Oder handelt es sich bei dieser Regatta rund um den Globus vielleicht doch um ein ultimatives Abenteuer, auf das seit Jahren viele gewartet haben? Tatsache ist: Das Golden Globe Race 2018 polarisiert. Was rein theoretisch betrachtet wenig erstaunt, schließlich bietet diese Regatta, die am 1. Juli im französischen Les Sables d’Olonnes starten soll, per Definition eine Menge Kritik-Potential. Denn wenn es um die Themen „Sicherheit auf See“ und „Schutz bestimmter Abenteurer vor sich selbst“ geht, ist die Hochseeszene traditionell zwiegespalten.

Eigentlich ein Desaster!
Das Golden Globe Race 2018 wurde zum 50-jährigen Jubiläum der legendären Regatta gleichen Namens ins Leben gerufen, die 1968/69 stattfand. Damals starteten neun mehr oder weniger erfahrene Hochseesegler zu einer Nonstop-Einhand-Weltumseglung. Doch nur einer kam ins Ziel: Robin Knox-Johnston!
Sein legendärer Mitstreiter Bernard Moitessier floh nach Rundung des Kap Hoorns vor dem Rummel, der ihn im Ziel erwartete und nahm Kurs auf seine geliebte polynesische Südsee. „Lügensegler“ Donald Crowhurst nahm sich das Leben, alle anderen wurden entweder disqualifiziert (wegen Hilfestellung von außen), havarierten und mussten aufgeben oder verloren ihr Schiff, wurden aber gerettet (siehe die zweiteilige float-Reportage über das GGR).

Dass nun ausgerechnet diese, eigentlich im Ergebnis ja eher an ein Desaster erinnernde Regatta zur Legende wurde, liegt an den Mythen, Geschichten und Epen, die sich rund um ihre Protagonisten im Laufe der Jahre bildeten. Und an der großen seemännischen Leistung eines Robin Knox-Johnston. Der auf seiner gerade mal 8,4 Meter kurzen Suhaili das Maß der Dinge für alle nachfolgenden Einhand-Nonstop-Weltumsegler werden sollte.
Regel 1: „Segle alleine nonstop um die Welt!“
So war es nahezu zwingend, dass im Jubiläumsjahr eine Reminiszenz an die legendäre Regatta von 1968 stattfindet. Als die vage Idee von einer Weltumseglungsregatta unter ähnlichen Bedingungen wie damals vor nunmehr drei Jahren in der Szene durchsickerte, stieß sie zunächst auf uneingeschränkte Begeisterung. Hunderte wollten teilnehmen, Tausende träumten zumindest davon.
Wohlweislich beschränkten die Organisatoren eine Teilnehmerzahl auf 30 Boote – letztendlich werden aber nur 18 Skipper und eine Skipperin am Start sein. Alle anderen interessierten und „fest zur Teilnahme entschlossenen“ SeglerInnen schafften die notwendigen Einhand-Nonstop-Qualifikationsmeilen nicht, hatten ihr Boot nicht rechtzeitig fertig oder scheiterten an der Sponsoren-Suche.

Die Teilnahmebedingungen zum GGR 2018 lassen sich in zwei Sätzen zusammenfassen: Segle in einem Langkieler, dessen Riss aus der Zeit vor 1987 stammt und zwischen 32 und 36 Fuß lang sein darf, alleine nonstop um die Welt. Lasse die fünf großen Kaps jeweils backbord liegen, verwende zur Navigation und zum Steuern keine elektronischen Hilfsmittel, also nur Karten, Sextant und mechanische Autopiloten!
Startschwierigkeiten
Nachdem die englische Stadt Plymouth, nahe des Original-GGR-Startortes, seine Unterstützung des Rennens angeblich wegen finanzieller Schwierigkeiten während des Brexits absagte, werden die Segler am 1. Juli 2018 vor Les Sables d’Olonnes an der französischen Atlantikküste starten. Von hier aus segeln alle vier Jahre die HeldInnen der Vendée Globe los, um auf ihren HighTech-Hochsee-Rennern – sozusagen als Nachfolger der GGR-Pioniere – einhand und nonstop um die Welt zu brettern.


