Oder eine Mischung aus allem? In diesem besonderen Moment hatte ich keine Kontrolle darüber.“
Leben am Limit
Der Druck ist groß. Auf den Körper, der permanent durchgeschüttelt wird und in den wenigen Stunden Schlaf kaum Zeit zum Regenerieren findet. Die Segler stehen unter der ständigen Herausforderung, die beste Position, das richtige Routing und dann die beste Message zu haben. Denn nie war eine Weltumsegelung medial besser zu erleben als bei dieser Vendée Globe.
Die öffentliche Anteilnahme ist immens. Während vor Jahren bei Weltumsegelungen, außer den echten Segelnerds, niemand mitfieberte, sind jetzt Zeitungen, Magazine und Onlinekanäle voller Posts und Beiträge. Die Vendée-Globe-Organisation berichtet live in einem Mittagsmagazin und einer Abendschau. Sie schreibt Pressemeldungen und sammelt Fotos und Videos in einer riesigen Mediathek, die die Seglerinnen und Segler täglich und stündlich beliefern. Auch Boris Herrmann schickt kontinuierlich Videos und Nachrichten.

Für den Hamburger, der von sich sagt, er sei kein Salzbuckel, der einsam und grimmig gegen die Naturgewalten kämpft, ist das gut so. Denn er braucht den Kontakt zu anderen Menschen. Und trotzdem sagt auch er: „Es sind harte Bedingungen, meine Güte! Ich bin froh, wenn ich wieder zu Hause bin.“
Ist die Technik über den Menschen hinausgewachsen bei dieser Regatta? Oder ist es das veränderte Klima, das von Anfang an diese Vendée Globe deutlich härter machte als vorherige Regatten? Oder ist es nur der Blues, der viele im Southern Ocean ereilt?
Ein Albatros als einzige Begleiter
Sie stecken hier mittendrin in einer sich verändernden Natur, tausende Kilometer entfernt von jeder menschlichen Behausung, nur die Albatrosse begleiten sie. Die Natur war im Southern Ocean noch nie romantisch, sondern immer schon gewaltig. Sam Davies beschreibt eine Situation in dieser Region: „Ich lehnte mich auf das Cockpitdach und schaute hinaus. Und dann war er da. Ungewöhnlich nah, glitt der schönste Albatross, den ich je gesehen habe, langsam vorbei.“

Da passierte es: „Normalerweise halten die Albatrosse Abstand, aber dieser war anders. Er blieb nahe bei mir und zeigte mir eine wunderbare Vorstellung seines mühelosen Flugs. Man sagt, dass die Albatrosse die Seelen von verstorbenen Seefahrern haben. Ich kann mir das gut vorstellen.“
Boris Herrmann beschrieb es gestern in einem Video so: „Hier draußen hat man eine große Ehrfurcht vor dem Ozean. Man ist total mit sich selbst konfrontiert. Das tiefe Glück ist für mich, das hier zu schaffen.“ Weihnachten wird er voraussichtlich an einem der von der Zivilisation entferntesten Punkte der Welt verbringen: Point Nemo.
Dieser Pol der Unzugänglichkeit – so bezeichnet man Positionen auf der Erde, an Land oder auf dem Wasser, die eine maximale Entfernung zur nächstgelegenen Küste haben – befindet sich im südlichen Pazifik, 1.451 nautische Meilen vom nächstliegenden Land entfernt. Vielleicht trifft auch Boris Herrmann dort auf einen Albatros, der ihn an diesem Abend begleitet.
Wer mehr über das Leben der Albatrosse wissen möchte, dem sei der wunderbare Film von Chris Jordan empfohlen.