Es gibt Bootsmessen, und dann gibt es noch das Cannes Yachting Festival: ein einzigartiges Event für den Wassersport, die größte Bootsmesse am Wasser und in Europa – und neuerdings auch nachhaltig. „Der Respekt vor dem Planeten, die Erhaltung der Meere und Ozeane und die Sorge, einen geringeren ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen, sind heute wesentliche Herausforderungen für die Industrie.“ So wohlgefällig jedenfalls heißt es in der Einladung zur Messe, die an die Wassersportbranche und Interessenten weltweit verschickt worden ist. Ist das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit nur eine Phrase?
Die Organisatoren der Messe bemühen sich, den wohlfeilen Worten auch sichtbare Taten folgen zu lassen. Ein Teil des sechstägigen Programms im neuen Segelhafen der Messe, dem Port Canto, ist die Ausstellung „Energy Observer“. Sie zeigt Fotos, Filme und Modelle des gleichnamigen Wasserstoffboots.
Dieser innovative Renn-Katamaran mit Brennstoffzellenantrieb ist seit 2017 auf einer sechsjährigen Reise um den Globus, um auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen. 50 Länder soll das Hightech-Schiff besuchen. Zurzeit ist das Boot nach einem Besuch von Spitzbergen auf dem Weg entlang der norwegischen Küste zurück nach Süden. Mit der Ausstellung möchte man möglichst viele Besucher für die Antriebsenergien von morgen sensibilisieren.
Umweltbewusstsein kommt zwangsläufig
In die gleiche Kerbe wird auch die französische Meeresaktivistin Isabelle Autissier schlagen. Die Seglerin umrundete als erste Frau einhand die Welt im Rahmen einer Segelregatta. Als Präsidentin des französischen WWF hat sich Autissier dem Schutz der Ozeane und der biologischen Vielfalt verschrieben.
Sie wird beim Cannes Yachting Festival verschiedene WWF-Konzepte zum Schutz des Mittelmeers vorstellen – und das Publikum davon zu überzeugen versuchen, Segeln durchaus noch ein wenig „grüner“ zu betreiben. Merke: Auch Besitzer und Nutzer von Luxusyachten können auf Dauer nicht immun für ein Bewusstsein der Umweltkrise sein.
Falls die 62-jährige Aktivistin es nicht schafft, dem Gesetzgeber wird es zweifellos gelingen. Neue internationale Vorschriften zum Schutz der Umwelt sind in Vorbereitung. Sie werden zunächst die Hersteller mit einer Vielzahl von Einschränkungen konfrontieren: Hybridantriebe zur Emissionsbegrenzung, die notwendige Reduzierung von Lärmbelastung, Verwendung von Sonnenkollektoren und so weiter. Das trifft mit Verzögerung auch die Eigner.
So setzen sich zunehmend Werften und Designer für umweltbewussteren Einsatz von Baustoffen ein. Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft ist ein adäquater Ersatz für burmesisches Teakholz aus oft dubiosen Quellen. Auch Korkdeck-Auskleidungen aus recyceltem Kork sind ein gutes Beispiel für Ressourcen schonenden Materialeinsatz.
Sparpotenzial noch nicht ausgereizt
Und auch die technische Entwicklung bleibt nicht stehen: Es kommen immer leichtere und widerstandsfähigere Produkte auf den Markt. Bootsrümpfe bekommen hydrodynamisch immer günstigere Formen. Auch findet das Foiling, das bis vor kurzem ausschließlich in der Welt des Hochseerennsports bekannt waren, zunehmend im Freizeitsegeln Anwendung. Und auch das Sparpotenzial von Motoren noch längst nicht ausgereizt. Vor kurzem hat Volvo Penta seine künftigen, von Grund auf neu konstruierten D4- und D6-Dieselmotoren der Öffentlichkeit vorgestellt.
