Sie dreht sich doch: Die etwa 30.000 Tonnen schwere Eisplatte auf dem Lappajärwi-See beginnt langsam zu kreisen. Das muss sie auch: Erst wenn sie mindestens einmal um die eigene Achse rotiert ist, gilt sie offiziell als Eiskarussell und wird als Rekordversuch gewertet. 310 Meter misst die Scheibe im Durchmesser.
Der Finne Janne Käpylehto hat ein abgedrehtes Hobby: Wenn im immer später startenden nordischen Winter tausende finnische Seen dick zugefroren sind, schneidet er mit der Motorsäge riesige Kreise in die Eisdecke und bringt die gewaltige Scheibe anschließend zum Drehen. Mehr als 60 der riesigen Eisräder hat er nach eigenen Angaben seit 2017 erschaffen. Und sie wurden immer größer.
Vor drei Jahren hatte Janne bereits ein dickes Loch gebohrt. Mit 120 Meter Durchmesser war seine Sägearbeit das größte Eiskarussell der Welt. Doch dem selbsterklärten Erfinder dieser Disziplin waren die Herausforderer aus Minnesota auf den Spuren. Der ein Jahr später ausgesägte Eis-Diskus der Amerikaner maß 225 Meter im Durchmesser. Janne verlor seinen Titel wieder.
Ganzes Kreuzfahrtschiff könnte darin ankern
Jetzt steht es 2:1 im Sägerennen von Finnland und USA. Mit 310 Meter Durchmesser ist das neue Eiskarussell von Janne Käpylehto aus dem hohen Norden beträchtlich größer als alles, was die Menschheit zuvor aussägte. Zum Vergleich: Ein ganzes Kreuzfahrtschiff der Post-Panamax-Klasse könnte in dem Kreis bequem vor Anker gehen.
Doch Gigantomanie ist nicht der Fokus des Eissäger. Innerhalb des großen Karussels gibt es ein kleines, das in umgekehrter Richtung rotiert. Die „kleine“ Scheibe lässt Janne Käpylehto von einem Elektromotor antreiben. Für die große muss mehr Power ran: Zwei 20-PS-Außenborder bringen das riesige Rund in Fahrt.
Eine ganze Woche waren sie allein mit der Vorbereitung beschäftigt. „Es gab ein bisschen Schnee wegzuräumen, 50 Zentimeter hoch!“, so Janne gegenüber float. Für das Aussägen selbst genügten auch die bisher genutzten Motorsägen nicht mehr. Jannes Team verwendete daher auch zwei selbst gebaute Sägen, „Hurrikan“ und „Der rote Teufel“ genannt. Sie kommen auch mit mehr als einen halben Meter dicken Eisflächen zurecht. Zu sehen ist das im aktuellen, gerade veröffentlichten Video der Sägearbeiten.
„Nächstes Jahr ein Kilometer Durchmesser“
Was den Abstand zu seinen US-amerikanischen Wettbewerbern angeht, macht sich der Finne keine Illusionen. Er bereitet schon den nächsten Schlag vor. „Nächstes Jahr machen wir ein Karussell mit einem Kilometer Durchmesser“, gibt er gegenüber float auf. Der Zirkus auf dem Eis wird buchstäblich immer größer.
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Sein Eis-Festival mit Buden auf dem Wasser, das in den vergangenen Jahren auch etwas Geld in die Kasse brachte, liegt seit dem Start der Pandemie allerdings buchstäblich auf Eis. Im nächsten Jahr könnte er wieder etwas werden.
Janne, der sich als Erfinder und Autor bezeichnet, machte schon in der Vergangenheit mehrfach durch aufsehenerregende Installationen von sich reden.So sägte er nahe Helsinki zum 100. Jahrestags der Staatsgründung ein Karussell aus.
Während des finnischen Sommers ist Janne ebenfalls nicht untätig: 2020 fuhr er per Boot nur mit Solarkraft und einem Elektro-Außenborder des Typs Torqeedo Cruise über die Ostsee. Für die 90 Kilometer lange Strecke von Helsinki nach Tallinn verbrauchte er 16 kWh Energie. Zwölf davon lieferten alleine die Solarpaneele, vier weitere wurden dirket während der Fahrt produziert.
Zwei Jahre zuvor ließ er es – auf gleicher Strecke – heiß angehen. Im August 2018 überquerte er die Ostsee mit einer schwimmenden Sauna, und zwar „verrückt, gefährlich und aufregend“ von Helsinki nach Estland. Dabei schwappte es bedenklich, als das Pontonboot die Ostsee nahe dem Kurs großer Passagierfähren überquerte. Zum Glück kamen alle – Janne, Sauna und Saunagäste – heil an.
Auch das 1.000-Meter-Karussell genügt Janne Käpylehto noch nicht: „Wir werden da ein Saunadorf, Restaurants und Licht-Skulpturen draufstellen.“ Ob das die Amis endgültig auf Eis legen wird? Wohl kaum. Wir dürfen uns also demnächst über noch größere Eiskarusselle mit noch verrückteren Effekten freuen. Noch. So lange es auf Erden knackig friert.