merkte er, das etwas nicht stimmt. Der Rest ist schnell erzählt: Schwindel, Ohnmacht, Krankenhaus. Rettungsrückflug nach Deutschland.
Zurück in Hamburg versuchten Ärzte, Pfleger und Krankengymnasten, alles zu retten, was noch zu retten war. Grundmann wurde regelmäßig in die Druckkammer gebracht. Er ließ alles mit sich machen, aber in der nächtlichen Einsamkeit des Krankenzimmers haderte er mit seinem neuen Schicksal: „Aufgeben war zuvor noch nie ein Thema für mich gewesen. Jetzt kamen mir erstmalig in meinem Leben Zweifel, ob ich das alles schaffen würde.“

Sport hat mich gerettet
Als ehemaliger Stabsarzt der Marine gehörte das Tauchen zu seinen Hobbies. Judoka im ersten Dan, Windsurfen und Segeln vervollständigen das Bild eines aktiven Menschen, der Sport braucht, um glücklich zu sein. „So paradox es klingt, aber der Sport hat mich auch nach dem Unfall gerettet.“
An seinen zweiten Geburtstag nach dem Unfall erinnert sich Thomas Grundmann noch gut und gern. Er war gerade zur Rehabilitation im Unfallklinikum Boberg. Sämtliche Gefühlslagen hatte er bis dahin durchlebt. Von der Frage, wieso es ihn getroffen hatte, über die Angst, als Vater nicht mehr vollwertig zu gelten, hin zu der Überlegung, ob der Tod die bessere Wahl sei: „Ich habe mich selbst in der Zeit besser kennengelernt als je zuvor.“
Man kann viel mehr, als man selbst denkt. Man sollte sich nie von anderen beirren lassen, sondern aktiv das eigene Leben gestalten. Das geht auch aus dem Rolli heraus.
Auf dem Brett ins Wasser
Die Behinderung hatte sich dank kontinuierlicher Arbeit, der Zeit in der Druckluftkammer und nicht zuletzt dank Glück im Unglück von einer kompletten zu einer inkompletten Querschnittslähmung verbessert. Statt wie zuvor ab der Brust gelähmt zu sein, konnte Grundmann wieder Arme und Beine spüren.