Der knorrige Wuschelkopf kriegt sie alle. Jean Le Cam ist legendär für seinen Charme und für seine Segelleistung. Auch bei seiner fünften Vendée Globe flogen ihm die Sympathien zu, und nicht erst nach seiner dramatischen Rettung von Kevin Escoffier. Der 61-jährige Segelsouverän hat mit seinem 13 Jahre alten Boot „Yes We Cam!“ den vierten Platz der Weltumseglung errungen, den Platz für Trottel, wie er selbst behauptet.
Damit verdrängte er Boris Herrmann auf Platz 5. Und er zeigte dem Segelnachwuchs, dass ein reicher Erfahrungsschatz entscheidender ist als eine prall gefüllte Kriegskasse. Spaß hatte er auf der Regatta wenig, wie er im Interview zugibt. Aber seinen Humor hat er nicht verloren. Voilá!
„Noch vorgestern wollte ich hinschmeißen“
Sie sagen, das Rennen war hart?
Es war der Unterschied zwischen schwierig und unerträglich! Dass ich es geschafft habe, erscheint mir wie ein Wunder. Und am Ende entscheidet die Rangliste, die man während des Rennens überhaupt nicht im Kopf hat. Ich rutschte vom achten auf den sechsten auf den vierten Platz. Ich habe alles gegeben, aber ich hatte auch sehr viel Glück.
Haben Sie diese Vendée Globe härter als ihre Kenterung 2008 empfunden?
Oh ja! Nach der Kenterung hockte ich auf dem Boot, und 18 Stunden später kam Vincent Riou zu meiner Rettung. Aber diese Vendée Globe dauerte nicht 18 Stunden, sondern zweieinhalb Monate. Als Kevin von meinem Boot auf die Fregatte „Nivose“ umstieg, ballte sich eine Schlechtwetterfront zusammen.

Ich kroch in den Bug und sah, dass sich das Laminat zerrüttete. Ich reparierte die Stellen mit Carbon und entfernte Ballast, um den Bug zu erleichtern. Aber es brach wieder auf. Ich steuerte Richtung Nord für günstige Reparaturbedingungen. Aber mein Vertrauen in die Konstruktion war hin.
Auf volle Leistung konnte ich seitdem nicht mehr gehen. Noch vorgestern wollte ich hinschmeißen. Aber mein „Hubert“ [Jean Le Cams Kosename für sein Boot] hat mich treu nach Hause gebracht.
Das klingt nicht nach viel Spaß…
Spaß? Ich war von morgens bis abends gestresst. Keine Ahnung, ob ich es schaffen würde. Ehrlich gesagt, der Spaß hielt sich in Grenzen.
Der vierte Platz ist für Trottel, haben Sie mal gesagt. Sehen Sie das immer noch so?
Absolut. Ich war oft Vierter bei La Solitaire du Figaro. Als Zweiter hat man nicht gewonnen. Als Vierter steht man nicht auf dem Podest. Aber ich ging bis zuletzt davon aus, dass ich nur Achter wäre. So gesehen beschwere ich mich nicht.

Zweimal hätten Sie fast aufgegeben. Was hat Sie daran gehindert?
Weil es immer wieder voranging. Die erste Reparatur schien erfolgreich. Als sie doch den Geist aufgab, steckte ich mitten im Pazifik. Mir blieb nichts übrig, als Kap Hoorn zu umrunden. Wegen des starken Winds habe mich 100 Meilen von der Küste entfernt gehalten.
Auf dem Kurs geriet ich in Idealbedingungen. Davon hatte ich drei Wochen geträumt. Auf dem letzten Stück stellte ich mir vor, ich müsste in die Rettungsinsel. Da hätte man gerne warmes Wasser. Also segelte ich so schnell wie möglich in Richtung der Passatwinde.
Es war Ihre fünfte Vendée Globe. Wieso tun Sie sich das immer wieder an?
Man muss das Schlechte kennen, um das Gute genießen zu können. Es geht um die Extreme, die man im Alltag nie erlebt. Man häuft Schwierigkeiten an, und es ist die Hölle. Aber wenn man ankommt, ist es das wahre Glück. Im Kanal vor der Ziellinie warten mitten in der Nacht Menschen darauf, dass du einläufst. Sie begeistern sich für dich. Das ist ein extremer Moment des Glücks.

Was würden Sie einem Youngster mit einem Boot wie Ihrem für die Vendée Globe mitgeben?
Benjamin Dutreux, Damien Seguin und ich haben den jungen Leuten gezeigt, dass man keine sechs bis sieben Millionen Euro in ein Boot stecken muss. Die Vendée Globe droht, für die Segler ohne multinationale Sponsoren finanziell unerreichbar zu werden. Dabei ist es wichtig und unerlässlich, dass das Rennen kleinere Firmen und junge Leute nicht ausschließt.
Welche Segler haben Sie für sich entdeckt?
Vor allem Benjamin Dutreux und Damien Seguin. Benjamin segelt einen der besten Rümpfe von Farr. Ein tolles Boot, das er genau richtig zu nehmen weiß. Als Damien davongezogen war, hielt ich mich an Benjamin. Ich wollte vor ihm ankommen. Wir haben jetzt die alte Hackordnung wieder hergestellt: Der alte Sack liegt vor dem Behinderten und dem Wichser.

Und Louis Burton?
Was für ein Draufgänger! Er segelte die ganze Zeit im roten Bereich und holte unglaubliche Geschwindigkeiten raus. Nach seinem Reparatur-Stop in Macquarie stürzte er sich mit Vollgas in die Aufholschlacht. Er hat uns alle mitgerissen.
Der Sieg von Yannick Bestaven?
Der macht mich sehr glücklich. Im südlichen Ozean war er allen so weit voraus, dass die anschließenden Probleme nicht zu Buche schlugen. Ein großartiger Sieger, ein verdienter Sieger.