In Berlin darf seit Dienstag dieser Woche (21. April) wieder gesegelt werden. Die frohe Botschaft des Berliner Senats, die er dem Berliner Segler-Verband überbrachte, bedeutet, dass nun die Vereine ihre Türen wieder öffen dürfen. Aber wer darf und wer nicht? Und vor allem: wie?
Die Berliner Corona-Lockerungen erlauben nun „das kontaktlose Sporttreiben auf Sportanlagen im Freien“, wie es im Verwaltungsdeutsch heißt. Sprich, „soweit es alleine, mit Angehörigen des eigenen Haushalts oder mit einer anderen Person, ohne jede sonstige Gruppenbildung ausgeübt wird“. Das wesentlich Neue ist: Auch das Betreten der Gebäude ist erlaubt, um zwingend erforderliche Sportgeräte herauszuholen. Geschlossen bleiben müssen Duschen, Umkleiden und mit diesen verbundene Toiletten. Separate WC-Anlagen können aber geöffnet werden.
Auch Arbeiten an den Booten sind offiziell erlaubt. Wenn auch das finale Fit- und Fertigmachen der Boote zum Saisonstart als „kontaktloses Sporttreiben auf Sportanlagen im Freien“ angesehen werden kann, wäre auch dies unter Wahrung der Abstandsregelung gestattet. Gleiches gilt für das Abslippen – es ist erlaubt, ohne Gruppenbildung, mit zwei Personen oder Personen aus einem Haushalt.
Die gewerblichen Arbeiten, so wie von float kürzlich in Wann geht’s wieder auf Wasser? berichtet, bleiben natürlich weiterhin gestattet. Auch Aktivitäten wie das eSailing im Regattaformat und die Bootsproduktion in deutschen Werften laufen weiter.

Am Sonntag will mein Süßer…
Kann es nun also wieder losgehen mit dem Segeln? Ja und nein. Die meisten Boote liegen noch im Winterlager, sie sind noch nicht gekrant, die Stege der Vereine noch leer. Damit nicht plötzlich lange Schlangen segelbegeisterter Mitglieder vor den Toren stehen, haben einige Berliner Vereine bereits auf ihren Webseiten und in Rundschreiben darum gebeten, sich vorab telefonisch anzumelden und einen Termin zu vereinbaren. Es kann sich also noch etwas hinziehen, und mit dem Sonntag auf dem Wasser könnte es schwierig werden.
Viele Segler fühlen sich so, als wäre Fußballspielen wieder erlaubt, aber nur alleine.
Wir haben Reiner Quandt, den Präsidenten des Berliner Segler-Verbands, zu den Lockerungen in den Vereinen befragt, nachdem am Donnerstagabend (23. April) das Präsidium darüber beraten hat.

float: Reiner, sind jetzt alle Häfen offen?
Reiner Quandt: Nein, auf keinen Fall! Unter Häfen sind ja nicht nur Steganlagen, sondern auch die dazugehörenden Infrastruktureinrichtungen wie Sanitäranlagen, Versorgungseinrichtungen aller Art und in vielen Fällen auch ein gastronomisches Angebot zu verstehen.

Erlaubt ist das Betreten der Steganlagen, um zum eigenen Boot zu gelangen. Außer den Steganlagen sind alle anderen Hafenanlagen weiterhin geschlossen. Ausnahme: WC-Anlagen, die gesondert von anderen Einrichtungen zugänglich sind. Viele gewerbliche Anlagen sind weiterhin vollständig geschlossen, weil Bootsvermietungen, Charter und Tourismus weiterhin untersagt sind.
Was sagen die Vereine zur Öffnung?
Die Möglichkeit der individuellen Bootspflege und -überholung unter Wahrung der Abstandsregeln wird allgemein begrüßt. In einem kleineren Teil der Berliner Vereine ist ein Abslippen unter Wahrung der Abstandsregelung und Vermeidung von Gruppenbildung möglich, beispielsweise mit angemieteten gewerblichen Kränen.

Bei der Mehrzahl der Vereine ist das Abslippen jedoch eine Gemeinschaftsleistung der Clubmitglieder, die bei Beachtung der Abstandsregeln gerade nicht möglich ist. Einzige rechtskonforme Lösung wäre etwa, das Abslippen durch gewerbliche Kräfte durchführen zu lassen.
Abgesehen vom Problem des Abslippens müssen die Vereinsleitungen die Umkleiden und Clubhäuser sperren. Und sie werden sich sicher mit den Mitgliedern auseinandersetzen müssen, die trotzdem an ihren Schrank „müssen“. In einigen Vereinen gibt es auch keine von außen zugänglichen Toiletten. Im allgemeinen ist das Verständnis aber vorhanden für die nur begrenzte Öffnung der Sportanlagen.
Welche Praxis rät der Berliner Segler-Verband den Vereinen?
Der Wassersport nimmt – mit einigen anderen Sportarten – eine Sonderstellung in Berlin ein, da die eigentliche Ausübung der sportlichen Aktivitäten außerhalb der Sportanlagen stattfindet. Dem entsprechend ist der Senat mit den Sonderregelungen für den Wassersport dieser Bevölkerungsgruppe weit entgegengekommen.
Nun gilt es, mit dieser Sonderstellung verantwortungsvoll umzugehen und die weiterhin geltenden Einschränkungen unbedingt einzuhalten. Es ist damit zu rechnen, dass von Senatsseite genau hingeschaut wird, wie die Vereine mit den Lockerungen umgehen.

