Der Klimawandel erreicht den Sport: Eissegeln, eine der schnellsten Arten, sich auf dem Wasser fortzubewegen, wird für die deutschen Athleten immer schwieriger. Was tun die deutschen Eissegler jetzt, kurz vor der geplanten Weltmeisterschaft in Schweden? Sie warten auf die tägliche Eismeldung – und hoffen auf genug Eis.
Und sie gehen zwischenzeitlich zum Trainieren ins Exil, nach Südtirol. Doch am Reschensee, wo nach Jahren der Eisflaute die inoffizielle Deutsche Meisterschaft austragen wurde, kam es zum Unglück. Denn nicht der gesamte See war zugefroren.
Die Fakten scheinen eindeutig: Die sich verändernden Klimabedingungen, die im Sommer auch dem übrigen Wassersport zu schaffen machen, sorgen immer häufiger dafür, dass Eissegler in Deutschland immer weniger mit den idealen eiskalten Bedingungen auf den heimischen Seen rechnen können.
Drei Jahre ohne Meisterschaft
Scharfe Kufen auf blankem Eis betitelte float vor einem Jahr die Reportage über das Eissegeln. „Bald geht’s wieder los“ hieß es, nach zwei endlosen heißen Sommern. Los ging es dann anderswo – viel weiter im Norden. Was macht der Klimawandel mit dem Eissegeln?
In der Saison 2018/2019 konnte im eigenen Land nicht gesegelt werden, und auch die Deutsche Meisterschaft der deutschen DN-Flotte wurde gestrichen.

Eissegler Michael Oswald muss für seinen Sport oft weit reisen, dem Eis hinterher, wie er im Gespräch mit float sagt. „Das sind schon mal hunderte von Kilometern und mehr, um in Masuren in Polen, im Baltikum, Russland, Schweden oder Finnland zugefrorene Seen zu erleben.“ Dänemark als Ausweich-Revier reicht nicht mehr.
Ein Eissegler aus Dänemark kommentiert nach Veröffentlichung des Beitrags auf Facebook: „Wir haben gerade den wärmsten Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor zwei Jahrhunderten. Mein Eissegler ist jetzt seit fünf Jahren nicht mehr auf dem Eis, da die Ostsee bei meiner Insel nicht mehr zufriert. Früher war hier jeden Winter genug Eis.“
Selbst im Februar, wo eigentlich zumindest im noch einigermaßen nahegelegenen baltischen Raum meist mit zuverlässigen Eisvorkommen zu rechnen war, irrten die willigen Teilnehmer zur Euromeisterschaft 2019 durch das Baltikum. Sie fand schließlich auf dem Spirdingsee stattfand, also in Masuren. Die letzte Deutsche Meisterschaft war vor drei Jahren auf dem Bodden vor Usedom.
Das Klima verändert sich
Auf Nachfrage hat auch Bernd Zeiger aus Kiel, Landessekretär der Deutschen DN-Eissegel-Flotte, festgestellt, dass sich die ersten Regatten aus klimatischen Veränderungen um gut zwei Wochen von der 44. Woche Ende Oktober bis Mitte November verschoben haben. Und man muss weit bis nach Schweden fahren. Oft noch rund 500 km von Stockholm aus auf der E 4 in nördlichere Gebiete bis nach Falun oder Sandviken.

Früher herrschten zumindest in Polen schon früh gute Trainingsbedingungen. Nun muss man feststellen, dass sich auch hier die Kälte sehr viel später einstellt, bis zu drei Wochen. Vor Weihnachten gab es selbst in Schweden kein Eis. Und in Finnland nur auf kleineren Seen, kaum größer als die Alster in Hamburg. Sogar in Amerika, in Minnesota, hat die aktuelle Saison mit einer Woche Verspätung begonnen. Für Zeiger wird es in Zukunft ein Thema werden, Meisterschaften zu bündeln und terminlich zusammenzulegen.
Ein Diplom-Meteorologe kommt zu Wort
Deutsche Meisterschaften sollen bei uns an einem zweiten segelbaren Wochenende auf einem Revier mit einer Fläche von mindesten 3 x 3 km stattfinden. Ob es dazu kommen wird, ist sich selbst unser Kieler Wetterexperte, Diplom-Meteorologe Sebastian Wache, auf Nachfrage von float nicht sicher. Für ihn spielen hier zu viele Faktoren eine Rolle, sei es im Klima oder im Wetter.

Schaut man sich das Klimamittel für den Dezember an, so war es im abgelaufenen Jahr 2019 fast 4 Grad Celsius zu warm. Klimatechnisch hat sich in den letzten Jahren immer deutlicher gezeigt, dass sich bestimmte Wetterlagen festfahren und seltener aufgebrochen werden. So scheint sich diese aktuelle Lage mit den recht milden Werten wohl noch eine Zeit lang weiter zeigen, ist Wache sich sicher.
Warten auf kalte Luft aus Russland
Dabei kann es durchaus zwischendurch, so der Wetterexperte, auch mal kühlere Phasen geben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich nicht auch einmal ein harter Winter zeigen kann. Das käme dann vor, wenn die Wetterlage mit einem starken Skandinavienhoch so günstig ist, dass kalte Luft aus Russland und dem Baltikum zu uns strömen kann. Wenn diese Lage erst einmal anhält, dann könnte es mit Chance etwas länger so bleiben.

Aber dazu spielten, so Sebastian Wache, unter anderem auch die Stratosphäre sowie eine mögliche Erwärmung dort oben zwischen 10 und 50 km Höhe ein Rolle. Die müssten sich aber schon massiv und weitreichend spätestens Anfang Januar einstellen. Nur so wäre mit einer Strömungsumkehr zu rechnen, die sich rund zwei Wochen dann auch am Boden zeigt. Dann könnte es reichen. Dazu ist es aber bisher zu warm.