Der Wind frischt auf, das Meer vor uns kräuselt sich und eine kräftige Böe drückt das Boot aus dem Wasser. Der Vorstoß aufs offene Meer ist eindeutig zu viel für unsere kleine Beneteau First 18 SE: Die Wellen schlagen vom Jugo noch zu hoch. Also besser wieder zurück in den Schutz der Kornaten.
Später wird genau diese wilde Wasserwüste für mich zum Highlight des gesamten Kroatien-Törns: Bei weniger Wind und Böen kommen wir mit dem Gennaker auf sieben, acht Knoten. Nach Wochen des Lernens für mein Abitur fühle ich mich genau hier in den hohen Wellen das erste Mal wieder ganz frei und unabhängig.
Ich lenke das Boot näher an den Wind, wir fliegen über die Wellen, der Gennaker bläht sich im Wind. Ich habe darauf geachtet, dass seine Form schön bleibt, nicht zu bauchig, nicht zu schlapp. So wie ich es gelernt habe bei Free Spirit Sailing.

Die Segelschule im dalmatinischen Hafenort Jezera haben wir vor zwei Jahren schon einmal besucht. Jetzt, in den Sommerferien, sind wir zurück – vor allem wegen Barbara und Ivan, dem besten Segellehrer der Welt – zumindest für mich. Und nun die Neuauflage. Wie es wohl wird?
Ich spüre schon den Wind im Nacken
Endlich raus! Endlich wieder aufs Wasser, nach dem Abitur „Allein zu Haus“ im langen Corona-Lockdown. Die Freiheit heißt Kornaten, und ich spüre schon Wochen zuvor beim Gedanken daran den Wind im Nacken. Endlich die Segellehrer und Skipper wiedersehen – und weitere alte Bekannte, wie sich bei der Begrüßung herausstellen wird.

Dazu gehören der Schweizer Andrea und der befreundete Slowene Marc, der das dritte Mal die Tour mitmacht. Wir kennen die beiden noch von unserem ersten Besuch vor zwei Jahren. „Sie kommen alle jedes Jahr wieder“ hat Barbara am ersten Abend lachend zu mir gesagt.
Schnell starten vorm Sturm
Dieses Jahr heißt es „Chasing Kornati“ – ein fünftägiger Törn in die Inselwelt der Kornaten. Aber nicht mit großen Yachten, sondern mit den Seascapes der Segelschule. Es handelt sich um sechs und acht Meter lange, weitgehend offene Daycruiser. Wir segeln in einem langen Schlag hin und beziehen festes Quartier an Land und sind nur tagsüber an Bord. Am Dienstag soll es losgehen.
Nach einer kurzen Auffrischung der wichtigsten nautischen Begriffe und einer Prise Mutmachen von Ivan segeln wir den restlichen Sonntag mit der Seascape 24 durch die Bucht Jezeras und erinnern uns an bereits vergessene Handgriffe, Begriffe und wie fest das Segel beim Luff Up gemacht muss.

Am Abend entscheidet Ivan dann kurzfristig, dass wir bereits Montag losfahren werden, aufgrund zu starker Winde am geplanten Abreisetag. Am Ende werden die Segeltörns dann doch von den Winden bestimmt. Es werden bis zu 30 Knoten erwartet. Das ist etwas zu viel, um sicher segeln zu können auf den kleinen Seascapes, vor allem auf der recht tief liegenden 18er. Dass im Juli so ein starker Jugo weht, ist untypisch für einen kroatischen Sommer.

Auch hier macht der Klimawandel keinen Stopp: Der sonst beständige Mistral, der in dieser Jahreszeit weht, „ist seit Jahren nicht mehr beständig“, erklärt Ivan mir. Wir packen also die Segelsachen: 50er-Sonnencreme, viel Wasser und Snacks für die langen Mittagsstunden auf dem Boot, Segelhandschuhe, Caps und Badesachen.
Unterwegs mit drei Seascapes
Am Montagmorgen sind wir pünktlich am Boot, bereiten die Segel vor, hängen den Torqeedo ans Heck und verlassen surrend den Hafen. Die erste Etappe führt von der Insel Murter in die Kornaten, genauer gesagt zu einer der vielen Inseln im Nationalpark.


Bei wenig Wind segeln wir los. Nach vier Stunden, die wir vor allem mit Singen, Segeltrimm und Städteraten verbringen, erreichen wir die Einfahrt zu den Kornaten. Die Kekse sind schon etwas weich, das Wasser etwas warm und die Sonne ganz schön heiß. Endlich erreichen wir die Einfahrt zur Inselwelt der Kornaten, die uns überwältigt mit ihrer, nun ja, mit was eigentlich?

Kornaten, Inseln mit spärlicher Vegetation
Die Kornaten sind eine Inselgruppe vor Kroatien im adriatischen Meer von circa 125 bis 152 Inseln, je nach Quelle. Die fast ausschließlich unbewohnten Eilande sind zumeist karg. 89 stehen unter strengem Nationalpark-Schutz. Für den Aufenthalt oder das Ankern im Park muss ein Ticket gekauft werden.
Dieses abgeschiedene Archipel erstreckt sich entlang der kroatischen Küste zwischen den Städten Zadar im Norden und Šibenik im Süden. Den Namen gibt ihnen die Hauptinsel Kornat. Überall herrscht Baustopp. Nur bereits vorhandene Häuser oder Ruinen dürfen renoviert, restauriert und bewohnt werden. Das macht die Kornaten zu einem fast unberührten Ort, der so seinen ganz eigenen Charme entwickelt.

