float: War der Rauswurf der Seglerinnen und Segler bei den Paralympics auch ein Rückschlag für den Behinderten-Wassersport?
Heiko Kröger: Ich denke schon. Wir haben sowieso seit jeher Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden. Auch im „normalen“ Segelsport ist es so, dass die Jugendlichen nicht mit Füllhörnern in die Vereine gegossen werden. Ich glaube wirklich, dass man als Jugendlicher – behindert oder nicht – Ziele wie die Paralympics oder die Olympischen Spiele braucht, um bei der Stange zu bleiben.
Als man mich mit Ende 20 fragte, ob ich Lust hätte ins Behindertensegeln einzusteigen, habe ich erst abgelehnt. Als dann die Spiele in Sydney stattfinden sollten und erstmals Segelmedaillen verliehen wurden, bin ich erst in die Sonar und dann aus Überzeugung in die 2.4mR gewechselt.

Und für die Paralympics konnten Sie sich dann begeistern.
Klar, das war dann richtig was – bei den Paralympischen Spielen dabei sein! Na hör mal!
Können denn Events wie die Para World Sailing Championships nicht die gleiche Aufgabe erfüllen?
Ich werde dieses Jahr nicht nach Cadiz zu den Para-Worlds fahren. Ich habe keine Lust, gegen Leute zu segeln, die sehr weit vom paralympischen Niveau entfernt sind. Das wird eine erweiterte Spanische Meisterschaft, mehr nicht.
Und wie soll nun der Segelsport behinderten Menschen in Deutschland in Zukunft näher gebracht werden?
Wir arbeiten auf zwei Ebenen. Zunächst einmal ist die 2.4mR (die unter anderem bei den Paralympics eingesetzt wurde und auf der Kröger segelt – die Red.) ja keine Bootsklasse für Behinderte, sondern wird auch von behinderten Menschen gesegelt. In Deutschland haben wir mittlerweile die weltweit größte Flotte dieser Bootsklasse. Andererseits sind bei Regatten allerhöchstens 20 Prozent der Teilnehmer behindert.
In Skandinavien, Italien, Spanien, den USA oder Kanada wächst die Klasse ebenfalls. Hier kann also, mit den steigenden Teilnehmerzahlen, insgesamt die Anzahl behinderter Segler wachsen. Die 2.4mR ist gelebte Inklusion. Und das wird sich in Zukunft noch verbessern.

Aber das gilt ja nur für behinderte Menschen, die bereits die Segelei für sich entdeckt haben. In eine 2.4 mR setzt man sich nicht einfach so rein, um mal eben schnell Segeln zu lernen. Egal, ob mit oder ohne Behinderung.
Bestimmt nicht. Hier setzt unsere zweite Initiative an. Wie woanders auch bewegt man sich in Behinderten-Kreisen gerne in Bereichen, die bekannt und gewohnt sind – wie Rolli-Basketball, Handbike-Marathon, Bogenschießen etc. In den Wassersport wird man eher seltener gelotst, weil es nur wenige Angebote gibt. Und weil der Weg zum Wasser mitunter ziemlich weit sein kann. Es ist jetzt wichtig, dass der DSV und der Deutsche Behindertensportverband DBS gemeinsam das Thema „Inklusives Segeln“ auf die Agenda nehmen.
Es gibt als kompetente Unterstützung eine vielversprechende Initiative, die sich wirklich hinter das Thema klemmt. Seit über einem Jahr bin ich nun Mitglied des Lübecker Vereins Sail United e. V., der übrigens kürzlich beim „Goldenen Stern des Sports“ den zweiten Platz belegt hat.
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Wir wollen den Umgang mit Menschen mit Behinderungen vermitteln. Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt. Es geht um die Kommunikation, medizinische Informationen, die spezielle fachliche Ausbildung, technisches Equipment und infrastrukturelle Rahmenbedingungen. Dieses Wissen soll in die Vereine gebracht und nachhaltig verankert werden. Inklusion soll selbstverständlich gelebt werden.
Eine klasse Initiative, bei der behinderte Menschen in fast alle Wassersportarten schnuppern können. Sail United hat über den Goldenen Stern ja deutschlandweit Aufmerksamkeit bekommen.
Stimmt. Doch fast wichtiger zu erwähnen ist, dass wir bei Sail United zudem Menschen ausbilden, die in ihren Clubs als Behinderten-Verantwortliche interessierte Behinderte betreuen. Von der simplen Ansprache bis hin zum Verhalten in seglerisch oder sportlich heiklen Situationen. Wir bringen den Interessierten den richtigen Umgang mit Behinderten bei, die am Wassersport interessiert sind.
In Großenbrode an der Ostsee arbeiten wir mit einer Segel- und Wassersportschule zusammen, wo wir zeigen, wie es mit den Behinderten funktioniert! Wir vermitteln das nicht nur fürs Segeln, sondern auch beim Stand-Up-Paddeln, Rudern, Kajakfahren und sogar Kitesurfen für Rolli-Fahrer.
Klasse. Aber mal ehrlich: Glauben Sie wirklich, dass Vereine aus Bayern oder Baden-Württemberg ihre Leute nach Großenbrode an die Ostsee schicken werden?
Das ist unser nächster Schritt. Wir wollen in die Vereine gehen und direkt vor Ort allen Beteiligten zeigen, wie’s geht. Und möglichst alle Fragen beantworten, die im Umgang mit Behinderten erfahrungsgemäß auftreten. Wie fasse ich Behinderte an? Darf ich dem mal sagen: „Du Idiot“? Wie helfe ich in welchen Situationen? Was mache ich, wenn jemand ins Wasser fällt? Wie kriege ich die Person zurück ins Boot? Darf ich einfach so helfen oder muss ich immer fragen? Müssen wir jetzt den ganzen Club umbauen? Das kostet doch Unsummen! Fragen über Fragen.
Ein Kommentar
[…] was Heiko augenblicklich sonst so (an)treibt, ist auch sein Interview auf float unter dem Titel „Yes we can!“ […]