Mit dem Einbau der Decksprismen kommt endlich Licht unter Deck der Tally Ho. Licht am Ende des Tunnels sieht auch Leo Sampson, der zum ersten Mal vom Stapellauf spricht. Er schnitzt schon mal die Ziergöhl (die für jede Werft individuelle Zierlinie) von Albert Strange ins Schanzkleid, während die anderen Gewerke munter vorangehen.
In zwei Videos bringt uns Leo die Arbeitsschritte der letzten Wochen näher. Es passiert so viel, dass er das alles nicht mehr in einem 14-tägigen Video unterbringen kann. Nach sechs Jahren Wiederaufbau des Strange-Rennkutters Tally Ho von 1909 mit vielen Helfern geht’s jetzt mit Riesenschritten in die Endphase.
Glanz für den Headroom
Das erste Video befasst sich mit seinen professionellen Bootsbauer-Kollegen Nick und Patty. Nick gibt sich viel Mühe beim Lackieren der Kirschbaum-Einbauteile (das Cabinetry) für den „Head“ genannten Toilettenraum, an dem er schon seit Monaten werkelt. Jedes Teil ein kleines Meisterwerk, auch die Borde, die am Ende keiner mehr sieht, weil sie hinter den kunstvoll gearbeiteten Türen verschwinden. Jedes Teil bekommt mehrere Lackschichten, bevor es installiert wird.

Bootsbau besteht nicht nur aus schöner Holzarbeit, das Schleifen und Lackieren nimmt einen großen Teil der Arbeitszeit in Anspruch. „Es ist hart, ein Perfektionist zu sein“, stöhnt Nick schon bei der ersten Lackschicht. Die Kamera-Arbeit hat inzwischen meistens Patty übernommen, der dann gerne auch mal einen seiner Jokes einbringt: „Du sieht mit deinen schwarzen Locken und der coolen Sonnenbrille aus wie der Gitarrist von Guns n’ Roses, der mit dem Zylinder, wie heißt er noch mal?“ „Mötley Crüe?“ Erica weiß es auch nicht genau und Nick lacht sich halbtot.
Wir wissen es natürlich besser, der Mann heißt Slash und eine gewisse Ähnlichkeit ist nicht abzustreiten. Er beherrscht seine Gitarre wie Nick seinen Hobel. Welche Kunst besser gefällt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Am Ende baut „Slash“ Nick seinen kleinen Toilettenraum zusammen inklusive seines Waschtisches mit der goldglänzenden Messing-Armatur, nach der sie monatelang gesucht haben. Wir kennen sie schon aus Pattys Galley.
Kleine gefräste Schlitze
Für die Befestigung der Waschtischplatte aus massivem Kirschbaumholz hat er sich etwas Besonderes ausgedacht: Würde er sie nur festschrauben, könnte sie reißen. Also hat er in die Auflageleiste kleine Schlitze gefräst und schraubt von unten Klötzchen an die Platte, die in die Schlitze eingreifen. So kann das Holz arbeiten und bei Bedarf kann die Platte auch mal wieder ohne Beschädigung abgenommen werden.
Nachdem alle Teile eingebaut sind und die Türen mit den Kugelschnäppern sauber schließen, sieht alles fein aus. Einzig das hässliche Klo (der eigentliche Head) mit Plastikdeckel stört. Da gibt’s schönere Varianten, zum Beispiel Baby Blake von Sea Sure mit Holzdeckel. Die kostet allerdings um die 4.500 Euro und nicht alle Firmen sind bereit zu sponsorn.
Low-Tech für den Shit-Tank
Es gibt viele Tanks an Bord: Frischwasser, Diesel und Schwarzwasser. Bei ersteren ist die Inhaltsmessung einfach. Mechanische oder Ultraschallgeber zeigen verlässlich an, wenn der Inhalt zur Neige geht und es Zeit wird wieder zu bunkern. Anders bei Fäkalientanks. Die Form des Inhalts (Vorsicht Kopfkino!) verhindert eine präzise Messung. Wenn der Tank voll ist, ist es zu spät. Hier ist Leo bei einem lokalen Betrieb auf den https://tanktender.com/ gestoßen. Er misst per Luftdruck, verklebt nicht, braucht keinen Strom und passt mit seinem Retro-Design zum Klassiker.

Eine frische Absolventin der Northwest School of Wooden Boatbuilding ist zum Team gestoßen. Bailey arbeitet schon lange als Oberflächenveredlerin auf Yachten, bevorzugt auf Holzbooten, und fühlt sich wohl im Tally-Ho-Team. Nun ist Erica nicht mehr die einzige Frau in der Crew. Leo ist happy, denn seine Jungs tun sich mit dem Lackieren schwer, sie mögen lieber bauen. Bailey arbeitet effizient und präzise und es gibt noch viel zu lackieren, bevor Tally Ho auf große Fahrt geht.

Einer der großen Jungs, der gerne mit Holzbrettchen spielt, ist Clifton. Nachdem Richard sich zurückgezogen hat, ist er nun der Oldie im Team. Mit viel Spaß sitzt er im Cockpit und baut das Brückendeck. Das ist der Platz, an dem Leo die meiste Zeit verbringen und auf die Holzarbeiten blicken wird. Es ist Clifton eine Ehre hier zu arbeiten. Er sitzt jetzt die meiste Zeit an Deck und hat den vollen Überblick. Zum Beispiel auf die beiden Zitronen-Künstler Nick und Patty.
Zitronen an Deck
Zitronen gehören als wichtige Vitamin-C-Lieferanten schon immer in die Proviantlast der Segelschiffe. Sie haben früher die Seeleute auf ihren monatelangen Reisen vor Skorbut geschützt. Zitrone ist aber auch der Begriff für die runden Prismen, die in das Deck eingelassen werden, um Licht unter Deck zu verteilen.

Eigentlich sehen die vom Hamburger Klassik-Yacht-Ausrüster Toplicht gelieferten Glasgussteile eher aus wie Saftpressen. Sie werden schon lange auf Schiffen eingesetzt, um möglichst viel Licht durch eine kleine Öffnung im Deck zu verteilen. Bevor es elektrisches Licht gab, durfte wegen Brandgefahr in den Laderäumen keine Lampe angezündet werden. Andererseits konnte man von Deck aus immer kontrollieren, ob sich in der Last unter Deck ein Brand entwickelte.
Es gibt die Lichter in den verschiedensten Formen, z.B. auch in der länglichen Toblerone-Form (Leo hat diesen Ausdruck geprägt) oder farbig. Die „Zitronen“ verteilen das Licht am besten und Patty und Nick haben viel Spaß beim Schneiden der Löcher ins Deck.
Leo erklärt die Arbeitsschritte
Leo erklärt die Arbeitsschritte: Loch bohren, mit der Stichsäge aussägen, erste Fräsung für die Auflagefläche, zweite Fräsung zur Abrundung von unten, dritte Fräsung für den Bronzering. Einkleben mit flexibler weißer Boat-Life-Dichtungs-Masse (von unten sichtbar) und schließlich Versiegelung des Bronzerings mit TDS, das schon für die Decksnähte verwendet wurde.
Selbstredend, dass Leo schon beim Verlegeplan der Decksplanken an die Positionierung der Decksprismen gedacht und die (nicht kalfaterten) Stöße da eingeplant hat, wo die Deckslichter hinkommen. Alles ist sehr durchdacht. Und dann kommt die Ziergöhl.