Der maritime Großhandel in Deutschland ist quicklebendig. Jedenfalls waren die Unternehmen im sogenannten B2B-Sektor durchweg positiv gestimmt – bis zum Beginn der europäischen Coronakrise vor wenigen Wochen. Dieses Bild änderte sich Mitte März abrupt, auch durch den Produktionsstopp bei vielen Zulieferern und die erst kürzlich beendete Schließzeit im Einzelhandel. float hat bei den wichtigsten maritimen Ausrüstern nachgefragt, wie die Stimmung bei den Unternehmern ist.
Warum den Großhandel befragen, um etwas über die maritime Wirtschaft zu erfahren? Weil hier das Marktbarometer frühzeitig anschlägt. Rund ein Dutzend Großhändler übernimmt – neben den Niederlassungen internationaler Hersteller – in Deutschland die Distribution internationaler Marken als Lieferanten des Handel.
Traditionell stark – der Großhandel
Auch wenn ihre Bedeutung durch Direktvertrieb und Internethandel langsam geringer wird, bestimmen die meist familiengeführten Unternehmen den B2B-Markt, also „business to business“ mit gewerblichen Kunden.
Die drei Hamburger Unternehmen Lindemann, Herman Gotthardt und Marx Technik, beliefern ausschließlich gewerbliche Kunden, ebenso Bukh Bremen, Von der Linden am Niederrhein, Pfeiffer Marine am Bodensee und der niederländische Vollsortimenter Allpa. Sie alle beliefern als Erstausrüster Werften und Bootsbauer, bedienen aber auch den „Aftermarket“, also Servicebetriebe, Behörden und Bootshändler mit eigener Werkstatt, die Neueignern das Boot individualisieren.

Handelshäuser, die nur einen Teil ihrer Umsätze mit gewerblichen Kunden machen, unterliegen denselben Trends. Deshalb haben wir auch sie befragt. Der Bremer Versender SVB hat einen B2B-Anteil von rund 20%. Beim Hamburger Spezialanbieter Toplicht hat man sich auf klassische Ausrüstung spezialisiert. Rund 30% macht das Geschäft mit gewerblichen Kunden hier aus – „Tendenz steigend“, so Geschäftsführerin Gesa Thönnessen. „Knapp ein Drittel“ im gewerblichen Sektor erlöst A. W. Niemeyer, Deutschlands ältester maritimer Ausrüster, mit Onlineshop und seinem bundesweiten Filialnetz.
Zwei heiße Sommer Sonderkonjunktur
Die wirtschaftlich sehr stabile Situation sorgte für großes Konsumentenvertrauen in Deutschland. Eine der höchsten Beschäftigungsquoten seit der deutschen Wiedervereinigung und viel durch die Niedrigzinspolitik nicht fest angelegtes Geld stimulierten den konjunkturfühligen Bootsmarkt.
Die Folge: Gute Stimmung bei deutschen Bootsbauern. Die schon 2018 deutliche Sonderkonjunktur beim Neubootkauf setzte sich 2019 nahtlos fort. Zwei Jahrhundertsommer in Folge befeuerten die Kauflaune zusätzlich. Für viele Werften und Bootshändler war 2019 das erfolgreichste Jahr seit langem.

Die gute Konjunktur zeigte sich für Robert Marx, Präsident des Bundesverbands Wassersportwirtschaft, auch im eigenen Unternehmen Marx Technik: „2019 war eines unserer besten Jahre bisher, wobei sich besonders das Service- und Fachhandelsgeschäft gut entwickelt hat.“ Allpa-Geschäftsführer Mark Rutgers bestätigt das: „Das Gesamtjahr 2019 war sehr positiv – mit einem Umsatzplus von fast sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr.“ Das schöne Wetter 2019, ergänzt er, habe dabei sicherlich eine wichtige Rolle gespielt.
Filialisten wie A. W. Niemeyer profitierten direkt von der Kauflust der Bootseigner. „Wir sind als Teil des Freizeitsektor 2019 hoch zweistellig gewachsen“, erklärt AWN-Geschäftsführer Christoph Steinkuhl, „wobei der Motorbootbereich überproportional wächst.“ Er ergänzt: „Das vergangene Jahr war für uns extrem gut, und auch dieses Jahr fing sehr gut an.“ SVB-Chef Thomas Stamann nennt für 2019 einen Zuwachs von rund 15% beim Umsatz. Für 2020 bis Anfang März gebe es „ein Plus von etwa 10%“.


„So gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr“
Einen der besten Starts in ein neues Jahr gab es 2020 nach Aussage von Bernd Wegner, Prokurist der Lindemann KG. Eine „hervorragende Grundstimmung“ habe man von der Zubehörmesse METS Amsterdam im November 2019 und von der boot Düsseldorf 2020 mitgenommen. Es war „so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr, auch seitens der Kunden“, so Wegner.
Es gab kein Warnzeichen am Horizont – außer etwas Vorsicht angesichts der wohl kommenden, aber handhabbaren Brexits.