Hallo Karibik-Urlauber, es ist Zeit für den Rücktörn! Von West nach Ost, von der Karibik nach Europa. Warum ist gerade jetzt die Atlantik-Überquerung am sichersten? Aktuell befindet sich die Nordhalbkugel auf dem Weg zum Sommer. Somit dehnen sich die Hadley-, wie auch die Ferrell-Zellen, die mitverantwortlich für Hochs und Tiefs sind, nach Norden aus.
Gleichzeitig schaffen es die Nordatlantischen Tiefs nicht mehr so weit nach Süden vorzudringen wie im Winter, und sie sind auch nicht mehr so oft so giftig. Die Bedingungen für die Rückreise sind also ideal. Die grobe Richtung wird dabei vom Azorenhoch gesteuert. Mit seinem Zentrum ungefähr bei den Azoren dehnt es sich nach Westen hin oft bis vor die Küste Amerikas aus.

Nur nicht ins Zentrum des Hochs
Das bedeutet, dass der Wind, der ja im Uhrzeigersinn ums Hoch dreht, in der Karibik aus Ost weht und mit jeder Seemeile gen Norden weiter nach Süd dreht. Diesen Wind nutzen Segler am besten aus, indem sie Kurs auf die Bermudas nehmen. Vorsicht: Nicht zu stark anluven, denn im Zentrum des Hochs liegt ihr in der Flaute. Hat eure Yacht dann eine Höhe von ca. 35 bis 40°N erreicht, befindet ihr euch meist schon auf der Nordseite des Hochs. Das ist der Bereich, wo sich Hochs und darüberliegende Tiefs treffen.
Dem barischen Windgesetz nach herrscht hier nun Westwind, der euch stetig nach Osten schiebt. Merkregel: Stelle ich mich auf der Nordhalbkugel so hin, dass der Wind in meinen Rücken weht und strecke meine Hände aus, liegt das Tief zu meiner Linken und das Hoch zu meiner Rechten. Mit diesem Wind geht es entspannt weiter Richtung Azoren.
Was, wenn es ungemütlich wird?
Bleibt aber immer unterm „Deckmantel“ des Hochs und damit im Süden der Tiefs. Denn sollten es Tiefausläufer (meist Kaltfronten) schaffen, nach Süden durchzudringen, dann schwächen diese sich mit Annäherung ans Hoch im Bereich des Deckmantels oft stark ab. Der Einfluss des Tiefs bleibt dennoch spürbar: Die Dünung kann bis zu vier Meter hoch sein – doch gerade die achterlichen Winde sind deutlich geringer als noch einige Grad weiter im Norden.
Die Dünung hat auch eine lange Wellenperiode von zehn-zwölf Sekunden, das sollte erträglich sein. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass ihr trotz des Hochdruck-Schutzes kurzzeitig 6 bis 7 Bft im Mittel und teils Böen bis 8 oder 9 Bft fahrt. Unter gerefften Segeln und auf raumen Kursen sind diese Bedingungen aber durchaus machbar und beim richtigen Routing meist auch nicht von langer Dauer bzw. frühzeitig vorhersehbar, um darauf zu reagieren.
Routing ist eine gute Unterstützung
Wer sich auf der Überfahrt Unterstützung bei der Routenplanung holen möchte, kann das mit einem Atlantik-Routing tun. Seit zwei Jahren bietet die WetterWelt das Atlantikpaket an, bei dem die Segler von Anfang bis Ende des Törns mit Wetter-Daten begleitet werden. Und das ganz individuell, abhängig von der Crewstärke, den Fähigkeiten der einzelnen Segler (Sind zum Beispiel auch Kinder an Bord?), dem Bootstyp und weiteren Eckpunkten.
Am Wichtigsten sind die Polardaten des Bootes, die aber nicht im Detail vorliegen müssen wie bei einem Regatta-Routing. Es genügen Angaben über SOG (Speed Over Ground) im Mittel und bei welchen Windwinkeln das Boot noch gut fahrbar ist. Damit haben wir Meterologen einen optimalen Einblick in die Bootsperformance und können das Routing entsprechend individueller ausarbeiten. Dann kann es mit der Beratung auch schon losgehen. Hat die Crew ein Wunschdatum für den Start, bei dem alles an Bord ist und die Formalien geklärt sind, besprechen wir zunächst einen Termin für ein Monitoring ab.