Doch der neue Startort brachte auch andere Spielregeln mit sich. So setzte sich der französische Segeldachverband FFVoile nach monatelangem Tauziehen durch und erwirkte, dass alle Teilnehmer mit satellitengestützten Notfallsendern (EPIRP) ausgestattet sein müssen – Nostalgie-Charakter beim GGR hin oder her. Ihre durchaus nachvollziehbare Argumentation: „Wir forschen doch nicht jahrzehntelang für die Sicherheit auf See und lassen dann eine Regatta um die Welt ohne modernste Rettungsmittel an Bord von Frankreich aus starten!“
Golden Age
Trotzdem soll das Motto des GGR 2018 erhalten bleiben: Zurück in die Goldenen Zeiten des Solo-Segelns. Wobei man sich die Frage stellen muss, ob die Zeiten damals wirklich so gülden waren? Denn nicht nur die extreme Ausfallquote beim Original-Rennen sollte zu denken geben. Sondern auch, warum diese überhaupt zustande kam.

Im Prinzip waren damals nur drei erfahrene Hochseesegler im Rennen – nämlich Moitessier, Knox-Johnston und Nigel Tetley. Sein Trimaran sank ein paar Taused Seemeilen vor dem Ziel. Alle anderen waren wagemutig, fast schon tollkühn und … ahnungslos! Es gab sogar Teilnehmer, die Basismanöver auf ihrer Yacht erst eine Stunde vor dem Start probten!
Ein Großteil der 19 TeilnehmerInnen hat zehntausende Seemeilen auf dem Buckel.
Von solch einem sträflichen Leichtsinn kann bei der diesjährigen GGR-Ausgabe nicht die Rede sein. Ein Großteil der 19 TeilnehmerInnen hat zehntausende Seemeilen auf dem „Salzbuckel“ und zumindest einige Tausend Solo-Meilen hinter sich, die sowieso für die Qualifikation nötig waren (8.000 sm auf dem Boot, davon 2.000 sm solo).

Immerhin kommen die Weltumsegler aus 13 Nationen, darunter Länder, die sich in den letzten Jahren nicht gerade durch Förderung des Hochseesegelsports einen Namen gemacht haben, wie Palästina, Indien und Estland. Und das Durchschnittsalter der Teilnehmer beträgt moderate 47 Jahre, der älteste GGR-Segler ist bereits 72 Jahre alt, die Jüngste erst 28 Jahre jung.
Doch haben solche Angaben nur wenig damit zu tun, wer die theoretisch 30.000 Seemeilen lange Strecke nonstop und solo überhaupt schaffen könnte. Mal ganz abgesehen davon, dass man im Vorfeld einer solchen Regatta besser nicht mit Prognosen um sich wirft (zu viele unberechenbare Faktoren wie Wetter, unsichtbare Hindernisse, mentale Stärke etc. spielen ihre Rolle), rekrutieren sich einige der interessanteren Teilnehmer aus den genannten Extremen.


Inder, Palästinenser und Estländer
So wird dem Inder Abhilash Tomy (Jahrgang 79), trotz seiner segelexotischen Herkunft, durchaus zugetraut, dass er die Umrundung gut platziert schafft. Denn Tomy ist Marinesoldat und hatte das Glück, während seiner bisherigen Dienstzeiten für Indien segeln zu dürfen. 52.000 Seemeilen hat er so geloggt, darunter bereits eine Solo-Nonstop-Weltumseglung auf der südlichen Halbkugel von Mumbai nach Mumbai. Um nur wenig dem Zufall zu überlassen, ließ sich der indische Hochseesegler eine Replik der Suhaili von Robin Knox-Johnston in seiner Heimat bauen – genau dort, wo auch das Original vor über 50 Jahren auf Kiel gelegt wurde!


Spannend auch der Blick auf den Ältesten im Rennen. Ausgerechnet dem 72-jährigen Franzosen Jean Luc van Heede werden nicht nur Finish- sondern auch Siegambitionen zugesprochen. Kunststück, der Mann ist eine lebende Legende unter den Einhandseglern. Fünf Mal segelte er bereits um die Welt; er hält den Rekord einhand, nonstop gegen die vorherrschenden Wind- und Stromrichtungen, also zunächst Kap Hoorn und weiter westwärts.
Heede wurde Zweiter beim BOC Challenge Around Alone 1986, Dritter und Zweiter bei den Vendée Globe Ausgaben 1990 und 1993. Der alte Seebär hat sich eine Rustler 36 zugelegt, ein Boot, das seit Jahrzehnten für seine Performance in schwieriger See bekannt ist. Ein Bootstyp, auf den übrigens fünf weitere SeglerInnen in diesem Rennen vertrauen.

