Manche Illusion muss Haasler den Betroffenen bei der Bergung allerdings nehmen. „Einer fragte nach, ob er nach der Bergung seine Sonnenbrille aus dem Boot holen könnte. Da hingen wohl Erinnerung dran. Ich habe ihm klar gemacht, wie es in einer Yacht aussieht, die unter Wasser war. Da ist nichts mehr zu holen, keine Sonnenbrille mehr zu finden.“
Die Eigner leiden mit ihren Booten
Viele Eigner leiden mit den Booten, warten darauf, dass sie aus dem Wasser kommen. Zahlreiche Anrufe gehen daher bei den Schadensregulierern der Versicherungen ein. „Wir verstehen, dass die Eigner sich sorgen und wissen wollen, wann ihre Yacht dran ist. Aber die Bergung ist abhängig von der Witterung, und es ist jedes Mal eine individuelle Bergesituation. Manchmal dauert es eine halbe Stunde, manchmal viereinhalb. Wir schaffen etwa zwei bis drei am Tag“, sagt Jonas Ball vom Versicherer Pantaenius. „Daher bitten wir um Geduld und Verständnis. Wir arbeiten uns vor, so schnell es geht.“
An diesem Donnerstag ist es wieder etwas schwieriger. „Der Wind ist nicht unser Freund“, so Kai Haasler, der sich vom Hafen Süd in Schilksee bis in den Hafen Nord vorarbeiten will – Steg für Steg. Zunächst macht er mit seinen Mitarbeitern das Fahrwasser wieder frei. Denn mit den wechselnden Pegelständen im Hafen treiben die gefährlichen Gegenstände hin und her. Durch den Einsatz der Taucher werden daher Wrackteile gesucht, markiert und die Positionen auf der Karte eingetragen.
Dann untersuchen die Taucher die Fundstelle näher. Aus ihrem Bericht entwickelt sich der Bergeplan. Zunächst werden Rigg- und weitere lose Teile geborgen, erst dann können dem Rumpf Gurte angelegt werden. „Wenn wir nah genug an den Havaristen herankommen, dann kann der Schwimmkran bis zu 30 Tonnen heben.“
Bis zu 30 Tonnen hebt der Schwimmkran
Heute Vormittag kommt der Kran nah genug ran. Eine Farr 40 hat es im Sturm auf einen Steg gehievt, der Kiel steckt fest zwischen den Bohlen. Die Noorcat kann direkt an der Yacht anlegen. Kai Haasler klettert mit seiner Mannschaft an Bord, checkt die Stabilität und untersucht den Innenraum. Die Farr 40 verfügt über einen Anschlagpunkt für einen Heißstropp.
Das scheint die Bergung zu erleichtern. Doch der 10-Tonnen-Schäkel lässt sich nicht anbringen. Aber mit ein bisschen Improvisationsarbeit kann der Stropp mit Gurten befestigt werden. Haasler lässt die Belastbarkeit vom Kran antesten: „Der Eigner hat gesagt, wir sollen freundlich sein.“ Obwohl die graue Yacht amtlich ramponiert ist, lässt sich vielleicht noch etwas daraus machen.
Das erste Antesten gibt Zuversicht: Haasler hebt den Daumen, der Kran entfaltet seine Kraft. Es ruckelt etwas, Stegteile kommen mit dem Kiel nach oben. Dann ein Ruck, und das Boot ist frei. Die Farr 40 schwebt in der Luft, wird auf dem Vorschiff der Noorcat abgesetzt und dann den kurzen Weg zur Kaikante gefahren. Erleichterung ringsum, dass dieses Manöver so schnell ging. „Es kann eben auch mal einfach gehen“, sagt Ole Pietschke von Pantaenius. Als die Yacht schließlich an Land passgenau in ihrem Bock liegt, ist auch Haasler zufrieden, klatscht seinem Team kurz Beifall.
Kurzer Beifall fürs Team: Bergung erfolgreich!
„Bergung erfolgreich“, quittiert der Experte diesen Job und nimmt schon den nächsten in den Fokus. Dort wird es erheblich komplizierter. Haasler: „Wir wollen in den Hafen Nord. Dort liegt eine große Yacht in der Hafeneinfahrt und ragt bis ins Fahrwasser hinein. Die wird uns ordentlich Arbeit machen. Mal sehen, ob wir es bis zum Dunkelwerden schaffen.“ Das Problem: Die Yacht hat sich auf einem Dalben aufgespießt. Der Pfahl geht durch das Schiff, hat sich mit ihm verkeilt. „Wir müssen einen Plan entwickeln. Vielleicht müssen wir erst den Dalben ziehen.“
Damit werden an diesem Donnerstag wohl nur zwei Yachten geborgen. Bis zum Ende des Monats sind es nur noch wenige Tage, etwa 20 Yachten warten noch. Die Arbeit zur Beseitigung der Havaristen geht daher unermüdlich weiter – auch am Wochenende.