Der alte Fischkutter hat seine Fahrenszeit eigentlich hinter sich: In Planen eingehüllt steht sein bauchiger Eichenrumpf weit weg vom Wasser auf dem Werftgelände. Doch im kommenden Sommer soll das ehemalige Arbeitsschiff im Hafen von Wolgast als schwimmender Imbiss dienen.
Nebenan in der Halle ist der 100er-Seekreuzer „Storch“ von 1936 aufgepallt, in der Luft liegt der Geruch von Bootslack. Ein Langzeitprojekt, dass wie viele historische Boote von der Liquidität der Eigner abhängig: Haben sie Geld, geht die Arbeit voran.

Im Moment aber ist Pause: Die acht Mitarbeiter sitzen zu Tisch an dem ein großen Eichenmöbel im Büro. In ihrer Mitte: Kirsten Dubs, Meisterin und Chefin der Bootswerft Freest in Vorpommern.
Frau in einer Männerdomäne
Seit knapp 13 Jahren steuert die Bremerin die Geschicke des Unternehmens am Greifswalder Bodden, als wir sie im Herbst 2019 besuchen. „Es ist ein dynamisches Auf und Nieder. Dafür habe ich mir hier einen Traum erfüllt“, sagt Kirsten Dubs. Ganz einfach klingt das.

Aber natürlich ist es das nicht, war es nie: Schon der Start ihrer Laufbahn verlangt Durchsetzungskraft – einer Frau wird es in der Männerdomäne Bootsbau bis heute nicht leicht gemacht.
Ursprünglich hat sie Schifffahrtskauffrau gelernt, doch Büroarbeit ist nicht ihr Ding. Bootsbauerin will sie werden. Doch das ist vielen unbequem – eine Werft lehnt ihre Bewerbung sogar mit dem Hinweis ab, es gebe nur Sanitäranlagen für Männer!
Wanderjahre auf Windjammer
Schließlich klappt es, im Jugendkutterwerk Bremen. Nach der Lehrzeit dann die Wanderjahre auf einem Windjammer: Sie heuert unter anderem an Bord des Kreuzfahrt-Großseglers „Star Clipper“ als Matrosin und Schiffszimmerin an. In der Karibik begegnet sie Detlev Löll. Der sucht gerade jemanden auf seiner Fridtjof-Nansen-Werft für Großsegler in Wolgast.
1999 macht Kirsten Dubs ihren Meister. Gute Jobs mit Kleinkind bleiben rar; sie arbeitet mal hier, mal da. 2005 ist sie in Wolgast als Ausbilderin tätig, als sie von der Zwangsversteigerung der Jarling-Werft in Freest hört. Das ist die Chance zur Selbstständigkeit!
Eine der ältesten Werften
Kirsten Dubs fährt nach Freest und verliebt sich sofort – in die alte Werft und den kleinen Fischerort nahe der Peene-Mündung, wo der Fluss in den Greifswalder Bodden übergeht.
Die Werft, gegründet 1889, ist eine der ältesten an der Küste – und so sieht sie auch aus. Die Halle windschief, aber darinnen dämmern Handwerker-Schätze wie die Bandsäge von 1878, ein Sägegatter und ein Dickenhobel aus den 1940er-Jahren.

Dennoch gehört eine Menge Mut und eine kleine Portion Wahnsinn dazu, sich so ein Projekt anzulachen. Aber Kirsten Dubs hat ihren Traum. Sie erstellt einen Business-Plan, leiht sich Geld von Freunden und Verwandten und klappert die Banken ab.
Auf die Frage der Bankberater: „Wer soll denn der Meister sein?“ entgegnet sie trocken: „Der steht vor Ihnen.“ Der selbstbewusste Auftritt überzeugt offenbar: Sie erhält den Zuschlag.