So bleibt das Training auf dem Wasser weiterhin verboten, auch bei Einhaltung der Abstandsregel von 1,50 Metern zu anderen Sportlern. Auch das Segeln auf Booten mit mehr als zwei Personen ist untersagt, es sei denn, sie leben in häuslicher Gemeinschaft miteinander. Das alles wird von der Wasserschutzpolizei kontrolliert werden. Wenn sich alle Sportler an die Regeln halten, können wir sicher in absehbarer Zeit mit weiteren Lockerungen rechnen.
Wie ist deine persönliche Meinung zur neuen Situation, Reiner?
Die letzten Wochen waren sehr belastend. Schiffe gehören nicht dauerhaft an Land, es war in vielen Vereinen schon ein sehr trauriger Anblick. Das wird sich in den nächsten Wochen in vielen Vereinen ändern.
Leider haben die Mitglieder nicht in allen Vereinen die Möglichkeit, ihre Schiffe regelgerecht abzuslippen. Dort schauen die Mitglieder natürlich wehmütig auf die, die jetzt in See stechen können. Wir werden als Berliner Segler-Verband alles versuchen, auch für die Vereine, die jetzt noch Schwierigkeiten haben, Lösungen zu finden.
Jetzt rückt das Familiensegeln in den Vordergrund.
Auch der Segelsport selbst ist ja noch extrem beschränkt: Gerade in den sportlichen Jollen ist ein Segeln unter Beachtung eines Abstandes von 1,50 Meter voneinander nicht möglich. Dafür rückt nun das Familiensegeln in den Vordergrund.
Regattasegeln bleibt weiterhin verboten, für viele ein entscheidender Grund, sich überhaupt der Segelei zu widmen. Viele Segler fühlen sich so, als wäre das Fußballspielen wieder erlaubt, aber nur alleine. Insoweit wird es ein trauriger Frühling auf dem Wasser – mit der aufkeimenden Hoffnung, dass sich im Sommer bessere Möglichkeiten ergeben und vielleicht noch ein guter Herbst folgt.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Reiner. Wir wünschen viel Erfolg bei der vorsichtigen Öffnung – und allen Seglerinnen und Seglern Geduld, wenn es dieses Wochenende noch nichts wird. Das Jahr ist ja noch lang.
Reaktionen von Seglern und der Politik
Die Berliner Entscheidung vom Dienstag wurde durchweg positiv aufgenommen. Aus Sicht von Cornelia Flader, als Stadträtin im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick zuständig für Schule, Kultur, Weiterbildung und Sport, ging ihr „trotz meines es zu schnell. Sie hätte „der Verwaltung gern ein paar Tage für die Vorbereitung der von vielen Sportlerinnen und Sportlern herbeigesehnten Maßnahme gewünscht“, kommentiert die Politikerin den float-Bericht.
„Am 21.04.2020 wurde die Lockerung für den Wassersport beschlossen, am 22.04.2020 sollte sie umgesetzt werden, am 22.04.2020 standen die ersten Sportfreunde um 7.00 Uhr bei uns auf der Matte“, erklärt Cornelia Flader. Ihr Fazit: „Man kann nicht einfach von heute auf morgen den Hebel umschalten.“ Für Fladers Parteifreund Stephan Standfuß, sportpolitischer Sprecher der Berliner CDU, ging es dagegen nicht schnell genug. „Es war auch nicht länger tragbar, dass kommerzielle Liegeplatzanbieter die Saison beginnen durften und Vereine nicht.“
Bundesweit gelten unterschiedliche Regeln
Bundesweit nimmt die Diskussion nach der Berliner Entscheidung an Fahrt auf. „Hoffentlich haben wir auch bald Orientierung“, heißt es vom Wolfsburger Yacht-Club Allertal. Mitte März wurde hier der Vereinsbetrieb eingestellt – nach Empfehlungen der Stadt Wolfsburg und des Landessportbunds Niedersachsen. „Unser Vorstand ist in Klärung.“
Dyas-Segler Jens Olbrysch vom Herrschinger Segelclub berichtet: „Am Rursee gehts ab diesem Wochenende los. An der Mosel gibt es verhaltene Lockerungen, in Haltern dürfen zumindest die Boote schon mal ins Wasser. Bayern bleibt vorerst im Winterschlaf.“ Es geht also langsam auch für Segler wieder aufs Wasser. Ganz, ganz vorsichtig.