Boris Herrmann hat harte Tage hinter sich – kaum Schlaf und eine unberechenbare Wettersituation, zudem einige Reperaturen, die er bisher nicht ausführen konnte. Seit 35 Tage läuft die Vendée Globe nun, etwa die Hälfte ist geschafft. Die vielen Tiefs mit ständig wechselndem Wind und viel Welle im Southern Ocean machen es den Seglern extrem schwer.
Gestern hat Boris Herrmann nun sein Vorsegel J2 reparieren können, das er seit Tagen schmerzlich vermisste und deswegen langsamer segelte als seine direkten Konkurrenten wie Yannick Bestaven. Der hat sich inzwischen auf Position 3 vogeschoben, hinter Charlie Dalin (Apivia) auf Position 1 und Thomas Ruyant auf „Linked Out“ auf dem zweiten Platz.
Die Foils hatte Boris sicherheitshalber tagelang eingezogen. Die Wellen ließen den Surf nicht zu, und er wollte nicht Gefahr laufen, sie zu beschädigen in der böigen See. Gestern kam dann seine Nachricht, dass er wieder foilt, die See ist milder geworden. Er fühlt sich deutlich besser und hat auch etwas geschlafen. Nun geht es darum, Meilen aufzuholen.
Boris will unbedingt im Ziel ankommen
Die Vendée Globe ist ein extremes Rennen. Die Boote sind technisch so optimiert, dass sie Höchstgeschwindigkeiten segeln können. 38 Knoten hat Boris Herrmann kürzlich bei einem Surf gemessen. Aber das Material hält die Kräfte, die bei diesen Geschwindigkeiten mit Wind und Welle zusammenkommen, vielfach nicht aus. Rund die Hälfte der Boote fällt wegen Bruch auf einer Vendée Globe in der Regel aus. Deshalb ist Herrmann vorsichtig: Er will unbedingt im Ziel ankommen.
Zu recht. Denn neben der Gefahr von Materialbruch- und Ermüdung schwimmen große Mengen Müll und Treibgut in den Ozeanen. Trotz neuester Technik wie dem Ortungssystem Oscar bleiben sie vielfach unerkannt. Entweder, weil die Boote zu schnell sind und der Skipper nicht schnell genug ausweichen kann. Oder weil das Treibgut nicht an der Oberfläche schwimmt. So war es Sam Davies vor wenigen Tagen ergangen. Sie musste nach einer Kollision das Rennen aufgeben.

„Letzte Nacht habe ich es endlich geschafft, seit meinem Unfall richtig zu schlafen“, schrieb die britische Vendée-Globe-Teilnehmerin nach ihrer Kollision. „Ich werde langsam wieder zu einem normalen Menschen.“ Zu den wunden Rippen kam neben Muskelschmerzen auch ein Schleudertrauma im Nacken. Kurz davor hatte auch Alex Thomson sein Rennen aufgeben müssen. In einer anrührenden Video-Botschaft erklärt er, was das für ihn bedeutet.
Beseelte Rennmaschinen
Segler haben eine enge Verbindung zu ihren Booten. Es sind nicht nur Rennmaschinen, sondern in den gewaltigen Oeanen auch sichere Hüllen, Kameraden, Freunde. Für viele sind sie beseelt. Sam Davies sagt dazu: „Mein Boot hat auch Schmerzen. Das ist leicht zu sehen, und es dauert mich.“
Die Seglerinnen und Segler sind Tag und Nacht, mitunter 24 Stunden, mit der Technik an Bord beschäftigt. Sie kontrollieren Autopiloten, Segelstellungen und Wetterdaten, sie senden Fotos und Videos oder reparieren Schäden am Boot. Das alles passiert in und bei hoher Geschwindigkeit und in hohen Wellen. Kommen Gefühle da überhaupt mit?

Sam Davies öffnet sich und schreibt in einem Artikel: „Plötzlich löste sich in mir eine Flut von Tränen. Das ist ein bisschen seltsam für mich, die nie weint. Ich wusste nicht einmal, warum ich weinte. Ob es die Trauer um mein Boot und meinen Platz in diesem Rennen war. Oder Erleichterung, dass mein Boot und ich in Sicherheit sind?