Das Wetter wird langsam garstig in Hamburg. Der Herbst und damit das Ende der Saison im Norden sind nicht mehr aufzuhalten. Die hanseboot, die für 56 Jahre den Saisonabschluss in Norddeutschland markierte und einen schönen Ausblick auf die kommende Saison gab, geht in die letzte Runde. Das trägt nicht gerade zur Stimmungsaufhellung der Aktiven auf dem Wasser bei. Doch es gibt die Meisterschaft der Meister.
Dem Team des Hamburger Segel-Clubs (HSC) um Ex-Admiral’s-Cup-Segler Wolf-Dieter Jahn, Wettfahrtleiter Claus Dederke und Geschäftsführer Andreas Borrink ist ein kleines Kunststück gelungen: Sie belebten die Meisterschaft der Meister nicht nur wieder, sie machten ein beinahe tot geglaubtes Top-Event der Regattaszene mit neuem Format und Beiprogramm zu einem Ereignis, das wirklich allen Beteiligten die graue Herbstlaune aufhellte und in bester Erinnerung bleiben wird.

So werden die Besten der Besten ermittelt
36 Teams mit insgesamt 108 Aktiven aus ganz Deutschland folgten dem Ruf der Organisatoren an die Alster. Aus der Taufe gehoben hatte die Meisterschaft ursprünglich der Meister der Regattasegler und Chefredakteur der Yacht-Tochter-Zeitschrift Regatta (leider schon längst eingestellt) Jochen Halbe vom HSC. Er startete die Serie 1980 am Steinhuder Meer.
„Mailand oder Madrid? Ach was, Hauptsache Hamburg!“ Theodor Bauer (Laser)
Es sollte ein Treffen aller Meisterinnen und Meister der jeweiligen Saison werden, von Opti bis IOR-Yacht. Sie sollten im Match-Race-Auswahlverfahren die Besten der Besten ermitteln, das Ganze mit einer gehörigen Portion Spaß gewürzt. Wurden zunächst Piraten eingesetzt, ging es über verschiedene 3- bis 4-Frau/Mann-Kielboot-Klassen bis zu den heute eingesetzten J70, in denen auch die Segel-Bundesliga ausgetragen wird.
2016 fiel das Event nach 36 Jahren zum ersten Mal aus
Seit 1985 wird die Meisterschaft der Meister als feste Institution vom Hamburger Segel-Club auf der Alster ausgetragen. Immer am ersten Messe-Wochenende mit anschließender Übergabe des hanseboot-Pokals auf der Messe. 2016 fiel das Event nach 36 Jahren zum ersten Mal aus. Ausgerechnet eine so hochklassige Regatta, die über die Jahre die Creme der Creme der deutschen Regattaszene nach Hamburg an die Alster gelockt hatte. Ein Schock für die Szene.

Der HSC mit seinen umtriebigen Mitgliedern wollte das nicht auf sich sitzen lassen. Das Jubiläumsjahr des Vereins sollte wieder mit der Meisterschaft der Meister enden. Also wurden kurzfristig diverse Strippen gezogen, Netzwerke aktiviert und alle Meister von 2016 und 2017 angeschrieben. Nein, es gibt kein Antrittsgeld, jedes Team zahlt brav sein Startgeld und hinterlegt eine Kaution für etwaige Schäden.
Intim statt anonym
Dafür wurden alle, anders als in den Vorjahren, mit einem reichhaltigen Buffet im HSC verwöhnt. Und das Tanzbein wurde heftigst geschwungen – nach einer launigen Preisverleihung, die wie alle Jahre zuvor von Moderator Christoph Schumann durchgeführt wurde. Die Spaß-Preise suchte HSC-Szenekennerin Silke Basedow mit ihrem Team passend zur jeweiligen Crew aus. Ein gelungener Abend – diesmal nicht vor anonymen Messebesuchern, sondern im eher intimen Rahmen mit fast allen Teilnehmenden und Helfenden.
„Top-Format – und die besten deutschen Segler am Start! Nur die Wellen könnten höher sein.“ Timmy Kröger (Segelprofi und Offshore-Held)
Ein unermüdlicher, feierfreudiger Segler wurde sogar morgens beim Kehraus im gemütlichen Clubheim zufrieden schnarchend auf einer Bank gefunden. Pünktlich zum Start um 9:30 Uhr war er wieder einsatzbereit. Das war früher anders, denn durch den Match-Race-Modus konnten viele Teilnehmer bereits nach dem ersten Tag die Koffer packen, und zum Dinner wurden nur die ersten drei Teams gebeten.

