Die Traditionalisten hatten sich zu früh gefreut: Nachdem für den kommenden America’s Cup Einrumpfboote vorgeschrieben worden waren, frohlockten viele Fans. Sie nahmen an, die berühmte Regatta würde nun endlich wieder zum Segeln auf die gute, alte Art zurückkehren, weg von den rasenden Sportgeräten, die eher schweben als schwimmen.
Pustekuchen: Kurz nach der Herausforderung wurde der neue AC-75-Monohull als Konzept vorgestellt. Was war das für ein Schiff! Nicht nur die konservative Fraktion machte große Augen.
Beim 36th America’s Cup, der im Februar 2021 im Hauraki-Golf vor Auckland (Neuseeland) starten soll, werden nun also erstmals AC-75-Yachten am Start sein. Es ist davon auszugehen, dass diese Konstruktionen während der gesamten Regatta übers Wasser fliegen werden.

Noch schwieriger zu segeln
Sie haben zwar nur den einen Rumpf – aber an seinen Seiten dicke Gelenke, über die seltsam geschwungene Arme mit riesigen Foils ins Wasser gesenkt oder daraus hervorgeholt werden.
Beim Segeln wird das gesamte Gewicht des Rumpfes jeweils von der Tragfläche in Lee aus dem Wasser gehoben. Die Boote sind direkte Nachkommen der foilenden Katamarane. Aber: Sie sind noch etwas schwieriger zu segeln.
Der 1,1 Tonnen schwere Foil, der gerade nicht im Wasser ist, tut Dienst als Luvballast, während sein Zwilling in zehn Meter Entfernung das Schiff aus dem Wasser stemmt. Die so erzielte wirksame Breite des Schiffs gibt ihm seine Power. Die elfköpfige Crew bringt nochmal bis zu 990 Kilo Ballast auf den Hebel.

Die Schiffe haben keinen Kiel
Die Schiffe haben keinen Kiel, sie fliegen tatsächlich nur auf dem Lee-Foil und den „Tragflächen“ des Ruders übers Wasser. Ein Balance-Akt wie bei einer riesigen „Moth“. Der Brite Ben Ainslie, einer der Herausforderer, räumte ein, dass er beim Training mit einem Übungsboot viel geschwommen ist.
Von acht Teams, die sich zur Herausforderung gebildet hatten, sind ein Jahr vor dem Cup nur noch drei übrig:
Britannia (Royal Yacht Squadron Racing, Team Ineos)
Luna Rossa (Circolo della Vela Sicilia, Team Prada Pirelli)
Amerian Magic (New York Yacht Club, Teams Bella Mente Racing, Quantum Racing)
Cup-Verteidiger Emirates Team New Zealand startet für die „Royal New Zealand Yacht Squadron“. Alle Teams dürfen zwei Boote bauen: Eines zum Testen und Lernen. Das zweite ist dann das Boot für die entscheidenden Wettkämpfe.

Vor 170 Jahren begann es
Es war ein weiter Weg vom Schoner „America“, der dem Cup seinen Namen gab, bis zum heutige Wettbewerb. Er begann – das wurde schon öfter erzählt – mit einem Rennen um die Isle of Wight anlässlich der Weltausstellung 1851. Ein paar amerikanische Geschäftsleute um den Gründer des New York Yacht Club wollten es den Engländern, die vor nicht allzu langer Zeit noch ihre Kolonialherren gewesen waren, einmal richtig zeigen.
Sie waren mit der neugebauten „America“ einer Einladung des angesehensten englischen Clubs, der Royal Yacht Squadron, gefolgt. Darin war von Freundschaft, aber nicht vom Regattasegeln die Rede. Industriell waren die Amerikaner auf der Weltausstellung mit Revolvern der Marke Colt, landwirtschaftlichem Gerät und einem begabten Schlossöffner, Mr. Briggs aus New York, vertreten. Insgeheim befanden sich die Vereinigten Staaten jedoch längst auf dem Weg zur bedeutenden Industriemacht.

Faule Ausreden der Briten
Zunächst fand sich kein Gegner für die „America“: Die britischen Gentlemen mochten nicht gegen dieses Schiff antreten. Schon bei der Ankunft vor Cowes war es seinem Empfangskomitee davon gesegelt. Auch als die Amerikaner ein Preisgeld von 10.000 Pfund auslobten, passierte nichts. Faule Ausrede der Briten: Die „America“ gehöre keinem einzelnen Gentleman, sondern einem Syndikat.
Erst als die angesehene Londoner „Times“ den Mut ihrer Landsleute anzweifelte, erklärte man sich bereit, die „America“ beim Club-Rennen um den 100 Guineas Cup der Königin mitsegeln zu lassen. „America“ startete als Letzte nach 14 britischen Yachten. Doch nach der Häfte der 58 Meilen hatte sie das Feld bereits zweieinhalb Meilen hinter sich – und siegte komfortabel mit 24 Minuten Vorsprung (andere Quellen sprechen von acht Minuten) vor der britischen „Aurora“.

Die prominente Zuschauerin Queen Victoria soll an Bord ihrer Yacht einen Offizier gefragt haben, wer denn Zweiter sei – worauf der Mann entgegnete: „Es gibt keinen Zweiten, Madam.“ Aber diese Andekdote ist vermutlich zu schön, um wahr zu sein.