Jérémie Beyou legt mit seiner neuen Charal 2 mit ihrem typischen Scow-Bug eine beeindruckende Leistung auf dieser Route du Rhum hin. Nur knapp 200 Seemeilen vor dem Ziel belegt Beyou aktuell den dritten Platz hinter Charlie Dalin auf Apivia und Thomas Ruyant auf LinkedOut, der mit nur noch 250 Seemeilen führt.
Das ist mutig von Beyou, denn die letzte Route du Rhum musste der Bretone auf dem Vorläufer Charal 1 wegen technischer Probleme aufgeben. Bei der Vendée Globe 2020 musste er mit seiner Imoca wegen Reparaturen sogar an den Start zurückkehren. Er wurde nach einer Aufholjagd nur Dreizehnter.

Der dreimalige Figaro-Sieger segelt nicht so konservativ wie Boris Herrmann. Für Beyou ist es fast unmöglich, sein Boot und sich nicht bis an die Grenzen zu pushen. Deshalb ist seine Imoca sehr solide gebaut. Sein Rennteam kennt die radikale Rennhaltung des 46-Jährigen, der viele Regatten als Zweiter oder Dritter gewonnen hat und endlich einen Sieg sucht.
Radikal versus konservativ
Boris Herrmann hält es anders. Er hatte schon vor dem Rennen angekündigt, dass es ihm bei dieser Route du Rhum nicht ums Siegen geht. Sondern dass er vor allem das Boot heil ins Ziel bringen und Erfahrungen sammeln wolle. Bereits beim Start konnte man diese Haltung beobachten. Herrmann startete untertakelt mit gerefftem Groß und zeigte auch sonst keine Rennperformance.
Man hätte gerne gesehen, was die Malizia III, die gerade für harte Bedingungen konzipiert ist, so drauf hat. Der deutsche Skipper liegt aktuell auf Platz 24, über 800 Meilen von der Spitze entfernt.

Bei der Pressekonferenz am vergangenen Freitag von Bord vertröstete er die Öffentlichkeit auf das Ocean Race, das im Januar 2023 beginnt. Dann habe er mit seinem Team ausreichend Erfahrungen gesammelt, um die Malizia entsprechend zu pushen und auch die Mängel behoben.
Denn an diesem Freitag entdeckte er ein Problem am Steuerbord-Foil-Lager. Im Foilkasten hatten sich drei Metallbolzen, die das obere Ende zusammenhalten, gelöst. Boris Herrmann und sein Team haben deshalb entschieden, den Rest des Rennens nicht mehr zu foilen, um sicher ins Ziel zu kommen. Damit ist seine ausgebremste Performance während der Route du Rhum nun durch technische Mängel zu erklären.
Beyou will’s wissen
Beyou hat bisher keine Probleme mit der Charal 2. Er hatte sich für ein besonderes Ruderdesign in umgekehrter V-Konfiguration entschieden, um das Heck aus dem Wasser zu heben. Auf Platz 3 beweist er, dass er seine Rennyacht bereits gut beherrscht und das Design für seine Segelstrategie passend ist.

Während der Vorbereitung auf das Rennen wurde das Charal-Team durch Franck Cammas verstärkt, der für einige Verbesserungen am Schiff sorgte. Cammas ist die perfekte Ergänzung für Beyou. Er treibt das Team sehr an und wird das Boot von Pointe-à-Pitre zurück nach Lorient segeln.
Hinter Beyou macht auf Platz 4 auch Kevin Escoffier mit Holcim PRB ein tolles, souveränes Rennen. Sein neue Imoca wurde als letzte fertig. Escoffier, der bei der letzten Vendée Globe Schiffbruch erlitt, hatte im August als Fünfter für das Ocean Race gemeldet. Der studierte Ingenieur hat alle seine Boote maßgeblich mitentwickelt. Auch die neue Holcim PRB, die er von einem US-Team übernahm, baute er um und stattete die Rennyacht mit neuen Foils aus.
Paul Meilhat, der die Route du Rhum 2018 gewann, ist mit dem nächsten Neuentwurf im Rennen. Seine Biotherm entspricht dem Verdier-Design von LinkedOut. Die Bugform wurde geändert, ebenso Ruder und Foils. Das Boot, das erst im Herbst ins Wasser gegangen ist, musste beim Défi Azimut wegen technischer Probleme aufgeben. Jetzt zeigt es eine sehr gute Performance. Auch Escoffier startet im Januar 2023 mit seinem Team zum Ocean Race.
Der Franzose Benjamin Dutreux liegt bisher sicher unter den Top Ten auf Platz 8 und zeigt, was er kann. Man darf schon sehr gespannt sein, wenn er im europäischen Team mit Robert Stanjek, Annie Lush und Philipp Kasüske ins Rennen geht.
Die Frauen sind ganz vorne dabei
Während man dem spannenden Endspurt zwischen Ruyant, Dalin und Bejou zuschauen kann, hat sich eine Frau besonders ins Zeug gelegt: Pip Hare macht ein hervorragendes Rennen auf ihrer Medallia und holt trotz gerissenem und repariertem Großsegel alles aus ihrem Boot heraus. Sie sagt: „Es geht auf und ab, aber ich werde so hart segeln, wie ich kann, egal was passiert.“

Zwei weitere Seglerinnen zeigen ein sehr sicheres und professionelles Rennen und sind ebenfalls unter den ersten zehn: Justine Mettraux, die wie festgetackert auf Platz 7 liegt, und Isabelle Joschke auf Platz 9.
Die letzten Stunden, bis ein Sieger in der Imoca Class durchs Ziel fährt, werden spannend werden. Das Finale wird zwischen Thomas Ruyant und Charlie Dalin ausgefochten, aber vielleicht schafft auch Beyou noch einen Spitzenplatz. Die ein oder andere Verschiebung ist auch beim Rest der Flotte sicher noch zu erwarten.