Der diesjährige – und bisher jüngste – Teilnehmer, der 14-jährige Leo Beyer vom HSC, Deutscher Meister in der Klasse O‘Pen BIC, holte sich Silke Basedow, Luisa Krüger und Anke Lukosch aus dem HSC-Bundesligateam an Bord. Denn die Mitsegelnden kann sich jeder Meister und jede Meisterin selbst aussuchen. In diesem Fall durfte die Crew wegen ihres geringen Gesamtgewichts zu viert antreten – zwei wertvolle Hände mehr. Gesteuert wird allerdings immer nur vom Meister selbst.
Und der Gewinner ist…
Der Weg ins Finale führt mit sechs Booten über sechs Flights à sechs Rennen. Das heißt: Jedes Team hat sechs Mal die Chance, sich in dem Feld von 36 Teams einen guten Platz zu ersegeln, um am Ende unter die besten 6 und damit ins Halbfinale vorzustoßen.
Begleitet werden alle Rennen von zwei Schlauchbooten mit Umpire-Schiedsrichtern und Schiedsrichterinnen unter der Leitung des internationalen Wettfahrtrichters Hannes Diefenbach. Nach zwei Semi-Finals stehen drei Teams im Finale: das Team, das zuerst zwei Siege einfährt, stellt den Meister oder die Meisterin der Meister.
„Alles super! 2015 saßen wir hier um diese Zeit mit fünf anderen im Raum und haben uns gelangweilt!“ André Budzien (OK-Jolle)
Der Sieger stand am Sonntag um 15 Uhr bereits nach zwei spannenden Finalrunden im Hamburger Regen mit nachlassendem Wind fest. Der Meister der Meister 2017 heißt wie schon 2006 Carsten Kemmling (52). Der Segeljournalist und erfahrener Regattasegler ist amtierender deutscher J70-Meister mit mehreren Olympia-Kampagnen und viel Match-Race-Erfahrung auf dem Buckel. Seine Mitsegler Sven Gauter und Dorian Heitzig gehören auch sonst zu seiner J70-Crew und sind wie Carsten Mitglieder des Norddeutschen Regatta-Vereins (NRV).
Man sah schon viele Favoriten stürzen
Die Meisterschaft der Meister hat wie der DFB-Pokal seine eigenen Gesetze. Auf der Alster sah man schon viele Favoriten stürzen. In diesem Jahr war die ganz große Überraschung, dass ein 14-Jähriger den erfahrenen J70-Seglern das Gewinnen schwer machte: Leo mit seinen Damen wurde Vizemeister. Ganz Gentleman, bedankte er sich bei der Preisverleihung galant mit drei Blumensträußen bei den drei Vorschoterinnen.

Die HSC-Brüder Max und Karl Gurgel, 2014 Sieger des Wettbewerbs, handelten sich durch eine unglückliche Karambolage mit Schaden im Startgerangel des ersten Semi-Finals eine Disqualifikation ein und verschenkten daher ihren Platz im Finale. Auch Lokalmatador und Conger-Meister Frank Schönfeldt, sonst meist auf einer seiner J24s unterwegs, konnte sich bei seiner (gefühlt 20.) Teilnahme ebenso wenig für das Finale qualifizieren wie der Spitzenreiter der Segel-Bundesliga, Julian Stückl vom Deutschen Touring Yacht-Club (DTYC) am Starnberger See. Dem Titelverteidiger Jan-Philipp Hofmann und seiner Crew vom Düsseldorfer Yachtclub (DYC) blieb immerhin der 3. Rang und damit ein Platz auf dem Treppchen.
„Es macht immer wieder Spaß, Segelsport auf so hohem Niveau zu erleben und dabei viele alte Bekannte auf dem Wasser wieder zu sehen.“ Tina Buch (Wettfahrtleiterin)
Silberstreif für die Meisterschaft der Meister
Beide Segeltage fingen mit Sonne an. Leichter Wind um acht Knoten am Samstag ließ den Teams Zeit, sich auf die (für die meisten ungewohnten) Boote einzustellen. Der Sonntag forderte die Teams mit 12 bis 18 Knoten mehr heraus. Leider wurde an beiden Tagen der sonnige Morgen am frühen Nachmittag durch tristen Hamburger Herbstregen abgelöst. Das störte weder Seglerinnen und Segler noch die Zuschauer. Bei der Preisverleihung im kuscheligen Saal konnten Carsten und sein Team aus den Händen von DSV-Geschäftsführer und Schirmherrn Goetz-Ulf Jungmichel den Pokal entgegennehmen.
„Never ever war es so gut!” Frank Schönfeldt, Segelmacher
Der neue Meister der Meister Carsten Kemmling bedankte sich bei der Siegerehrung: „Danke an Jochen Halbe, meinen ehemaligen Chef bei der Yacht, dass er wieder dabei ist, und Dank an die zwei HSC-Crews, dass sie sich ins Schiff fuhren und uns somit den Weg ins Finale ermöglichten.“

Auch nächstes Jahr wird es eine Meisterschaft der Meister beim Hamburger Segel-Club geben. Geplanter Termin für den Durchgang Nummer 38 ist der 27. und 28. Oktober 2018.