Seit weit mehr als einem Jahrzehnt ist Torqeedo aktiv, Alternativen zum Verbrenner in passenden Segmenten des Bootsfahrens einzuführen. Auf dem Cannes Yachting Festival war der bayerische Elektromotorenhersteller zum ersten Mal mit einem eigenen Stand vertreten. Draußen waren derweil die neuesten Varianten der Deep-Blue-E-Außenborder zu sehen: Die soeben für den Best of Boats Award nominierte Greenline Neo war mit zwei der kantigen Motoren am Heck zu sehen. Das dänische Startup X-Shore brachte sein elektrisch laufendes Loungeboot mit. Unser Test ist im kommenden Jahr geplant. Mit einem elektrischen RIB-Tender für Megayachten der Marke Avon war Torqeedo vor zwei Jahren erstmals an der Riviera vertreten.
„Technologie bedeutet heute nicht nur mehr Komfort, Leistungsentfaltung, Sicherheit und Kostenersparnis, sondern muss auch im Dienste der Umwelt stehen“, sagt Sylvie Ernoult, Managerin des Yachtmesse. Inzwischen hätten sich viele Schiffbauer, Motorenhersteller und Ausrüstungshersteller diese neue Auffassung zueigen gemacht. „Das zeigen einige der Yachten und Ausrüstungsgegenständen auf dem Yachting Festival“, so Ernoult.
Unabhängig von fossilen Energiequellen
Silent-Yachts gilt als weltweiter Solarpionier in der Wassersportbranche. Mit der Silent 55 S2 stellen die Österreicher einen Luxuskatamaran aus, der an hellen Tagen zu 100 Prozent mit Sonnenenergie fahren kann. Durch lautlose Weiten lässt es damit unabhängig von konventionellen, also vor allem fossilen Energiequellen fahren. Es ist das deutlich verbesserte Update der Silent 55, die am ersten Tag der Messe als Finalist des Best of Boats Awards in der Kategorie Best for Travel ausgezeichnet wurde.
Auf der Ausstellerliste finden sich weitere Beispiele für „grünere“ Schiffe im Luxusyachtbereich. So zeigt die italienische Yachtwerft Arcadia als Weltpremiere ihre erste mit Sonnenkollektoren ausgerüstete Mini-Megayacht Sherpa XL.
Mit seiner versenkbaren Photovoltaik-Anlage ausgestatteten Navetta Futura 100 Ibrida bewirbt die italienische Werft Fabiani Yachts ihr Luxusmodell. Diese Konstruktion soll es dem Schiff ermöglichen, mehrere Stunden am Stück mit einer Geschwindigkeit von 6 bis 8 Knoten unterwegs zu sein.
Ebenfalls ausgestellt wird das halbstarre Flying Rib der französischen Firma Seair. Es ist mit einziehbaren Foilblöcken ausgestattet, die die Kraftstoffeinsparungen zwischen 25 und 50 % ermöglichen sollen.
Katamarane als Versuchslabor
Der neue französische Katamaranbauer Windelo wird Rümpfe zeigen, die in der Struktur Basaltfasern enthalten, bei deren Herstellung die CO2-Emissionen niedriger im Vergleich zur Herstellung von Glasfasern sind. Außerdem wird beim Rumpfbau PET-Schaum aus recycelten Plastikflaschen eingesetzt. Hierbei sind die CO2-Emissionen halb so hoch wie sie bei der Herstellung von konventionellem PVC-Schaum sind.
Ebenfalls als Weltneuheit vorgestellt in Cannes wird der Eco-Electric-Katamaran Sunreef 60 mit Elektro- und Hybridantrieb. Dieses Modell aus Polen soll ebenfalls einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Antriebsart markieren.
In Zusammenarbeit mit der Fountaine Pajot soll auf dem Yachting Festival 2019 ein erster elektrischer Katamaran-Prototyp zu sehen sein, der mit dem System „Electric Saildrive Concept“ ausgestattet ist. Der Systempartner der Kat-Werft ist kein geringerer als einer der großen Hersteller von Diesel-Motoren: Volvo Penta. Die Präsentation der umgerüsteten Lucia 40 für die Presse ist für heute geplant, am Tag vor dem Start der Schau.