Bei besten Bedingungen und hervorragend organisiert machten mehr als fünf Dutzend klassischer Holzboote bei den 25. Hamburg Summer Classics spektakulär Werbung für den Segelsport. Im Jubiläumsjahr des Hamburger Segel-Clubs (HSC) – unser Jubiläumsbericht folgt in Kürze – präsentierten sich viele bestens erhaltene, teils wunderschön restaurierte Schmuckstücke – das älteste war eine Schweriner Einheitsjolle von 1921.
Nicht nur im Hafen, auch auf dem Wasser zeigten sich die Boote und deren Crews bei insgesamt vier Wettfahrten von ihrer besten Seite. Internationale Gäste kamen unter anderem aus Österreich, Chile und Australien – und aus Bayern, die nach Yardstick im Känguru-Startverfahren über den bewährten Außenalster-Parcours des Hamburger Segel-Clubs geschickt wurden.
Süden siegt
Und wieder machte, wie im vergangenen Jahr, eine Plätte aus dem Süden den Norden platt. Sieger wurde Manfred Götz vom Chiemsee auf seiner Chiemsee-Plätte: Trotz einer Anpassung der Yardstickzahl gegenüber dem letzten Jahr, als gleich zwei dieser (ursprünglich als Fischerkähne konstruierten) Boote die ersten Plätze belegt hatten, stand Götz als Sieger schon am ersten Wettfahrttag fest – mit zwei ersten und einem zweiten Platz am Samstag.
Götz beherrscht nicht nur sein Boot erstklassig, sodass sein Sieg verdient und unangefochten war, sondern er weiß auch mit den Tücken des einmaligen Hamburger Stadtreviers immer besser umzugehen. Es hat sich für ihn also – wieder einmal – gelohnt, ein paar Tage vor dem Wettkampf anzureisen, um vor Ort in der Hansestadt zu trainieren.

Buntes Hamburger Allerlei
Auf Rang 2 platzierte sich überraschend der Alt-Crack im Flying Dutchman Manfred Schreiber aus Schleswig mit seinem fast 30 Jahre alten Sperrholz-Seggerling, gefolgt von Andreas Jungclaus und Bruno Laudage auf ihrem formverleimten 505er, der – neben einem ebenfalls gestarteten formverleimten alten FD – eher noch ein „Youngtimer“ vor Ort war.
Ob auch diese Klassen in das erlesene Feld traditionell gebauter Mahagoni-Preziosen wie J-Jolle, H-Jolle und Hansajollen, aber auch Drachen, Jollenkreuzer und Schärenkreuzer passen, darüber sollten die Organisatoren dieser schönen Veranstaltung zumindest einmal ernsthaft diskutieren.
Einen schönen Effekt aber hatte die große Vielfalt: In den unterschiedlichen Bootsklassen, insgesamt 25 teils sehr skurrile Sonderpreise, um die die mehr als sechzig Crews während der Hamburg Summer Classics 2017 segelten.
Die Chiemsee-Plätte
Die Chiemsee-Plätte ist ein Segelboot, das sich aus einem Arbeitsboot entwickelt hat, dem schmalen und langen Chiemsee-Fischerboot. Anfang der 1920er-Jahre kamen aus München viele Kunstmaler zum Chiemsee und auf dessen Fraueninsel. Sie haben es sich dort gutgehen lassen und manche meinten, dass man auf einen der dortigen Fischerkähne auch ein Segel anbringen könnte.

Die am See ansässigen Berufsfischer hatten damit zunächst nichts am Hut: Sie mussten auf dem Wasser arbeiten und hatten keine Zeit für solchen „Blödsinn“. Aber daraus ist dann die Plätte entstanden. Heute gibt es noch 17 Berufsfischer am Chiemsee – und ihre Boote sind inzwischen zwar alle aus Alu, aber die Rumpfform ist die gleiche wie bei der historischen Plätte.
Vom Künstlerspaß zur Einheitsklasse
In einem Artikel zum 10-qm-Einheitsboot vom Chiemsee von 1933 in der Zeitschrift Yacht betonte man dessen positive Eigenschaft, „auch den weniger Bemittelten das Segeln und insbesondere den Wettsegelsport zu ermöglichen“. Für die einheimischen Fischerboote wurden im Laufe der Jahre verschiedene interne Vermessungsvorschriften herausgegeben.
„Die Erfolge einzelner dieser Boote halfen, allmählich einen Typ auszubilden, der eine Garantie für Seetüchtigkeit und gute Geschwindigkeit bot.“ kommentierte der Journalist vor 84 Jahren die aktuelle Entwicklung am Chiemsee. Bereits Anfang der 1930er-Jahre gab es größere Regattafelder, für die der Chiemsee-Yacht-Club schließlich im Herbst 1932 eine Einheitsklasse etablierte.

