Die Baggerarbeiten am Tunnel durch den Fehmarnbelt gehen weiter: Anders als von einigen Medien berichtetet, gibt es keinen konkreten Baustopp. Das teilte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gestern mit. Somit dauern die Arbeiten am Meeresgrund an – auch in den Bereichen, die Umweltschützer als wertvolle Biotope ansehen.
Auf der 18 Kilometer langen, unterseeischen Trasse zwischen Fehmarn und dem dänischen Lolland liegen Riffe, die das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung schützen will. Die Tunnelbauer hatten im Herbst 2021 eine amtliche Genehmigung erwirkt, diese Flächen wegzubaggern und stattdessen neue Riffe auf Ausgleichsflächen anzulegen.
Dagegen klagt das Aktionsbündnis nun. Das oberste deutsche Gericht für Verwaltungsrecht hatte keinen Baustopp, sondern lediglich eine Frist zur Abgabe von Stellungnahmen gesetzt. Bis zum 28. Januar ist das möglich, ohne dass die Bauarbeiten davon betroffen wären. Aktuell wird der Graben für die Tunnelführung auch im Bereich der Riffe ausgehoben, wie die Tunnelbauer auf float-Nachfrage mitteilten.
Neun Milliarden Euro für 35 Minuten Zeitersparnis
Die Bauarbeiten für den Fehmarnbelt-Tunnel begannen erst vor wenigen Monaten. Das Aktionsbündnis hatte sich parallel zu den Planungen, die im Wesentlichen von dänischer Seite erfolgen, gebildet. Der Tunnel soll die sogenannte Vogelfluglinie, die Autobahn- und Zugverbindung zwischen Mitteleuropa und Skandinavien, um mehr als eine halbe Stunde verkürzen.
Bisher dauert die Verbindung per Fähre (demnächst mit nachhaltigem Elektroantrieb) etwa 45 Minuten reiner Fahrzeit. Das Projekt soll mindestens neun Milliarden Euro kosten. Bei Fahrt durch den Tunnel könnte die 18 Kilometer lange Passage unter dem Meer in etwa zehn Minuten absolviert werden.
Dafür muss ein maximal 140 Meter breiter und zwölf Meter tiefer Graben quer durch die Ostsee gebaggert werden, um die Senkkästen für eine doppelspurige Autobahn- und eine zweispurige Schienentrasse zu verlegen. Das Absenk-Verfahren wird seit über 150 Jahren eingesetzt, so sind zum Beispiel der Alte und der Neue Hamburger Elbtunnel (ohne vierte Röhre) nach diesem Prinzip konstruiert. Die Baustelle an der Ostsee für den Fehmarnbelt-Tunnel befindet sich in bis zu 40 Meter Tiefe.

Sediment trübt Ostseewasser
Der Verein „Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung“, der sich 1994 gründete, versucht die unterseeische Querung mit rechtlichen Mitteln zu verhindern. Die Reihe der Argumente gegen das Mammutprojekt ist lang. Neben dem Umweltschutz werden auch Auswirkungen auf den Tourismus benannt, außerdem mangelnde Wirtschaftlichkeit.
Vor allem sei der Preis, den die Region und die Natur für den tiefen Graben am Meeresboden zahlen, viel zu hoch. Allein die großflächige Aufwirbelung des Sediments durch die Bagger würde weiträumige Eintrübung der Ostsee verursachen, beteuern die Gegner des Projekts. Das führe zur zeitweisen, möglicherweise sogar endgültigen Vernichtung von Lebensräumen vieler Pflanzen, Meeressäuger und Fische. Durch die Zerstörung von Muschelbänken seien auch die Vogelzüge bedroht.
„Solange die Fähren zwischen Putgarden und Rødby das Verkehrsaufkommen über den Fehmarnbelt effizient und zuverlässig bewältigen können, ist eine feste Beltquerung nicht erforderlich“, folgert der Verein, der unter anderem von Ortsverbänden der SPD, Linken, den Grünen, Nabu, BUND und der Gewerkschaft Transnet unterstützt wird.
Maut soll Tunnel refinanzieren
Aktuell laufen weitere Klagen gegen die Baumaßnahmen, die beidseitig von dänischer und deutscher Seite erfolgen. Der gesamte Tunnel ist jedoch ein dänisches Staatsprojekt. Über die nächsten 40 Jahre soll es sich allerdings durch Mauterhebung refinanzieren. Wie hoch diese Gebühren für die Befahrung sein werden, wenn der Fehmarnbelt-Tunnel in Betrieb gehen würde, ist noch völlig offen.
Die Fährgesellschaften rechnen aus diesem Grund mit einem Verdienstausfall, wollen die Verbindung aber auch in Zukunft anbieten. Ein Preiskampf wäre für die Betreiber des Fehmarnbelt-Tunnels riskanter, da sie eine defizitäre Verbindung nicht durch andere, lukrative Erwerbsgrundlagen refinanzieren können wie die Fährreedereien.
Riffe im Bereich der Baustelle
In der konkreten Auseinandersetzung geht es um Riffe, die im Bereich der Fehmarnbeltquerung liegen. Der Verein erläutert: „Der Erlass der Zwischenverfügung bedeutet, dass das Bundesverwaltungsgericht die Einwände des Aktionsbündnisses gegen den Planänderungsbeschluss für ernst nimmt und ebenso Zweifel an der Begründung für die Eilbedürftigkeit der jetzt laufenden Baumaßnahmen hat.“
Das Bauunternehmen seinerseits teilt mit: „Welche Auswirkungen ein möglicher vorläufiger Baustopp in diesen kleinen Bereichen haben könnte, können wir zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen. Alle anderen Arbeiten, sowohl landseitig als auch seeseitig, laufen wie geplant weiter.“
Die Riffe am Fehmarnbelt-Tunnel sind nach Ansicht des Vereins besonders schützenswert, weil sie als Biotope für ihre außergewöhnliche Artenvielfalt bekannt sind. Streitig im juristischen Sinn ist ein Detail: Während die Tunnelbauer argumentieren, bisher seien keine schützenswerten Arten im Baustellenbereich nachgewiesen, glauben die Umweltschützer, schon das Vorhandensein derartiger Riffe begründe den Schutzstatus. Das Gericht geht jetzt auf diese Argumentation ein, indem es eine genauere Prüfung anmahnt.
Bisher plant Femern AS, die staatliche dänische Betreibergesellschaft, die Eröffnung des Tunnels im Jahr 2029. Bis dahin wird der Fehmarnbelt eine riesige Baustelle, auf der die Schifffahrt besonders vorsichtig navigieren muss. Die Tunnelbauer dürfen zeitgleich jeweils an zwei unterschiedlichen Örtlichkeiten arbeiten und diese für den Schiffsverkehr sperren.