Gedankenverloren stehe ich vor dem mannshohen Schneemann, den jemand auf der Pier gebaut und weihnachtlich geschmückt hat, und beobachte die beiden Mädchen, die sich in albernen Posen davor fotografieren.

Ist denn schon wieder Weihnachten? Ein kurzer Blick auf mein Handy zeigt mir, morgen ist tatsächlich schon der 24. Dezember ist. Wie die Zeit vergeht! Dann wird mir bewusst, dass die beiden Mädchen in ihren Bikinis vielleicht noch nie einen echten Schneemann gesehen haben.
Weihnachten unter Palmen, weißer Sand statt Schnee – was für die beiden mexikanischen Mädchen ganz normal ist, bleibt für viele Mitteleuropäer ein Traum, erst recht in diesem Covid-geplagten Jahr 2020.
Eigentlich wollte ich dieses Jahr, nach zwei Jahren unter der Sonne, mal wieder ins nasskalte Deutschland fliegen und Weihnachten im Kreise der Familie feiern, aber auch dieser Plan geriet unter die Covid-Räder. Wer jetzt noch Pläne macht, ist wahrscheinlich eh selbst schuld.
Unrasiert und fern der Heimat
Dies wird also das dritte Weihnachten sein, allein, unrasiert und fern der Heimat. Allerdings, wenn ich so überlege, wirklich allein war ich eigentlich nie. Vor zwei Jahren, Weihnachten 2018, in Arrecife auf Lanzarote, damals trafen wir uns zu Fondue auf S/V Eastbirds in illustrer Runde mit Seglern aus der ganzen Welt. Dann Silvester auf See vor Westafrika, als sich um Mitternacht auf Funk Seeleute aus aller Herren Länder und auf unzähligen Sprachen ein Frohes Neues Jahr wünschten. Da fühlte man sich auch als Einhandsegler in den dunklen Weiten des Ozeans nicht mehr ganz so allein. Aber der Höhepunkt war dann doch letztes Jahr Weihnachten auf den Bahamas.
Als ich in Matthew Town auf Great Inagua, der südlichsten Insel der Bahamas, ankam, machte ich zunächst am Frachtdock des winzigen Hafens fest. Ich war der einzige Segler und der Hafen bis auf ein kleines Patrouille-Boot der Marine und zwei Fischerboote komplett leer.
Great Inagua ist die drittgrößte Insel der Bahamas und, wie ich finde, auch die untypischste. Keine kilometerlangen Sandstrände, keine Touristen, dafür felsige Klippen, Flamingos, Wildesel und vor allem endlose Salzlagunen. Great Inagua beherbergt die zweitgrößte Salzproduktion in Nordamerika und alles, wirklich alles, gehört hier dem US-amerikanischen Konzern Morton Salt.
Warten auf Matilda
Nach ein paar Tagen bat mich George, der gemütliche Hafenmeister, darum, an die kleine Holzpier zu verholen, weil er für den nächsten Tag das Postschiff aus Nassau und den Tag darauf das Frachtschiff aus Haiti erwartete.Den Insulanern war der Stress anzumerken: Was jetzt nicht kam, würde für Weihnachten nicht da sein. Es war der 22. Dezember.