„Hackenschuh auf Ente!“, ruft Jan über den Steg, „komm da mal runter!“ Der Mann, der gemeint ist, schaut fragend auf. Mit Absatzschuhen darf man nicht aufs Tretboot. Also wieder aussteigen, Schuhe ausziehen und barfuß fahren. Jan setzt sich wieder hin und schaut über sein Reich: den kleinen Steg vor seinem Bootsverleih und die Rummelsburger Bucht, die sich weiter hinten in die Spree ergießt. „Strenge Regeln muss es geben“, sagt er, „die Leute achten ja auf jarnüscht mehr.“
Seine Freunde sitzen in der Sonne und spucken Kirschkerne ins Wasser. Die Vögel zwitschern und nur von weitem hört man den Lärm der Großstadt. Hier an der Rummelsburger Bucht in Lichtenberg, nur wenige Kilometer vom Zentrum entfernt, ist Idylle pur.
Vor vier Jahren hat Jan Seeger zusammen mit seiner Frau den Bootsverleih Ahoi Ostkreuz gegründet, benannt nach dem großen U- und S-Bahnhof Ostkeuz. Er vermietet 18 Kajaks und zwei Tretvögel: eine Ente und einen Flamingo. Die sind ihm so zugeflogen. Den Steg hat er mit Lizenz übernehmen können, ein Glücksfall. Er liebt es, hier von seinem Steg über die Bucht zu schauen.
Vor drei Jahren hat er die Clean-Up-Regatta ins Leben gerufen. Am ersten Dienstag im Monat kann man für zwei Stunden umsonst ein Kayak ausleihen, wenn man Müllsack und Zange mitnimmt und alles, was an Abfall im Wasser an einem vorbeischwimmt oder am Ufer liegt, einsammelt. „Die Idee kam mir an einem Wochentag, wo mal nicht so viel zu tun war. Wenn die Boote schon rumliegen, dachte ich, kann man sie ja auch mal anders nutzen. Und dann kam mir die Idee, hier was fürs Revier, den Rummelsburger See und die Spree zu tun. Immerhin lebe ich ja zum großen Teil davon, und der Müll im Wasser hat mich immer schon gestört.“
Die Aktion fiel auf fruchtbaren Boden. Jan lädt auf der Clean-Up-Seite jeden ersten Dienstag im Monat von 10 bis 17 Uhr zum Reinemachen aufs Wasser ein. Das Gute: Wer Müll sammelt, zahlt nix. Die meisten Müllsammler sind junge Leute – Schüler und Studenten. Jan wollte außerdem Leuten das Kajakfahren ermöglichen, die wenig Geld haben oder die ihr Geld „lieber in Butterbrot und Bier umsetzen“, schmunzelt Jan.
An schönen Tagen fahren die Kajaks bis zu fünfzig Mal raus und ziehen dabei die verrücktesten Sachen aus dem Wasser: Plastik-Stühle, Fahrräder, auch ganze Rasenmäher waren schon dabei. Heute stehen am Steg schon mehrere mit Styropor gefüllte Säcke, ein Autoreifen und ein Besen. Der Rekord an gefüllten Müllbeuteln an einem Tag liegt bei etwa 25, zuzüglich Sperrmüll. Beachtlich!
Der Steg füllt sich langsam. Nach und nach werden die Kajaks zu Wasser gelassen, und die Paddler gleiten Richtung Spree. Die ersten, die am Morgen gestartet sind, kommen auch langsam zurück. „So viel haben wir gar nicht gefunden“, sagt Elsa, als sie ihren halb gefüllten Müllbeutel aus dem Boot zieht, „aber das ist ja eigentlich ein gutes Zeichen.“
Jans Vision, die Clean-Up-Aktion auf den Wannsee, die Havel und Berliner Seen auszuweiten, hat sich bisher noch nicht erfüllt. Es scheitert an der Motivation der anderen Verleiher. Das ändert sich hoffentlich bald, denn die Reinemache-Aktion ist ja einfach umzusetzen und total sympathisch.
Als es gegen abends um sechs langsam ruhiger wird, verabschiedet sich Jan. Er steigt in seinen alten Angel-Kahn, schmeißt den Motor an und düst knatternd davon. Der Müll steht bereits abholbereit an der Straße. Die Berliner Stadtreinigung nimmt‘s mit.
Saubere Sache: ahoi-ostkreuz.de