Der Weg zu Frauscher führt über die Rialto-Brücke. Doch dieses Venedig liegt nicht in Italien, sondern an der Côte d’Azur. Kleine Kanäle durchziehen die Siedlung, pastellfarbene Häuser reihen sich wie Perlen aneinander, von ockerfarben bis altrosa. Dazwischen viel Wasser und ebenso viele Boote. Wir befinden uns in Port Grimaud am Golf von St. Tropez.
Geplant und gebaut wurde der Hafen von Grimaud in den 1960er-Jahren im mediterranen Stil. Der Architekt François Spoerry, der das Projekt selbst finanzierte, ließ die Lagune nach dem Vorbild von Venedig trockenlegen und baute eine Wohnanlage mit Kanälen und Bootsanlegern gleich neben St. Tropez, nur zwei Seemeilen entfernt. Die kleinen charmanten Reihenhäuser bieten alles, was sich ein Bootsbesitzer für die Sommersaison wünscht: Terrasse, direkten Zugang zum Boot, ein geschützter Hafen direkt am Meer.
Hinter der Brücke öffnet sich ein Marktplatz mit Cafés, einem Hotel und einer Kirche. Schmale Gassen führen rechts und links in verzweigte Kanäle, die letzten Touristen des Jahres trinken Spritz in der schon kühleren Oktobersonne. Keine 50 Meter von der Kirche entfernt liegen fünf Boote wie die Orgelpfeifen im Wasser. Von 8,50 bis 14 Meter: Fantom, Ghost, Demon, die Linie sofort wiedererkennbar durch das angedeutete Z. Unverkennbar Frauscher.

Doch was macht eine österreichische Werft in Port Grimaud, will ich von Stefan Frauscher an diesem sonnigen Freitagmorgen wissen. „Um die Marke Frauscher internationaler zu machen, haben wir nach einem Standort gesucht, der eben international ist. Und das ist einfach die Côte d’Azur.“
Alle Standorte in Betracht gezogen
Am Frauscher-Büro im Zentrum kommt jeder vorbei. Drei Jahre haben sie es gemietet und jetzt kaufen können. Damit hat die Niederlassung Frauscher France nun einen festen Standort an der Côte d’Azur und Stefan Frauscher ein zweites Zuhause hier in Port Grimaud.
Drei Jahre lang hat der CEO für Marketing und Sales den Markt an der französischen Küste beobachtet, von Cannes bis St. Tropez alle Standorte in Betracht gezogen und sich bewusst für Port Grimaud entschieden.
Hier passt alles zusammen. „Wir haben einen Standort gesucht, um die Marke Frauscher international aufzubauen. Klar, dass wir hier nicht die Laufkundschaft wie in St. Tropez haben. Aber in Port Grimaud erreichen wir die Anwohner im gesamten Hafen und starten von hier unsere Probefahrten“, sagt Stefan Frauscher. Vertriebspartner der Werft gibt es obendrein in Marseille, Cannes und in der nahen Baie des Canoubiers, wo man Frauscher-Boote auch tageweise mieten kann.

Wir starten mit der Frauscher 1212 Ghost zu einer Kanaltour durch Port Grimaud. Das Örtchen ist ein kleines Schmuckkästchen, entwickelt auf dem Reißbrett. „Es hat das Flair von Venedig und einer holländischen Kleinstadt“, findet Stefan Frauscher, während wir unter Brücken hindurchfahren. Er grüßt die Skipper der vorbeifahrenden Boote, man kennt ihn gut. „Das beste Marketing ist, das Boot im Wasser zu zeigen“, weiß der österreichische Werftbesitzer. „Die Wahrscheinlichkeit, angesprochen zu werden, ist riesig.“

Port Grimaud ist der Laufsteg für Frauscher-Boote. Wenn im Sommer seine jungen Mitarbeiter zur Frühstückszeit mit der 858 Fantom oder der 1017 GT an den Terrassen der Sommergäste vorbeigleiten, kommt man schnell ins Gespräch. Und das endet nicht selten beim Bootskauf. Sieben Frauscher-Besitzer gibt es inzwischen in Port Grimaud.
Die Mischung macht’s
Die Anwohner in Port Grimaud sind international und so auch die Frauscher-Kunden hier am Ort: Franzosen, Belgier, Holländer, Deutsche, Schweizer, Russen und Engländer zählen zu den Kunden. Die Marke Frauscher zu internationalisieren ist an der Côte d’ Azur auf alle Fälle aufgegangen.

Hunderte von Häusern reihen sich wie an einer Perlenschnur aneinander. Fast jedes hat einen eigenen Liegeplatz und alle sind belegt. Segelboote liegen vertäut neben Motorbooten, französische Marken neben internationalen, kleine RIBs neben großen Yachten, alles ist hier vertreten. Und auch Stefan Frauscher hat die perfekte Wasserwohnung mit Liegeplatz. Er ist in drei Minuten im Büro, und am Abend genießt er die Abendsonne auf der Terrasse mit dem Blick auf die 1017 GT beim Rosé.