Vorhandene Häuser werden überwiegend als Restaurants benutzt. Dicke Charteryachten parken davor, ein harter Kontrast zu der eigentlich wilden Natur. Besonders schroff sind die Klippen hin zum offenen Meer. Ihr Anblick verschlägt einem den Atem. Ebenso die türkisfarbenen Buchten. Die Inseln bieten den nötigen Schutz, um entspannt zu segeln. Abenteuersuchende erwartet das offene Meer mit stärkerem Wind, Wellen und Strömungen nur drei Wenden entfernt.
Anreise mit Abschleppen
Als der Wind mittags um drei komplett verschwindet, nehmen wir den E-Motor zur Unterstützung und ziehen die Fock ein. Wenig später kommt uns die 24er entgegen und schleppt uns die letzten Meilen zu Vid und unserem Abendessen. Er wartet bereits am Steg auf uns. „Relax, you are on holidays, relaaaaax“ ruft er uns zu, als wir beim Anlegen etwas hektisch werden. Vid passt in seiner ruhigen, rustikalen Art wunderbar zur umgebenden Natur.

Am nächsten Tag bleiben wir in der Bucht, der Wind lässt die Boote im Wasser tanzen, mit bis zu 35 Knoten fegt der Jugo über die Inseln, der Himmel ist steingrau. Die andere, unfreundliche Seite des Mittelmeeres zeigt sich uns, das ist auch für die Kornaten kein gewöhnliches Sommerwetter.
Der Jugo bindet uns fest
Aber es gibt Ablenkung an Land: Neben selbst gebranntem Schnaps servieren Alenka und Vid hausgemachte Tunfischpaste und Oktopus, der so weich ist wie Butter. Ihr romantischer Garten bietet einen herrlichen Ausblick auf die Bucht und die ankernden Segelboote. Das Verhältnis ist familiär, auch die Enkelin ist da, hilft beim Abräumen und liest in der Hängematte Harry Potter.
Wir segeln den gesamten Mittwoch, an der langen Insel entlang, bis wir in den bewohnten Teil des Parks kommen. Der Wind ist böig jetzt. Wir krängen viel, die Hosen sind klatschnass, das Salz macht unsere Haut trocken, die Sonne unsere Knie braun. Seglerknie, wie wir sie alle haben am Ende unseres Urlaubs.
Badepause in einer Bucht
Am Ende des Tages baden wir in einer versteckten Bucht. Hier liegen viele Segelboote vor Anker. „Viele mieten sie, weil sie billiger sind als Motorboote. Sie benutzen nur den Motor und segeln nie und wenn, dann können sie es nicht“, erzählt Mark. Wir tauchen mit hellblauen Fischen im frischen türkisenen Wasser und knabbern die letzten Nüsse.

Abends sitzen wir zusammen, es wird deutsch, englisch, kroatisch und slowenisch gesprochen. Über Boote, gemeinsame Bekannte, und wir üben Tarock, das man auch in Slowenien spielt. Manchmal wird die Ruhe der Kornaten durch ein partywütiges Boot gestört, das mit schlechter Musik das Plätschern der Wellen übertönt.
Zurück in nur fünf Stunden
Am Donnerstag geht es zurück. Diesmal sind wir deutlich schneller. Mit Wind im Rücken und gesetztem Gennaker auf dem gesamten Rückweg kommt uns die Insel Murter sehr schnell näher. Diesmal brauchen wir anstatt acht Stunden nur fünf.

Ich fühle mich sicher mit meinem Können, Marc lässt fast alle Kommandos weg, wir segeln allein, unterhalten uns, essen die letzten Kekskrümel. Jetzt weiß ich, von wo der Wind kommt. Ich habe die Pinne im Gefühl, nutze die Wellen, um schneller zu segeln und reite sie aus. Frei und gut gelaunt segeln wir zurück in die Bucht.
Ich entdecke neue Fähigkeiten
Was ich von dieser Reise in die Kornaten mitgenommen habe, sind braune Segler-Knie, anregende Gespräche. Und ein Vertrauen in meine Fähigkeiten, das ich davor nicht kannte. Ich fühle mich groß und selbstbewusst. Ich kann ein Boot zur Abfahrt vorbereiten, die Segel setzen, den Motor bedienen und mich gemeinsam mit meiner Crew sicher an neue Orte segeln. Wie aufregend!

Am Freitag treffen wir uns zum letzten Abendessen. Gegen neun Uhr steht Andrea auf, er hat eine lange Rückfahrt vor sich. Er lacht verschmitzt, als er alle umarmt und uns mit einem „bis nächstes Jahr“ verabschiedet. In jedem anderen Fall wäre das eine typische Urlaubsfloskel, man wird sich nur noch auf Facebook sehen.

Aber hier in Jezera ist es bestimmt wahr, denn sie kommen alle wieder, Jahr für Jahr. Um zu segeln, um Barbara und Ivan zu sehen, den Charme des kleinen kroatischen Dorfes zu genießen und Leute zu treffen und kennenzulernen, mit denen man sonst nie in Kontakt getreten wäre. Es ist egal, woher sie kommen, was sie arbeiten oder ob sie – wie ich – gerade erst mit der Schule fertig sind. Denn eines verbindet alle hier: die Liebe zum Wasser.
Wer Lust bekommen hat, findet alle Infos bei Free Spirit.