Die „Pasewalk“ legte ab zu einem besonderen Fischzug. Der alte Kutter, der sonst von Warnemünde aus Kinder auf Piratentörn schippert, führte am 6. Dezember einen Spezialauftrag aus: Tannen für den Seehafen. Die Mission: den Besatzungen von Frachtern einen Weihnachtsgruß zu überbringen.
20 Christbäume, gespendet von einem Rostocker Gartencenter, wurden an Bord des 70 Jahre alten Fischkutters gebracht. Dann kam auch Sankt Nikolaus höchstselbst mit Hirtenstab und wallendem Bart aufs Schiff – dargestellt von Stefanie Zernikow, Diakonin der Seemannsmission.
„Das gehört zu den schönen Aufgaben“, sagt die Hamburgerin. Seit Ende 2019 betreut Zernikow Besatzungen im Rostocker Hafen. Zum zweiten Mal spielte sie den Heiligen Nikolaus und machte die Hafenrunde zu den großen und kleineren Pötten. St. Nikolaus ist traditionell auch Schutzpatron der Seefahrer. Mehrere Wunder, die Schiffe aus dem Sturm retteten, werden dem Heiligen zugeschrieben.
„Wir haben gehupt, gerufen, dann kamen die auch schon raus“, berichtet Michael Gessert, der als Deckshand bei allen Törns auf dem Fischkutter ehrenamtlich mitfährt. Nicht alle Seeleute verstanden auf Anhieb, was der Zirkus zu bedeuten hatte – aber als die Tanne herübergereicht wurde, war der Fall klar.
Eine tiefe Nase Tannenduft
„Die Seeleute freuen sich sehr, wenn wir mit den Tannen kommen“, sagt Diakonin Zernikow im Rückblick. Einige hätten erst mal den Baum umarmt und „eine tiefe Nase“ von dem Duft eingeatmet. Ein grünes Stück Natur auf ihren einsamen Inseln der Technik.
Die Bescherung der Bäume war überraschend anspruchsvoll: Das Deck der Pasewalk liegt kaum zwei Meter über der Wasserlinie, die Stahlkästen der großen Frachter ragen haushoch in den Himmel. „Es wurde ein Seil hinübergeworfen, dann gingen die Bäume herüber“, sagt Matrose Gessert.

Das sei „mehr oder weniger gut gelungen“. Gessert ergänzt: Nur beim Abladen fiel ihm eine Tanne leider ins Wasser, doch die wurde wieder aus der Warnow gefischt. Insgesamt sechs Tannen schwebten ohne Zwischenfall hinüber an Bord der Frachter. Inzwischen sind die meisten schon weit weg: in alle Welt hinaus. Etwas besseres kann einem Weihnachtsbaum doch nicht passieren.
Zumal Nikolaus alias Stefanie Zernikow trotzdem keinen von ihnen aus den Augen verloren hat: Viele der Seeleute halten auch auf großer Fahrt mit der Seemannsmission in Rostock Kontakt, sagt sie. So kommen Fotos von Bäumen zurück, geschmückt an Deck oder in der Messe. „Viele schreiben uns regelmäßig, berichten von ihren Familien und dem Leben in der Heimat“, sagt die Diakonin.
5000 Seeleute kommen vorbei
Weihnachten an Bord ist für viele Seeleute alles andere als ein romantisches Fest. Wenn in allen Teilen der Welt traditionell in Ruhe die Festtage verbracht werden, sind sie fern der Heimat auf ihrem Schiff festgenagelt. Wer ohnehin von Heimweh geplagt ist, mag diese Zeit als besonders quälend empfinden. Ein Teil der Crews darf aufgrund von Corona sogar keinen Fuß an Land setzen.
Doch selbst ohne diese Einschränkung ist die Seefahrt auch in Zeiten von Automatisierung und Containerumschlag kein Zuckerschlecken. Menschen verbringen Monate an Bord, weitab von Familien und Freunden. Ihre Sieben-Tage-Woche und der häufig geringe Lohn erlauben es ihnen oft nicht einmal, die fernen Länder ausgiebig zu erkunden, in denen ihre Schiffe Station machen.

Wofür hingegen Zeit ist: ein Besuch in der Seemannsmission Rostock. Seit 1991 gibt es die Einrichtung, die den Seemannsclub „Hollfast“ betreibt. Der Name bedeutet auf Plattdeutsch „Halt“ oder „Stütze“, und genau diese Aufgabe füllt die Mission aus: Eine Anlaufstelle, um für ein paar Stunden den Bordalltag hinter sich zu lassen. Mehr als 5000 Seeleute sind jedes Jahr hier zu Gast. Auch Ausflüge in die Stadt veranstaltet die Seemannsmission Rostock häufig für sie.