Wir passieren das Haus von Spoerry, selbstverständlich das Interessanteste mit bestem Blick und rundum Sonne – das Privileg des 1999 verstorbenen Erbauers. Mit der Sonne im Nacken verlassen wir den Hafen und fahren raus auf die Bucht von St. Tropez.
Die Uhrzeit ist günstig
Stefan Frauscher will mit mir auf einen Espresso ins Café Sénéquier und ein bisschen die Szene in St. Tropez schauen. Die Uhrzeit ist günstig. Gerade verlassen die Segler der Voiles de St. Tropez den Hafen und wir finden einen Liegeplatz direkt vor dem Café.
Kaum haben wir festgemacht, werden wir angesprochen. Ein Ehepaar will mehr über die 1212 Ghost wissen. Das Boot mit dem unverwechselbaren Design erregt Aufsehen. Solche Boote sieht man hier selten, Frauscher hat so gut wie keine Mitbewerber.

Die Ausfahrt nach St. Tropez gehört für das Frauscher-Team zum festen Programm in der Saison. Denn wie kann man besser auf sich aufmerksam machen, als die schönen Produkte live zu präsentieren, findet Stefan Frauscher. Die potenzielle Kundschaft flaniert direkt vorbei.
Das Frauscher-Rezept
„Wer mehr versucht, hat mehr Chancen“, sagt der erfahrene Sales-Manager. „Wir suchen immer den direkten Kontakt. Wir wollen unsere Kunden vom Boot überzeugen.“ Und wie macht man das? „Finde heraus, was dein Kunde auf dem Boot machen will“, ist seine Antwort.
Der Bekanntheitsgrad der österreichischen Werft ist im deutschsprachigen Raum am größten. Spanien ist mit Mallorca ein wichtiger Stützpunkt, gefolgt von Frankreich. Auch Florida in den USA ist ein guter Markt, in anderen Ländern kennen die Marke vor allem Bootsbegeisterte. Mallorca ist nach wie vor der größte Markt.
Doch dieses Jahr hat das französische Team etwa dasselbe umgesetzt wie auf Mallorca. 12 Boote, gebraucht und neu, etwa halbe-halbe. „Da sind wir schon ziemlich weit vorne.“ Für 2023 ist die Werft bereits komplett ausgebucht, für 2024 schon zu 30 Prozent.

Wir nehmen einen Aperitif, Stefan Frauscher hat das Boot im Blick. Er hat einen guten Stand hier im Hafen und reagiert sofort – nicht nur auf potentielle Kunden, sondern auch auf die Hafenmeister. Hier ist permanent Bewegung, Boote legen im Minutentakt an und ab.
Wir lassen den Anker fallen
So auch wir. Zum Mittagessen sind wir in der Strandbar Les Graniers verabredet. Vorher schauen wir beim Start der Voiles de St. Tropez zu, an der auch Weltumseglerin Dee Caffari teilnimmt, wie ich erst später erfahre. In der kleinen Bucht liegen schon andere Boote. Wir lassen den Anker fallen und uns von einem Dinghi-Taxi übersetzen. Der Service gehört zum Lokal. Mit nackten Füßen nehmen wir am Tisch im Sand Platz.

Das Lokal ist voll, es ist noch warm um diese Jahreszeit. Stefan Frauscher führt hier gerne seine Kunden aus, wenn er auf der Probefahrt zeigt, was man mit einer Frauscher alles tun kann. Bei gutem Essen und Rosé versteht man, warum man an der Côte d’Azur ein Boot braucht – und warum ein Frauscher-Boot aus Sicht des Werftchefs die beste Wahl ist. Die 1212 Ghost macht sich sehr gut zwischen allen Booten, die vor uns im Wasser schaukeln.
La Vie en rose
Der Dinghifahrer möchte gerne eine Frauscher-Cap kaufen, als er uns zurück zum Boot bringt. Stefan Frauscher schenkt ihm seine. Das Besondere an dieser familiengeführten Werft ist die Freundlichkeit, mit der man anderen Menschen begegnet. Sie unterscheiden nicht, und diese Nahbarkeit macht Frauscher so sympathisch. Andere Werften bauen auch schöne Boote, aber hier ist der Umgang persönlich. Auch das gehört zur Marke Frauscher.

Wir liegen noch ein bisschen vor Anker, der Kühlschrank verspricht noch einen gut gekühlten Apéro. La Vie en rose klingt aus den Lautsprechern. Die Sonne steht schon tief, als wir in den Hafenzurückkehren.