Wem mit Sicherheit eine überaus große mediale Aufmerksamkeit zuteil wird, ist die einzige Frau im Rennen: Susie Goodall. Die 28-Jährige macht aus ihrer Underdog-Rolle keinen Hehl und ist sich im Klaren darüber, dass sie zwischen den vielen, deutlich erfahreneren Teilnehmern eine Außenseiterrolle spielt. Doch genau das findet Susie spannend: „Die Erdumrundung steht für mich an erster Stelle – Finish ist das Ziel. Da ich jedoch kaum eine Chance sehe, gegen die ‚Großen‘ im Feld zu bestehen, spiele ich die Karte ‚keiner drängt mich‘ aus.“
Die bestens vom Sponsor DHL abgesicherte Segellehrerin will auf ihrer Rustler 36 hauptsächlich mit Bedacht segeln – die Erfahrung der anderen macht sie mit Coolness und Herzlichkeit wett. In jedem Fall dürfte es spannend bleiben, diese Frau auf ihrer Reise um die Welt zu beobachten.
Jeder ein Sieger – aber auch ein Finisher?
Im Prinzip müsste man jedem dieser Mutigen einen eigenen Artikel widmen. Ganz egal, ob wir vom 66-jährigen Russen Igor Zaretskiy reden, der 2010 die Jester Challenge gewann (Einhand-Transat auf alten Kleinkreuzern) oder vom Norweger Are Wiig, der 1988 Zweiter beim OSTAR wurde. Oder Istvan Kopar: Der US-Amerikaner ungarischer Herkunft hat 1991-92 bereits die Welt mit nur einem Stop umsegelt, ohne GPS oder andere elektronische Hilfe an Bord.

Was dem Niederländer Mark Slats 2004/05 ebenfalls gelang. Slats hat zwar mehr als 40.000 Seemeilen unter Segeln hinter sich gelassen, fühlt sich aber auch als Langstreckenruderer wohl und finishte beim Talisker Challenge auf Rang 4 – vor allen Zweimann-Crews. Der Mann zeigt übrigens auch Geschmack bei der Bootswahl: Er wird das GGR auf der ersten Rustler 36 segeln, die jemals gebaut wurde.
Bei diesem Rennen wird das Abenteuer omnipräsent sein.
Egal wie diese Regatta ausgehen wird, wieviele Teilnehmer wie früh oder spät aufgeben werden… sie kann nur besser im Sinne von weniger chaotisch werden, als ihr berühmtes Original aus dem Jahre 1968. Und dennoch wird bei diesem Rennen das Abenteuer omnipräsent sein – nicht zuletzt, weil es so stark wie nur noch selten heutzutage auf Seemannschaft im klassischen Sinne ankommen wird.

Und wem das alles immer noch nicht Abenteuer genug ist, der hätte bei der „Longue Route“ melden können. Die französische Konkurrenzveranstaltung handelt strikt nach dem Willen Bernard Moitessiers, der Freiheit, nichts als Freiheit auf den Meeren suchte. Die immerhin schon 23 gemeldeten Segler und Seglerinnen können mit ihren Booten von Mitte Juni bis Ende September entlang der europäischen Küsten starten und sollen ebenfalls nonstop die Welt umrunden. Ganz so, wie es 1968 die Teilnehmer des Golden Globe Race taten – ohne großen Medienrummel, ganz allein in den Weiten der Ozeane.
Website Golden Globe Race
Facebook Golden Globe Race
Website Longue Route 2018
Ein Kommentar
Ob man nur von „Abenteuer“ sprechen kann ist eine Frage für sich. Man lese B. Moitessier in der Abschlusserklärung seines legendären Buchs. Oder W. Erdmann „Alleine gegen den Wind“. Sicher ist, dass eine Reise um diese Kaps, sogar noch zu einem kritischen Zeitfenster höchst gefährlich ist. Und das Wichtigste ist, ob GFK-Schiffe überhaupt diese Belastungen durchstehen. Der Beweis ist noch nicht erbracht. – Wenn man Erdmanns Kathena Nui betrachtet und seine Überlegungen zur Konstruktion, sowie seine dutzenfach überstandenen Knockdowns und die Tatsache, dass dieses Schiff 2 Mal diese Strecke faktisch unbeschadet überstand, dann ist eigentlich nur ein derartig konstruiertes Schiff geeignet. – Und im heutigen Zeitalter auf die Elektronik zu verzichten halte ich für fahrlässig und ausserordentlich dumm. – Man schickt auch nicht Bergsteiger in die Eigernordwand mit der Ausrüstung der Erstbesteigung. – Aber McIntyre geht es ums Spektakel und Geld. – Genau das wollte Moitessiert eben nicht und daher finde ich diesen Event äusserst fragwürdig.