Ein bisschen verrückt es es ja schon: Für drei Tage das Ölzeug auf Handgepäckmaße falten und zum Regattatraining in Kroatien zu reisen, um sich fit zu machen für eine Regatta. Doch sieben Österreicherinnen, zwei Seglerinnen aus Kiel und eine Berlinerin haben es getan – und wurden mit einem sonnigen, knackigen Training belohnt. Sie starten Anfang Juni beim Helga Cup, der ersten großen Kielboot-Regatta nur für Frauen auf der Alster.
Tag 1: Im Hafen von Jezera liegen zwischen Fischerbooten und all den vielen Charter- und Eigneryachten einige Seascape 24 und Seascape 18. Sie fallen auf: Rassiger Riss, hohe Masten, Carbon und klare Linien. Während das Dorf fast noch im Winterschlaf liegt, machen zehn Frauen sich auf, die Boote kennenzulernen. Einen Moment später zieht das Trainerboot die ersten aus dem Hafen. Die Segel stehen, eine freundliche Bö schiebt den Rumpf an. Ein leises Juchzen ist zu hören.

Der Überraschungs-Coup des Jahres
Der Helga Cup ist der Überraschungs-Coup des Jahres. Das, was 1930 mit einer Mädchenregatta der „Alsterratten“ begann, wird am 2. Juni 2018 als große, professionell organisierte Kielbootregatta nur für Frauen auf der Alster weitergeführt. Inzwischen sind 78 Teams dabei. Niemand hatte damit gerechnet, dass es so viel segelnde Frauen gibt, die Lust haben, sich mit anderen zu messen. Ausrichter ist der Norddeutsche Regatta-Verein, nicht gerade eine Hochburg des Feminismus. But the times, they are a-changing.
Als an einem grauen Wintertag die Einladung zu einem Drei-Tage-Training in Kroatien kam, waren die Plätze schnell gebucht. Das verwundert nicht. Denn hier tat sich eine Möglichkeit auf, die Seascape 24 kennenzulernen. Gesegelt wird beim Helga Cup auf zwei Bootsklassen: Der inzwischen auf vielen Revieren gut verbreiteten J70, die auch die Segelbundesliga prägt. Und auf dem Newcomer Seascape 24, einem modernen Racer für Freizeit-Segler, der erst im November 2016 vorgestellt wurde, also noch ganz neu am Markt ist.

Neuer Bootstyp, verlockendes Revier
Die Teilnehmerinnen am Helga Cup stellt das vor ein Problem: Denn natürlich ist es gut, wenn man ein Boot vor dem Rennen kennengelernt hat und vertraut ist mit Segeleigenschaften und Handling. Eine J70 aufzutreiben, ist vergleichsweise einfach. Aber die Seascape 24? Das Angebot von Free Spirit, mit Tobias Schadewaldt zusammen ein Training zu organisieren, kam da gerade recht. Free Spirit ist das größte Seascape-Zentrum an der Adria.
Auch das Revier war verlockend. Der malerische Fischerort Jezera (Maps) liegt auf halber Strecke zwischen den Flughäfen von Zadar und Split, die Anreise dauert kaum länger als die Fahrt von Berlin nach Kiel-Schilksee. Mit Tobias Schadewaldt als Coach war das Paket perfekt geschnürt: Vom Steuermann des siegreichen NRV-Bundesliga-Teams war Spitzen-Input zu erwarten.

