Schöne Reise – schlechtes Wetter. So ungefähr könnte man den Törn von Max Lessner (27) kurz beschreiben, der mit seiner Sirius 26 „Nonsuch“ von Cuxhaven aus Round Britain gesegelt ist. float hat mit ihm über den 2.200-Seemeilen-Trip gesprochen, während er gerade sein Boot ins Winterlager segelt.

float: Moin Max. Wo bist Du gerade?
Max Lessner: Hi Stephan! Ich bin grad dabei, die Nonsuch ins Winterlager in die Oste zu bringen. Sonne und plattes Wasser – sowas bin ich gar nicht mehr gewohnt.
Manche sagen ja, der letzte Segeltag vorm Winterlager sollte schön sein, um einen guten Saisonabschluss zu haben. Andere sagen, es könne ruhig regnen und kalt sein, damit man einfacher loslassen kann. Wie siehst Du das nach deiner zurückliegenden Tour?
Mir gefällt ein ruhiger Spätsommertag gerade besser. Teilweise war der Törn Round Britain tatsächlich sehr anstrengend und vom gefühlt schlechtesten Sommer aller Zeiten bestimmt. Unterwegs hat mich das manchmal echt genervt, schon jetzt, nur eine Woche nach der Ankunft, glaube ich aber, dass das Wetter auch zum Revier dazu gehört.
Du bist ja 2014 Ostsee Rund gesegelt, und nun Round Britain. Worin lag im Bezug auf das Seglerische für dich der größte Unterschied?
Der größte Unterschied lag für mich darin, dass ich mich 2014 einfach habe treiben lassen. Rund Ostsee ist da quasi „nebenbei“ draus geworden. Auf dem Törn Round Britain habe ich zwei Traumziele verfolgt: Den Horizont hinter Helgoland zu entdecken, also nonstop über die Nordsee zu fahren. Und Kilmore Quay zu besuchen, ein kleines irisches Fischerdorf, in dessen Nähe ich mal zur Schule gegangen bin. Diese Ziele hatte ich immer im Kopf, wenn ich mich durch schlechte Bedingungen gekämpft habe oder irgendwo festhing.
Seglerisch gibt es natürlich auch Unterschiede: Man ist sehr nah an der Zugbahn der Atlantiktiefs, die im Gegensatz zur Ostsee auch im Hochsommer das Wetter bestimmen. Man segelt oft vor ungeschützter Küste und muss den Tidenstrom im Auge behalten. Dafür war es selbst an absoluten Traumzielen mit atemberaubender Landschaft wie Schottland nie so überlaufen wie in der Ostsee in der Hochsaison.

Man sagt ja immer, die Nordseewellen seien länger und damit angenehmer. Aus Deiner Erfahrung, wenn Du dir das aussuchen könntest: Wo würdest Du lieber eins auf die Mütze bekommen: Ostsee oder Nordsee?
Puh, schwierige Frage. Ja, die Wellen sind länger. Und selbst bei Flaute hat man oft eine einen Meter alte Welle stehen, die einfach unter dem Boot durchgeht. Aber wenn es da zur Sache geht, wird es schnell richtig unangenehm. Man hat weniger sichere Häfen zur Auswahl und dadurch längere Strecken vor sich. Und wirklich einen Sturm auf See abwettern zu müssen, will ich lieber gar nicht erleben. Da ist die Ostsee zwar hackiger, aber speziell für ein kleines Boot am Ende doch behüteter.
Deine Nonsuch hat 26 Fuß. Was wäre für dich die perfekte Bootsgröße für einen Trip Rund England?
Mir hat der Platz immer gereicht. Die Nonsuch hat das trotz der Größe super gemacht. Im Hinblick auf komfortables Seeverhalten glaube ich, dass die Verdrängung viel wichtiger als die Länge ist. Irgendwo so ab 7 Tonnen wird‘s in der Dünung komfortabel.

Na, die 7 Tonnen hättest Du ja in den Highlands mit Single Malt anbunkern können.
Oh ja! Den Whisky lernt man bei den Besichtigungen in den Brennereien echt zu schätzen.
Wenn Du in zehn Jahren an die Tour zurück denkst: welcher Tag wird dir da am ehesten einfallen?
Oh, da gibt es natürlich einige. Wenn ich mich festlegen müsste, wäre es sicherlich die Ankunft in Schottland nach vier Tagen auf der Nordsee. Auf Platz 2 käme dann ein herrlicher Raumschots-Segeltag zwischen den Whisky-Örtchen Tobermory und Oban, durch den Sound of Mull. Gute Fahrt, bis zu 900 m hohe Berge auf beiden Seiten und seltenes schottisches Sommerwetter.
Hast Du dich auf die Reise speziell vorbereitet?
Eigentlich nur mit Karten und Revierführern. Man muss in diesem Revier ohnehin wegen des Wetters von Tag zu Tag planen. So kann man eine klassische Törnplanung auf den Tag genau ohnehin nicht machen.
Abgesehen davon habe ich natürlich genug Proviant für die Nordseeüberfahrt vorbereitet (Tütennahrung) und mir ein Satellitentelefon gemietet, um unterwegs nicht ganz ohne Kontaktmöglichkeit zu sein.
Auf der Nordseeüberfahrt von Helgoland nach Schottland gab es aber erstaunlicherweise Mobilfunknetz, wie man auf deiner Facebook-Seite lesen konnte. Immerhin hast Du Nachrichten gepostet, als Du mitten auf der Nordsee warst.
Ja, einer der großen Offshorewindparks hatte Mobilfunknetz. Da hatte meine Familie ganz schön komisch geguckt, als ich nach etwa einem ganzen Tag auf hoher See mal eben angerufen habe. Davon abgesehen war es aber ein unglaublich ruhiges und sinnliches Erlebnis, mal ein paar Tage ohne jeden Kontakt, Internet und Facebook unterwegs zu sein. Man kommt nach einiger Zeit so richtig zur Ruhe und fängt an, über alles Mögliche nachzudenken. Perfekt für gestresste Großstädter.
Ich muss dazu sagen, dass ich mir für die Überfahrt ruhiges Wetter ausgesucht habe, um mit dem kleinen Boot noch Wetterreserven zu haben, falls die Wetterberichte doch mal tiefgestapelt haben. Das kam am Ende auch so…

