Am Samstag geht’s los – oder am Sonnabend, wie die Berliner sagen: Anlässlich des 150. Jahrestags der ersten Regatta auf Berliner Gewässern veranstaltet der Berliner Segler-Verband dieses Jahr eine Jubiläumsregatta. Zuschauer sind herzlich eingeladen.
Auf der historischen Dahme-Strecke bis zum Ende des Langen Sees in Schmöckwitz wird am 9. Juni 2018 gesegelt. Ausrichter sind neben dem Berliner Yacht-Club die Vereine der TSG 1898 und SC Brise 1898. Das aktuelle Programm der Jubiläumsregatta ist hier zu finden (auch als PDF). Startpunkt ist in Grünau vor dem SC Brise 1898. Die Regattastrecke führt Richtung Schmöckwitz bis zur TSG 1898.
Parallel zur Klassikerregatta findet wieder der A.W.-Niemeyer-Cup statt, der seit 1999 von der TSG 1898 ausgeschrieben wird – und sich inzwischen als überregionale Wettfahrt für Berlin in den Klassen Jollen, Jollenkreuzer und Kielboote sowie einer Vereinswertung fest etabliert hat. Teilnehmerfelder von über 100 Booten, die nach Yardstick gewertet werden, sind die Regel.
Ein Blick in die geschichtliche Entwicklung der Segelei zeigt, warum gerade hier im Segelrevier des Südosten Berlins die Keimzellen des deutschen Segelsports liegt. Ausschlaggebend ist dafür die geografische Lage der Hauptstadt mit seinen vielen Gewässern. float erzählt die Berliner Seglergeschichte – mit Karl Marx, Arbeiterseglern und Ostseglern im West-Exil.
Die Pioniere der Tavernengesellschaft
1835: Friedrich Wilhelm III. aus dem Hause Hohenzollern ist König von Preußen. Da versammeln sich vor den Toren des damaligen Berliner Stadtgebiets im idyllisch gelegenen Fischerdorf Stralau am Rummelsburger See mehrere Yachtbesitzer aus den Kreisen der Berliner Intelligenz, höher gestellte Bürger und Kaufleute und gründen mit der Berliner Tavernengesellschaft eine erste vereinsähnliche Organisation zur Förderung sportlichen Segelns. Die seinerzeit noch schön gelegene ländliche Umgebung des Ortes lockte auch Dichter, Schriftsteller und Studenten nach Stralau, darunter auch den damals 19-jährigen Karl Marx.

Wettkampfmäßige Aufeinandertreffen, wie wir sie heute in Form von Regatten kennen, stehen aber noch nicht im Vordergrund. Es geht mehr um Geselligkeit und Spaß. Das ändert sich rund 30 Jahre später, als 1867 am Rummelsburger See mit dem Berliner Segler-Club (B.S.C.) der erste Segelverein gegründet wird, der ein Jahr später die erste Berliner Segelregatta ausrichten wird.
Fusion statt Konkurrenz
Als der B.S.C. durch den 1880 gegründeten Stralauer Segler-Verein Konkurrenz bekommt, der vor allem jüngere Segler anzieht und sich drei Jahre später in Berliner Segler-Verein umbenennt, fusionieren die beiden Vereine. Seit 1885 ist der endgültige Name Berliner Yacht-Club (B.Y.C.). Anfang der 1890er-Jahre bezieht man das erste Clubhaus auf einem eigenen Wassergrundstück in Grünau.

Als Berlin sich in dieser Zeit zum industriellen Zentren Deutschlands entwickelt, lockt das Arbeiter und viele Kleingewerbetreibende in die Hauptstadt. Die können sich zwar meist nur bescheidenes Bootsmaterial leisten, möchten aber möglichst in der Nähe ihrer Wohngebiete demWassersport nachgehen.
Da die meisten Industriestandorte zur damaligen Zeit im Osten liegen, gründen sich vor allem an dort gelegenen Gewässern Wassersportvereine. Die Mitgliederstruktur setzt sich hauptsächlich aus Arbeitern, Angestellten und Handwerkern zusammen: Man möchte volkstümlich Segeln mit kleinen Mitteln.