Angemeldet hatten sich erfahrene Seglerinnen. Sie kamen aus ganz unterschiedlichen Bereichen des Sports. Mehrere waren schon über den Atlantik gesegelt, eine war bei einer Weltmeisterschaft gestartet, Spitzensportlerinnen und Langfahrt-Erprobte waren dabei. Sie haben sich ihre Nische im Segelsport erobert und sind in den wenigen Frauenteams aktiv, die auf den Regatta-Bahnen starten.
Der Helga Cup konfrontiert sie alle mit einem neuen Format. Gesegelt wird nämlich auf knackigen Up-and-Down-Kursen mit sechs Booten, jede gegen jede. Also sehr viele kurze Rennen mit sechs gleichen Booten. Wer von der Langstrecke kommt, muss sich da umgewöhnen, ebenso alle, die in großen Feldern starten oder sonst Yardstick-Regatten mit unterschiedlichen Booten segeln. Die von der Jolle kommen, denen sind die mit gut sieben Metern Länge zwar überschaubaren, aber doch schon soliden Dimensionen der Seascape neu. Und das Zusammenspiel im Vierer-Team will geübt sein. Wer von der J70 kommt, muss hier lernen, ohne Achterstag und mit Doppelruder zu agieren. Für all diese Umlern-Prozesse bot das Training vor Jezera reichlich Raum.
Leidenschaft und Wind und Expertise
Tobias Schadewaldt brachte im Trainings-Programm die verschiedenen Ebenen erfolgreichen Segelns zusammen. Ein Großteil der Zeit verbrachten die Teams auf dem Wasser, um vor der bezaubernden Inselwelt der Kornaten Manöver und das Bootshandling zu üben. Start, Luvtonne, Gennaker hoch, Halse, Gennaker runter – und das Ganze gleich noch mal. Nach zehn Minuten ist das erste Rennen vorbei, und drei Minuten später startet das nächste. Handgriffe wurden zu Routinen, und die Routinen wurden immer wieder hinterfragt, um die Abläufe zu optimieren.
Der Morgen begann mit Yoga – als mentaler Vorbereitung auf das Rennen. Sich selbst in einen guten Zustand zu versetzen sei unverzichtbar, gab Tobias Schadewaldt den Teilnehmerinnen mit auf den Weg. Die Abende gestaltete das Team der Segelschule – mit frisch gefangenem Thunfisch und Makrelen vom Grill und einem sagenhaften Ausblick über das langsam in der Nacht versinkende Inselmeer.

Am Rande des Helga Cup-Trainings kam es immer wieder zu Gesprächen. Viel ging es dabei um den Spaß am Sport, um Leidenschaft und Wind und Expertise. Aber in Halbsätzen wurde auch immer wieder klar, warum so wenig Frauenteams bei den Regatten starten. „Die Jungs wurden gefördert“, sagt eine, „ich konnte froh sein, wenn ich mitmachen durfte. Irgendwann verlor ich die Lust.“ „Mit ihm zu segeln geht nur, wenn er am Ruder ist“, sagt eine andere, „sonst ist der Familienfrieden in Gefahr.“ „Mein Freund ist kein Regatta-Segler“, sagt eine dritte, „und das ist vielleicht auch ganz gut so. Da habe ich was eigenes.“ Aber so richtig viel Zeit fürs Training bleibt da nicht. Wer Erfolg will, ist den Sommer über kaum ein Wochenende zu Hause. Kaum eine Beziehung hält das aus.

Still und geschickt die Potenziale geweckt
Manche erzählen, dass sie über den Regatta-Spaß ihrer Kinder dann angefangen haben, über den eigenen Wiedereinstieg nachzudenken. Ein Projekt wie der Helga Cup kommt da gerade recht. Und einmal wieder ins Trainingslager zu fahren, mit vollem Fokus auf die eigene Kompetenz, empfanden wohl alle als ein großartiges Geschenk.

Tag 3. Yeaaah, der Gennaker steht und lässt die Seascapes über die Bucht von Jezera flitzen. Und rechtzeitig vor der Bahnmarke ist er wieder unter Deck. Tobias Schadewaldt sitzt im Motorboot und lächelt. Still und geschickt hat er in jeder der Seglerinnen die Potenziale geweckt, die sie ein Stück weiter nach vorne bringen werden. „Bis in Hamburg“, heißt es zum Abschied. Das nächste Frauen-Regatta-Training in Jezera ist schon in Planung.