Seekrankheit wird manchmal belächelt. Dabei ist sie eine ernsthafte und nicht zu unterschätzende Krankheit. Nicht umsonst heißt es: „Wenn du denkst, du stirbst, dann bist du nicht seekrank. Wenn du wirklich seekrank bist, dann willst du sterben.“ Daher kursieren auch viele Anekdoten, wie Crewmitglieder tagelang eingesperrt oder an Deck gesichert werden mussten, damit sie ihrem Leiden kein Ende setzen können. Hinzu kommt, dass Seekranke oft weder Nahrung noch Flüssigkeit bei sich behalten können und daher drohen, zu dehydrieren.
Angst schlägt auf den Magen
Wem nur ein bisschen blümerant wegen der Wellen ist, der ist im eigentlichen Sinne nicht seekrank. Oftmals ist es eher die Psyche, die auf den Magen schlägt, dann wenn Angst oder Unbehagen ein Gefühl der Ohnmacht auslösen.
Wer Angst vor der Herausforderung hat, der sollte sich das Abenteuer einer Atlantiküberquerung noch einmal gut überlegen. Denn einmal abgelegt, gibt es kaum ein Zurück mehr gegen den Passatwind und die Welle. Eines sollte hingegen nicht fehlen: der Respekt! Respekt vor den Gewalten der Natur. Respekt vor der enormen Beanspruchung für Mensch und Boot. Respekt vor der Crew.
Großen Respekt hat sich auf unser Fahrt ein Freund aus der Türkei verdient, der uns von Almerimar bis in die Karibik begleiten wollte. Er hat großen Mut bewiesen, weil er eine Schwäche zugab. Serkan war mein Bootsnachbar in der Türkei, seit mehreren Jahren lebt er auf seinem Boot, kennt die türkische Küste wie seine Westentasche, hat viele hundert Meilen einhand im Mittelmeer bestritten. Seekrankheit, das war für ihn bislang ein Fremdwort.
Serkan wird still
Mit der Atlantikwelle kam er aber nicht klar. Auf dem Weg von Gibraltar auf die Kanaren haderte er bereits, kämpfte sich aber wacker durch. Als wir auf dem Atlantik eine Plane mit der Schraube einfingen, ging er mitten auf dem Ozean kurz vor Sonnenuntergang ins Wasser und befreite uns. Er biss die Zähne zusammen, wollte sich sein Unwohlsein nicht anmerken lassen.
Auf der nächsten Etappe zu den Kapverden wurden die Wellen immer höher. Und Serkan immer stiller. Von Tag zu Tag verlor er an Kraft, vegetierte vor sich hin, ohne sich zu beklagen. Wir entbanden ihn von seinen Schichten. Ihm war das peinlich. Er kam, um uns zu helfen, jetzt hatte er das Gefühl, eine Belastung zu sein. An manchen Tagen konnte er sich nur mühsam auf den Beinen halten.
Er wusste, dass er unter diesen Bedingungen keine Verantwortung übernehmen konnte. Und das sagte er auch so. In meinen Augen macht ihn das ganz stark. Auf den Kapverden angekommen, teilte er uns mit, dass er die Reise nicht mit uns fortsetzen wird, sondern zurückfliegen will in die Türkei. Er sah sich selbst als Risiko.
Da wir ohnehin auf den Kapverden Verstärkung aus Deutschland bekamen, fanden wir Serkans Mut, seine Schwäche zuzugeben, bewundernswert.
Lektion 12
Seekrankheit kann jeden erwischen, auch den noch so versiertesten Segler. Seekrank zu werden ist keine Schwäche, sie zuzugeben aber eine große Stärke. Denn wer wirklich seekrank ist, der kann an Bord kaum helfen.
Wichtig ist, ehrlich zu sein, gegenüber sich selbst, gegenüber der Crew. Mit übertriebenem Ehrgeiz ist niemandem geholfen. Sollte sich jemand an Bord nicht fit genug fühlen, um eine Wache zu übernehmen, sollte er von den Pflichten entbunden werden. Zum Wohle aller!
Reparaturen und Ersatzteile
Wie bereits erwähnt, haderten wir im Mittelmeer mit vielen Reparaturen. Und immer wieder fiel der Satz: „Besser hier als auf dem Atlantik.“ Und genauso war es dann auch. Während der Passage hatten wir so gut wie keine Probleme. Mal überhitzte das Relais am Watermaker, die Salzwasser-Fußpumpe in der Pantry tropfte und die elektrische Süßwasserpumpe versagte. Kein Drama. Befreundete Crews hatten da schon mehr Probleme. Den einen riss der Spinnaker, anderen zerbarst der Spibaum, wieder anderen der Traveller. Schäkel gaben den enormen Dauerbelastungen nach, Schoten zerlegten sich. Wieder andere hatten Wasser im Boot.
Natürlich sollte man versuchen, so viele Ersatzteile wie möglich an Bord zu haben, gerade die, die verschleißen. Aber am Ende wird immer etwas kaputt gehen, das gerade nicht mit Bordmitteln ersetzt werden kann. Ein Gesetz der See, so scheint es. Wichtig ist daher, viel Werkzeug an Bord zu haben, um improvisieren zu können.
Die beste Investition, die wir getätigt haben, war einerseits vor der Abreise noch einmal unseren Segelmacher des Vertrauens, Sven Kraja aus Schleswig, besucht zu haben, der uns nicht nur mit allen notwendigen Materialien für Reparaturen an den Segeln ausstattete, sondern uns auch den genauen Umgang damit erklärte.