„Diese Pfütze musst Du erst mal kennen“
Summer Classics-Sieger Manfred Götz über schöne Glasenuhren, flache Gewässer und seinen Weg nach Hamburg
float: Herr Götz, Gratulation zum unangefochtenen Sieg! Nun haben Sie wieder die schöne Glasenuhr gewinnen können.
Manfred Götz: Ich musste gewinnen, denn ich hatte mich nach meinem ersten Sieg zu Hause schon sehr an die Glasenschläge der Uhr gewöhnt. Wunderbar. Und ich hoffte natürlich, dass ich sie wieder gewinne. Und jetzt hab ich sie wieder.
float: Wann ist Ihr Schiff gebaut worden?
Vor sieben Jahren, also 2010, vom Bootsbauer Jakob Grünäugel aus Gstad am Chiemsee, der den „Mercedes“ unter den Plätten baut.
float: Und das ist alles aus Sperrholz?
Um Gottes Willen! Chiemsee-Plätten sind niemals aus Sperrholz. Meine ist aus nordamerikanischer Zeder, das ist ein bisschen Sonderwunsch. Normalerweise wird so ein Boot aus gut abgelagerter und abgetrockneter bayerischer Fichte gebaut. Mein Zedernholzboot wurde mit ein paar kleinen erlaubten Sonderwünschen gefertigt.
Obwohl es keine reine Einheitsklasse ist, haben wir Regeln, was gemacht werden darf und was nicht. Ich habe etwas längere Bänke hinten drin, über dem Schwertkasten eine längere und breitere Abdeckung, damit ich die Haxen besser runterstecken und ausreiten kann. Aber ansonsten ist alles geregelt bei der Chiemsee-Plätte.
float: Was hat Sie nach Hamburg getrieben?
Meine Tochter, die hier in Hamburg studiert hat. Eigentlich aber auch ein Fernsehfilm, bei dem es um eine Radltour in Hamburg ging. Und diese Radler sind hier am Club an der Alster vorbeigefahren, wo eine Holzbootregatta lief. Da habe ich gedacht: Dann besuchst Du deine Tochter und fragst sie. Es muss irgendeinen Segelverein bei euch an der Außenalster geben – bitte erkundige dich mal, das tät mich interessieren. Damals war auch noch der Horst da …
float: … der inzwischen verstorbene Horst Reuter, der mit seiner Frau Hilke die Summer Classics 20 Jahre lang organisiert hat …
Und da habe ich dem a‘ Brieferl geschrieben und ein Foto beigelegt, wie mein Schifferl ausschaut. Und der hat dann gesagt: „Kümm her!“ Das ist inzwischen zehn Jahre her.
float: Und wie oft haben Sie bisher die Summer Classics gewonnen?
Ich hab’ die ersten Jahre viel Lehrgeld bezahlt. Also, diese „Pfütze“ musst Du erst mal kennen. Und ich hab mich langsam vorgearbeitet. Vor drei Jahren habe ich zum ersten Mal über alles gewonnen, letztes Jahr hat mein Freund Stefan gewonnen, ich war zweiter. Dieses Jahr konnte er nicht.
float: Bis wieviel Wind geht es?
Ich bin hier schon Regatten mitgefahren, da waren in Böen sieben Beaufort. Aber da segelst Du nimmer, da fängst Du nurmehr das Beten an.
float: Bei der Regatta sind sieben Boote gekentert, zwei gingen auf Grund – aber die Plätte nicht. Wodurch ist das bedingt? Ihr Können? Welche Bedingungen kommen Ihnen entgegen?
Ums Können geht es nicht nur. Ich habe auch Glück gehabt. Für die Plätte ist flaches Wasser und wenig Welle schon gut. Aber wenn Du hier die Welle reinkriegst auf einem bestimmten Kurs, dann „schwobt“ die Welle so vorne über den Bug, und dann kriegst Du schon mal schnell zehn Liter Wasser rein. Wenn das dreimal hintereinander passiert, dann hast Du ein Problem. Also schaust Du zu, dass Du einen anderen Kurs wählst und am Leben bleibst.