Die Atlantikpassage auf eigenem Kiel gilt als eine der letzten großen Abenteuer dieser Zeit. Auch wenn jedes Jahr hunderte Yachten den Sprung über den großen Teich wagen, muss die Überquerung gut geplant und vorbereitet sein.
Vieles war bei uns auf der Dilly-Dally anders gelaufen als geplant. Manche Erwartungen wurden erfüllt, andere übertroffen, oft wurden wir aber auch kalt erwischt. Einiges haben wir unterschätzt oder schlicht falsch eingeschätzt. Manches würden wir heute anders machen. Unsere Erfahrungen wollen wir gerne teilen. Nach den Vorbereitungen in Teil 1 der Serie geht es in diesem Teil um den Start, die Zollformalitäten, den Faktor Zeit, die ersten Nachtfahrten und die Stromversorgung.
Start mit Schwierigkeiten
Vor dem Atlantik kommt das Mittelmeer. Und das hat es in sich. Auf unserer kleinen Odyssee von der Türkei im Osten des Mittelmeeres bis zum westlichen Tor bei Gibraltar sind es gut 2.500 Meilen. Wochen und Monate auf See, die wir als Vorbereitung für den Atlantik nicht missen möchten. Auch, wenn wir manchmal kurz vor dem Verzweifeln waren. Viele Reparaturen, Instandsetzungen und Investitionen fielen an. Aber wie sagte Arzum, meine Freundin, immer so schön: „Besser jetzt als auf dem Atlantik.“ Wohl wahr!

Als wir endlich Mitte Juli 2022 in Griechenland einchecken, haben wir bereits 200 Seemeilen auf der Logge und drei Wochen hinter uns, liegen aber nur zwei Seemeilen von unserem Ausgangshafen in Kaş an der Südküste der Türkei entfernt auf der östlichsten griechischen Insel Kastellorizo. Arzum kann sogar mit dem Fernglas ihre Mutter auf dem heimischen Balkon sehen. Wie kann das sein?
Nach unserer ursprünglichen Planung hätten wir zu diesem Zeitpunkt längst Athen im Kielwasser haben sollen. Aber sind Pläne nicht ohnehin dazu da, um sie über Bord zu werfen? Ja und gleichzeitig nein! Zwar segeln wir gerne nach der Devise „Der beste Plan ist keinen zu haben“, da Wetter, Wind und Welle langfristig ohnehin die Route vorgeben.
Schnapsidee
Ganz ohne Plan geht es dann aber doch nicht. Und der besagt, dass wir gegen Weihnachten von den Kapverden aus den Atlantik überqueren wollen. Zusammen mit zwei weiteren Booten, die ebenfalls aus Kaş aufgebrochen sind. Das eine ein paar Wochen vor uns, das andere ein paar Wochen nach uns. Irgendwo auf dem Weg wollen wir uns treffen. Spätestens in Marokko.
Die anfängliche Idee, dass alle drei Boote die gesamte Strecke bis in die Karibik gemeinsam zurücklegen, war eine unrealistische Schnapsidee. Mal musste das eine Boot auf Ersatzteile warten, mal das andere aus dem Wasser gehoben werden. Hätten die anderen jeweils gewartet, wären wir wahrscheinlich immer noch irgendwo im Mittelmeer.
Lektion 1
So schön das Segeln in einer kleinen Flottille auch ist, auf langen Schlägen ist gemeinsames Reisen kaum realisierbar. Denn nicht der Skipper gibt Tempo und Route vor, sondern Reparaturen und das Schicksal. Wer gerne wegen des Gefühls der Sicherheit in einer Gruppe segeln will, dem sei für die Atlantik-Passage die ARC oder das individuellere Pendant Viking Explorers Rally empfohlen.

Aber keine Sorge, wer an keiner organisierten Rally teilnehmen möchte, der findet in den klassischen Absprunghäfen auf den Kanaren, den Kapverden oder Gibraltar genügend Boote mit dem gleichen Ziel.
Immer Ärger mit dem Zoll
Unsere Verzögerung gleich zu Beginn der Langfahrt hatte bürokratische Gründe. Bei der Ausreise aus der Türkei meinte der Zoll, eine Altlast auf dem Boot entdeckt zu haben, die der Vorbesitzer mir unbekannterweise hinterlassen hatte. Angeblich hätte sich der Südafrikaner zu lange mit dem Boot in der Türkei aufgehalten, bevor er mir im Spätsommer 2018 die Dilly-Dally verkauft hatte.
Da er aber bereits vor Jahren ausgereist und somit nicht greifbar war, die Moody 425 aber immer noch in türkischen Gewässern weilte, meinte der Zoll, der neue Eigner, also ich, sollte die Strafe zahlen. Wir reden hier nicht von Peanuts, sondern von einem fünfstelligen Betrag.
Das Absurde ist, dass das Gesetz, auf das der Zoll sich bezog, eigentlich für Autos gilt, dummerweise in den Paragraphen aber nur von „Fahrzeugen“ die Rede ist, was wiederum einige klamme Provinzen (wie Muğla im Südwesten der Türkei) kürzlich dazu veranlasste, das Gesetz auch auf schwimmende Fahrzeuge, also Boote, auszuweiten. Der Voreigner hatte also gar nicht gegen ein Gesetz verstoßen, es wurde damals schlicht anders interpretiert.
Lektion 2
Viele Langfahrtsegler kaufen erst kurz vor ihrem Abenteuer ein Boot. Unbedingt alle Papiere auf Vollständigkeit und Altlasten checken lassen, um ein böses Erwachen zu vermeiden.
Die Zeit rennt
Um den Start unserer Langfahrt nicht durch ein riesiges Loch in der Bordkasse zu gefährden, mit dem Potenzial das Boot samt Crew in einem Strudel aus Paragraphen auf den Meeresgrund zu ziehen, mussten wir noch einmal umdrehen. Denn Kaş, unser Heimathafen, liegt in einer anderen Provinz (Antalya), in der das besagte Gesetz auf Boote noch nicht angewendet wurde.