Aus Arbeitern werden Tourensegler
Es gründen sich diverse Arbeiter-Sportvereine, so auch zwei Vereine, die in diesem Jahr 120 Jahre alt werden – und somit prädestiniert sind, diese Jubiläumsregatta auszurichten: die Freie Vereinigung der Tourensegler Grünau e. V. und der Segel-Club Brise 1898 e. V.
Beide Vereine sind durch die gemeinsame Vergangenheit eng miteinander verbunden. Am 1. Oktober 1898 wird der Arbeiter-Segler-Verein Freie Vereinigung der Tourensegler Grünau e.V. (TSG 1898) gegründet mit dem Ziel, das Segeln mit der Familie und das Regattasegeln zu fördern. Liegeplatz war zunächst ein Bootsplatz in der Königseestraße in Grünau.
Später pachtet man im Ort ein größeres Wassergrundstück, 1912 ein weiteres, größeres Gelände auf der Wendenschloßstraße. Vermutet führte dies zur Teilung des Vereins. Jedenfalls spaltet sich eine Seglergruppe ab, die als Segler-Club 1898 e.V. weitergeführt wird, aber zunächst den selben Bootsplatz nutzt. Nach einer Pachterhöhung suchen sich die Segler des SC in der Wendenschloßstraße einen neuen Bootsplatz.

In der der NS-Zeit kommt es dicke: Die Freie Vereinigung der Touren-Segler Grünau muss sich unter den 1933 an die Macht gekommenen Nationalsozialisten Tourensegler Grünau nennen. Dann kommt der Zweite Weltkrieg: Während Clubhaus und Bootsgelände der TSG 1898 einigermaßen den Krieg überstehen, werden sowohl Lauben und Bootsschuppen des SC 1898 als auch das BYC-Clubhaus in Grünau mit allen Nebengebäuden und den meisten Booten zerstört und gehen in Flammen auf.
Segeln im kalten Krieg
Im Sommer 1946 wird das Vereinsmitglied Paul Tantow als Treuhänder vom Sportamt Köpenick für den SC 1898 e. V. eingesetzt. Ein gutes Jahr später wird von einem anderen Mitglied der Name „Brise“ vorgeschlagen und einstimmig angenommen. Der Grund: Die sowjetische Kommandantur hat einen Vereinsnamen mit Jahreszahl nicht genehmigt. Ab Juli 1949 darf der neue alte Club den vorgeschlagenen Namen führen.
An Segeln ist unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Rummelsburger See und Umgebung weder zu denken – noch ist es offiziell erlaubt. Das Verbot wird aber im sowjetischen Sektor Berlins schon im Sommer 1946 wieder aufgehoben. So veranstaltet die Freie Vereinigung der Tourensegler Grünau 1898 e.V. (TSG 1898) schon am 22. September 1946 auf der östlichen Dahme, dem Langen See und Seddinsee die erste Nachkriegsregatta mit sowjetischer Beteiligung. 1947 wird dort wieder von einem regen Segelbetrieb berichtet.

1949 erfolgt dann wie beim „SC Brise“ die Registrierung Tourensegler Grünau beim Kreissportausschuss Köpenick. Es kommt noch einmal zum Namenswechsel, als 1952 – zusammen mit zwei anderen Segelgruppen und anderen Sportarten – aus der TSG die Sportgemeinschaft Grünau (SGG) gebildet wird. 1990, nach dem Ende der DDR, erhält der Verein seinen alten Namen Freie Vereinigung der Tourensegler Grünau 1898 e.V. zurück.
Ein Club im West-Exil
Der Berliner Yacht-Club (BYC) geht einen anderen Weg. Der sucht sich am Wannsee ein neues Domizil. Warum und wie, geht aus der im Internet veröffentlichten Club-Geschichte nicht hervor. Es wird daran gelegen haben, dass viele Mitglieder mit den politischen Verhältnissen, die sich im Osten der geteilten Stadt entwickeln, nicht einverstanden sind – wie andere Ost-Berliner Vereine, die in den Westen wechseln, um sich dort neu aufzustellen.
Der eher bürgerlich orientierte BYC kommt ab 1949 zunächst für zehn Jahre im Verein Seglerhaus am Wannsee (VSaW) unter. 1959 fusioniert man mit dem Segler-Verein Wannsee und bezieht das neben dem Strandbad Wannsee schön gelegene Grundstück am Wannseebadweg mit Blick auf die Insel Schwanenwerder.
Das aktuelle Programm der Jubiläumsregatta (auch als PDF).