Womit wir beim Thema Wetter wären. So richtig Glück hattest Du ja nicht, oder? Wann hast Du aufgehört, dich darüber zu ärgern?
Das ist wahr. Von allem, was ich gehört habe, war das in der Heimat aber nicht viel anders. Geärgert habe ich mich immer wieder mal. Vor allem, wenn ich mehr als vier Tage im Hafen festhing und nicht mal absehbar war, wann es weitergehen könnte.
Am Ende hat mir das aber auch den Biss gegeben, meine Traumziele erreichen zu können, mich gleichzeitig aber auch den Bedingungen zu fügen. Ärgern hilft ja nix. Irgendwie muss man das Beste daraus machen. Fairerweise muss ich aber dazu sagen, dass mir diese Erkenntnis jetzt, nach der Ankunft, leichter fällt als mitten während der Reise.
Es ist einfach ein wunderschönes, aber auch sehr hartes Revier. Selbst die deutsche Nordseeküste erschien mir auf den letzten Tagen der Reise wie ein halbwegs geschütztes Urlaubsrevier. Und das will schon was heißen. Letztendlich habe ich aber viel gelernt – über die Grenzen des Bootes und meine eigenen.
War das der Grund deiner Reise: Deine Grenzen kennen zu lernen?
Nebenbei. Eigentlich die beiden bereits erwähnten Traumziele zu erreichen. Es war aber klar, dass ich an meine Grenzen kommen würde. Um ehrlich zu sein, hätte ich mir die Reise vor fünf Jahren auch noch nicht zugetraut.

Du bloggst viel von unterwegs. Was bedeutet der Blog für dich als Einhandsegler?
Zweierlei: Zum einen ist es natürlich schön „jemandem“ seine Erlebnisse mitzuteilen, wenn man alleine unterwegs ist, zum anderen ist es aber auch eine Art Reisetagebuch für mich selber. Deswegen versuche ich auch nicht, wie im Logbuch Zahlen zu notieren (das mache ich im selbigen ja eh), sondern eher Bilder und persönliche Geschichten von unterwegs festzuhalten.
Wenn es dann noch Kommentare gibt, dass ich jemandem damit einen regnerischen Bürotag versüßen konnte, ist das natürlich die Kirsche obendrauf.
Hast Du ein Lieblingsbild?
Unter Parasail im Loch Ness. Und der Abschied aus England mit den White Cliffs of Dover im Hintergrund! Da kam ich das erste Mal so schön ins Nachdenken, was von dem Törn hängenbleibt.

Es war ein Vergnügen, manchmal auch ein Kampf oder sogar etwas frustrierend, am Ende aber eine geile und aufregende Erfahrung.
Nun hast Du Ostsee Rund und England Rund gemacht. Hast Du weitere Pläne? Birkholm Rund dürfte ja keine Herausforderung sein, oder?
Du, vielleicht genau das. Ich habe mit der kleinen Nonsuch in Nordeuropa fast alles gesehen, was realistisch machbar ist. Speziell diese Reise war aber echt anstrengend. Abgesehen davon, dass ich auch mal wieder Kohle ranschaffen muss, sind ein paar ganz entspannte Törns durch die dänischen Gewürzinseln (Südsee) jetzt genau das Richtige.
Wird es über diese Reise auch wieder ein Buch geben so wie über deine Ostsee-Tour?
Na, das hängt ja auch von den Lesern und meinem Verlag ab. Ich würde mich aber sehr über eine Gelegenheit freuen, mal wieder ein paar Erlebnisse und Gedanken aufzuschreiben.
Wenn jemand diese Tour nachsegeln möchte, welchen kurzen Rat würdest Du ihm geben?
Keine kurzen Hosen einpacken! Nein, im Ernst: genug Zeit einplanen und die Flexibilität haben, auch mal umzuplanen. Ein wenig seglerische Erfahrung schadet natürlich auch nicht. Und ich würde mich eingehend mit den lokalen Wetter- und Tidenverhältnissen beschäftigen. In der walisischen Menai Strait fährt man sonst schnell mit fünf Knoten rückwärts.
Wenn man das berücksichtigt, kann sich man über einzigartige Landschaften mit Felsen und grünen Hügeln, urige Häfen, gemütliche Pubs und viel Gastfreundschaft freuen.
Max, vielen Dank für das Gespräch!