Wie das Routing im Detail funktioniert
Etwa drei bis vier Tage vor einem möglichen Start schauen wir auf die Wetterlage im Atlantik und wie sie sich entwickelt. Sollte das Wetter die Abreise nicht zulassen, warten wir ein geeignetes Wetterfenster ab, einige Tage später gibt es ein weiteres Monitoring.
Die Routings erreichen euch entweder per kurzem Telefonat oder, was mir lieber ist, per Mail. Da wir der Karibik einige Stunden voraus sind, können wir recht entspannt am Vormittag des gleichen Tages mit den aktuellsten Wetterdaten arbeiten. So erreicht das Routing die Crew dann meist nach dem Ausschlafen bzw. zum Frühstück. Der eine oder andere verfügt unterwegs über einen Tracker. Das macht es uns sehr einfach die aktuelle Position, teils auch den COG (course over ground) und den SOG (speed over ground) mitzuverfolgen und zu tracken.
Anderenfalls bitten wir die Crew sich einmal täglich (am besten um 6 Uhr UTC) bei uns mit diesen Daten zu melden. Nicht wenige schreiben dann auch immer noch etwas zur aktuellen Wetterlage und dem Wohlbefinden der Mitsegler. Ist die Wetter- und Windlage dann stabil, melden wir uns im Schnitt alle 2 bis 3 Tage mit Wetterinfos.

Bei Tiefdruckeinfluss steigt der Beratungsbedarf
Bei unsicheren Wetterlagen, zum Beispiel Tiefdruckeinfluss, melden die Wetter-Lotsen sich häufiger. Besonders, wenn Kalftront- oder Trogdurchgänge bevorstehen, bzw. Wind und Welle unangenehm zunehmen könnten. Wenn es aus der Karibik in Richtung Azoren geht, segelt man sehr oft zunächst unter stabilen Bedingungen am Westrand des Hochs einen indirekten Kurs.
Sobald ihr aber die Chance hat direkt nach Osten anzuluven, wird es aufgrund des Tiefdruckeinflusses von Norden her wesentlich abwechslungsreicher und für uns beratungsintensiver. Spätestens ab hier dürfte sich das Routing bezahlt machen. Denn gerade auf dem Atlantik variieren die Modelle immer wieder – und ein erfahrener Meteorologe kann die weitere Entwicklung einzuschätzen.
Die eiserne Regel trifft nicht mehr unbedingt zu
Wichtig: Ein paar hundert Meilen mehr auf der Uhr, damit aber dem schweren Wetter aus dem Norden auszuweichen, sollte jeder Segler mit einkalkulieren. Auch Hurrikane sind ein Thema, die wir bei den Routings ganz genau im Blick behalten, sollten sie in Erscheinung treten. Ihre Saison startet meist mit dem Mai. Nicht selten zeigt sich in diesem Monat schon der erste Hurrikan. Oft geht es allerdings erst ab Juni und Juli so richtig los.

Viele Segler versuchen deshalb, in der Zeit zwischen den winterlichen Atlantiktiefs und der aufkommenden Hurrikansaison zu starten. Das ist als Faustformel okay, jedoch zeigt sich durch die mittlerweile sehr träge Verschiebung von Hochs und Tiefs aufgrund des Klimawandels ein oft gestörtes Windfeld über dem Atlantik. Es kann also auch zur besten Jahreszeit kabbelig werden, oder großflächiger sehr flau. Und da kommen wir Wetter-Router ins Spiel.
Mir persönlich macht das sehr viel Spaß, denn jede Yacht ist immer eine neue Herausforderung mit neuen Wetterbedingungen. Gleichzeitig ist man stetig im Kontakt mit der Crew, lernt sich darüber kennen und bekommt im Verlauf nicht selten das Gefühl mit an Bord und Teil der Mannschaft zu sein. Das ist besonders schön, wenn es vor dem Bürofenster mal wieder schifft wie aus Eimern.
Wer mehr zum Atlantikpaket oder Wetter-Routing, auch in anderen Gewässern wissen möchte, schreibt direkt an Sebastian: [email protected]