Explosiv und hochgiftig: Noch immer liegt Munition aus dem Zweiten Weltkrieg in gewaltigen Mengen auf dem Grund von Nord- und Ostsee. Nach Jahrzehnten der Untätigkeit soll es im kommenden Jahr nun endlich losgehen: Ein Pilotprojekt der Bundesregierung soll untersuchen, wie der gefährliche Müll am besten aus dem Meer geholt und entsorgt werden kann.
float hat darüber mit Mareike Kampmeier, PHD beim Geomar Helmholtz Centre for Ocean Research gesprochen, die die Pilotbergungen wissenschaftlich begleiten wird.
Aus den Augen, aus dem Sinn
float: Frau Kampmeier, wie ist die Munition in die deutschen Küstengewässer gelangt?
Mareike Kampmeier: Munition wurde in die Meere durch Kampfhandlungen während des Krieges eingelagert. Das sind Blindgänger, wie man sie auch immer wieder an Land findet. Aktuell gibt es Eintrag durch Übungsmunition der Bundeswehr. Diese sind jeweils einzeln verstreut. Der weitaus größte Teil liegt aber in den Munitionversenkungsgebieten. Das ist die Munition, die sich nach dem Krieg noch in den Munitionsdepots befunden hat.
Die sollte delaboriert, also unschädlich gemacht werden. Es war aber so viel, dass die Kapazitäten überschritten wurden, das alles auseinander zu nehmen. Die Alliierten entschieden daher, die Munition aus Depots in ganz Deutschland auf Schiffe zu bringen, um sie im Meer zu entsorgen. Dafür wurden Versenkungsgebiete definiert.
Von welcher Menge an Munition reden wir?
Wir haben unsere Untersuchungen im Gebiet der Kolberger Heide, etwa zwei Kilometer vor Heidkate am Ausgang der Kieler Förde, begonnen. Dort haben wir über 1000 Munitionskörper festgestellt. Wir hatten gedacht, das ist jede Menge. Aber dann sind wir in die Lübecker Bucht gegangen und haben gesehen, da liegt noch viel, viel mehr.
Es gibt Berichte – wohl von 2010 –, da wurde die Zahl von 1,6 Millionen Tonnen Munitionsaltlasten in deutschen Gewässern aufgestellt. Davon sind 300.000 Tonnen in der Ostsee. Das Problem ist: Wir kommen an diesen Bericht nicht ran. Alle zitieren ihn, aber niemand hat den Bericht. Wir können also nicht 100-prozentig sagen, ob diese Zahl stimmt. Für die Lübecker Bucht sollen es 50.000 Tonnen sein.
Wir versuchen, mit unserer Arbeit an diese Zahl heranzukommen. Was allerdings nicht so einfach ist, weil wir noch nicht alle Verdachtspunkte verifizieren konnten und nicht wissen, wie viel noch im Sediment liegt, was wir nicht sehen können. Aber 50.000 Tonnen in der Lübecker Bucht ist realistisch.
Lässt sich sagen, mit welchen Arten von Munition man es zu tun hat?
Man weiß, wo die Versenkungsgebiete sind, aber man kannte bis vor kurzem die Inhalte nicht. Der Munitionsräumdienst weiß ein bisschen, die Bundeswehr auch. Aber die machen keine großflächige Kartierung, weil die für Altlasten nicht zuständig sind. Deshalb war es lange nicht bekannt, was dort alles liegt. In Rahmen von Forschungsprojekten haben wir die Gebiete hochauflösend kartiert und tragen nun zusammen, was dort wirklich alles ist. Über Fotos können wir zeigen, wie es aussieht.