
Passte nicht ins System
Krautzig lässt noch heute nichts kommen auf seinen Bootsbaumeister: „Ein genialer Mann, unglaublich fähig. Er hielt 95 Patente.“ Wax probiert ständig Neues aus, nervt die Behörden mit Ideen, experimentiert mit Werkstoffen. Nur habe er nicht in das DDR-System gepasst. Das bemerkte schließlich auch das MfS: Ungeeignet „für das sozialistische Wirtschaftsgefüge“, so lautet eine Aktennotiz. Aber seine Boote sind die schnellsten.
Mit 80 km/h seien sie über die Berliner Gewässer geflitzt, erinnert sich Werner Krautzig. „Wat haben wir wilde Sau gespielt, damals.“ Die DDR-Wasserpolizei sah dem Treiben relativ hilflos zu: „Die hatten ja nur Wartburg-Motoren an ihren Booten, damit kamen sie auf maximal 20 km/h.“
Einmal, Anfang der 1980er-Jahre, wandte Krautzig seinen bewährten Torten-Trick auch bei den Ordnungshütern an: Er schnappte sich ein frisches Teig-Teil, lud die Wasserpolizei seines Reviers zum Schmausen ein und verfrachtete sie anschließend auf die Rennmaschine von Hans Wax – und Hebel auf den Tisch … „Denen ist die Sprache weggeblieben“, sagt der 82-Jährige mit Lachtränen in den Augen.

Wax knüpft Kontakte
Wax dagegen wurde immer lauter: Er wetterte gegen den Sozialismus, gegen die Arbeitsmentalität im Besonderen. Obwohl ihm bereits eine Ehrenrente des MfS zustand, verlangte er mehr – und knüpfte Kontakte zum Sowjet-Geheimdienst KGB. Er drohte sogar, einen Ausreiseantrag gen Westen zu stellen. Die Stasi-Genossen sahen mit Sorge, wie ihnen ihr Schützling zu entgleiten begann.
So wurde Wax selbst zum Oberservierungsfall: Regelmäßig besuchte ihn nun ein Führungsoffizier, hörte sich seine Beschwerden an und erstattete Bericht. Ob die Sorge, dass ihr Geheimnisträger eines Tages vielleicht doch noch singen würde, begründet war? Das bleibt offen – denn für das MfS erledigte sich das Problem quasi rechtzeitig von selbst.

Keine Zeit für Atemschutz
Hans Wax habe „ununterbrochen geraucht, und dann noch die ganzen Plastikdämpfe aus seiner Produktion eingeatmet“, erzählt Werner Krautzig, der ihn dort häufig besuchte. Eine Schutzmaske trug er nie. Darauf angesprochen, soll Wax auf die Art entgegnet haben, für die er bekannt war: „Er hat heftig abgewunken, dafür habe er keine Zeit.“
Am Ende blieb ihm keine mehr: 1984 starb Hans Wax an Lungenkrebs. Er wurde 57 Jahre alt. Bei seiner Beerdigung standen vier Personen am Grab: Neben zwei Verwandten und Krautzig kam folgerichtig auch ein Abgesandter von der Firma. Der Staat im Staate übernahm den Betrieb, stellte die Bootsproduktion ein und nahm die Liegenschaft in Besitz. Die Umwandlung in ein Schulungs-Objekt des MfS wurde durch den Mauerfall vereitelt.

Wie viele Boote Wax Firma in Berlin und später an einem neuen Standort im brandenburgischen Tornow bei Teupitz insgesamt baute, ist unbekannt. Die Schätzungen reichen von wenigen dutzend bis zu mehreren hundert.