Zwei junge Seglerinnen hatten so richtig Spaß: Dorothea Gebert vom Joersfelder Segel-Club Berlin, sonst mit ihrem Bruder in der 2. Segel-Bundesliga aktiv, und ihre Vorschoterin Geeske Genrich vom SLSV Steinhude waren auf einem 505er unterwegs, den die Klassenvereinigung für Neueinsteiger zur Verfügung gestellt hatte. Mit diesem Boot zeigten sie der gestandenen Fiven-Konkurrenz (wie sich die 505er gegenseitig nennen) nach vier Wettfahrten am Ende den Spiegel. Die Frauen-Crew machte bei der Kultregatta Letzte Helden 2017 vor Blankenese auf der Elbe Platz 1 in ihrer Klasse.

Wo der Clubchef die Boote selbst abslippt
Wenn das kein gelungener Einstieg ist: In einem Feld von 15 Fiven (zwei Steuerfrauen, 13 Steuermänner) zu gewinnen, und das bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt in einem unbekannten Tidenrevier – da gehört schon was dazu. Der ausrichtende Blankeneser Segel-Club (BSC) muss die Regatta wohl in „Letzte Heldinnen“ umtaufen. Oder, wie sagte eine zukünftige Teilnehmerin in Anlehnung an den 2018 erstmals stattfindenden Frauen-Cup so treffend: „Da sind ja die neuen Helgas!“
Knapp 100 Teams hatten sich zu dieser Rennserie gemeldet, die in den letzten 30 Jahren zur Kultregatta avancierte. Ende der 1980er wurde die Regatta „Letzte Helden“ auf Initiative einiger Segler im FD und 505er aus der Taufe gehoben. Den Wettfahrtleiter gibt seitdem Sharpie-Urgestein Günter Daubenmerkl, heute wird er unterstützt von 35 Helfern zu Wasser und zu Land. Sören Sörensen, zweiter Vorsitzender des ausrichtenden BSC, und J70-Steuermann Stefan Karsunke ließen sich es nicht nehmen, die Watthosen anzuziehen: Sie bugsierten fast 100 Boote persönlich vom Slipwagen ins Wasser – und nach der Regatta wieder drauf.

Anspruchsvolles Kleinrevier
Das Zeitfenster war knapp: Durch den stetigen Ausbau der Elbe zum Kanal für immer größere Containerriesen versandet das Mühlenberger Loch zusehends. Regattasegeln ist daher inzwischen nur noch in den zwei Stunden vor und nach Hochwasser möglich. Wo in den 1970er-Jahren noch auf knapp acht Quadratkilometern gesegelt werden konnte, ist durch die Aufschüttung für die Werkserweiterung der Airbus-Flugzeugwerft und die querende Fährenfahrrinne das Revier um ein gutes Drittel geschrumpft.
Die Querung des Hauptfahrwassers mit Jollen ist nicht immer ganz nervenschonend. Bei zu wenig Wind kommt man nicht rechtzeitig rüber, wenn gerade wieder ein dicker Pott ausläuft. Aber wehe, Du kippst in der Fahrrine bei viel Wind um. Da ist es beruhigend, wenn ein paar Schlauchboote die Querung absichern.
Ist man drüben im Mühlenberger Loch, belohnt die Segler eine traumhafte Aussicht auf Blankenese. Das ist vor allem schön, wenn die Sonne scheint. Die wollte sich am ersten Adventswochenende allerdings gar nicht blicken lassen. Immerhin verzog sich der morgendliche Nebel bis zum Start am Mittag. So konnten die fast 30 Piraten, 15 505er, 10 Laser und zahlreiche andere Jollen bei Winden um 2 bis 3 rechtzeitig starten. Von den angepeilten vier Rennen am Samstag wird wegen der großen Geschwindigkeitsunterschiede allerdings nur zwei gesegelt.

Kalt macht letzte Helden lustig
Die gute Laune lässt sich am kältesten Regatta-Wochenende des Jahres keiner verderben. Tobias Schadewaldt, als 49er-Olympionike auf der Elbe mit einem High-Tech-Taifun unterwegs, kann gar nicht mehr aufhören zu lachen. Er ist seinem Konkurrenten Christopher Ossenkopp in drei Rennen jeweils um wenige Sekunden schneller vor die Nase gefahren.
Vielleicht haben aber auch Ann-Charlotte und Tom etwas mit der permanenten guten Laune zu tun. Sie beide segeln heute nicht. Ihr Job ist es, die frierenden Segler vom Schlauchboot aus mit Glühwein und Kakao zu versorgen. Wenn man die Segler fragt: Gefroren hat eigentlich niemand so richtig.

Von zwölf auf hundert in 30 Jahren
Die erste Ausgabe der „Letzte Helden“ zog gerade mal zwölf Boote auf die Elbe. Doch der Wille der Flotten, vor allem der 505er und Piraten, noch eine große Regatta am Jahresende zu segeln, war groß. So kamen über die Jahre immer mehr Segler Anfang Dezember an die Elbe, bis die Meldezahlen weit über 100 hinausgingen. Seglerinnen und Segler ließen sich auch von leichtem Eisgang auf der Elbe und hartgefrorenen Schoten nicht abhalten, ihren letzten Helden oder letzte Heldinnen zu küren.
Inzwischen hat sich die Meldeliste bei etwa 100 eingependelt. Ausgeschrieben ist die Regatta für 505er, Contender, Musto Skiff, Int.14, Korsar, Taifun, Laser (Standard, Radial und 4.7), Piraten und andere reviergeeignete Einrumpfjollen. Für Piraten und 505er geht es sogar um Ranglistenpunkte. Einige Exoten waren am Start, darunter eine Achtmeter-V-Jolle von 1929 mit 31 qm Segelfläche am Wind, gesteuert von Marc-Daniel Mählmann.

Kurzer Tag der Entscheidung
Wegen der Tide und einer Zeitbegrenzung der Wasserschutzpolizei fanden am Sonntag nur zwei Rennen für Musto Skiffs, International-14-Footer und 505er statt. Und nur ein Rennen wurde für den Rest der Flotte gesegelt. Bei den 14-Footern glänzte wie im Vorjahr die Crew von Axel Reinsch und Georg Borkenstein. Sie wurden wieder Letzte Helden nach Yardstick. Bei den Piraten gewann Frieder Billerbeck, und bei den Musto Skiffs hatte Christian Brandt die Nase vorn.
Mia-Sophie Aldag mit ihren 13 Lenzen ist wohl die jüngste Heldin des Jahres 2017 – und eine der Glücklichsten, obwohl sie mit ihrem Vater Michael im Conger am Ende auf Platz 39 segelte. Denn sie war dabei – während 21 andere Seglerinnen und Segler zwar gemeldet hatten, angesichts des kalten und ungemütlichen Wetters doch lieber auf dem Sofa als auf der Elbe waren. Was nicht besonders heldenhaft ist.
Tobias Schadewaldt vorm Sonntags-Einsatz im Taifun bei Letzte Helden 2017:
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