„Aurora“ rechnerisch Sieger
Es gab durchaus einen ehrenvollen Zweiten: „Aurora“ war das kleinste Schiff der Flotte und hätte nach jeder Handicap-Formel der Welt rechnerisch vorn gelegen. Was der „America“ letztlich ihren Sieg eingetragen hat, das waren ihre radikalen, scharfgeschnittenen Linien, ihre dichter gewebten Baumvollsegel und das Können ihres Skippers Dick Brown, eines New Yorker Lotsen.
Besseres Material, bessere Konstruktion, seglerisches Können – das sollte die kommenden 160 Jahre das Erfolgsrezept bei America’s Cup bleiben. Dazu viel Geld und die Bereitschaft, mit harten Bandagen zu kämpfen, gern auch vor Gericht.

1857 starb John Cox Stevens, der von seinem Amt als Kommodore des NYYC zwei Jahre zuvor zurückgetreten war. Seine Erben übergaben dem Club den Cup und einen Brief: die 239 Worte lange Stiftungsurkunde, die berühmte „Deed of Gift“. Diese Urkunde ist bis heute gewissermaßen die Verfassung des America’s Cup. Sie legt unter anderem fest, dass der Cup ein freundschaftlicher Wettbewerb zwischen Ländern sein soll. Doch zugleich müssen es immer Clubs sein, die den Verteidiger herausfordern – und keine Einzelpersonen oder Regierungen.
Steinreiche Herausforderer
Der Herausforderer muss deshalb immer ein Club „eines anderen Landes“ sein. Für den kommenden Wettbewerb konnte also kein neuseeländischer Club den neuseeländischen Verteidiger herausfordern. Doch in Wirklichkeit sind es immer Personen, die als treibende Kraft hinter einer Herausforderung stecken. In den meisten Fällen steinreich: Harold S. Vanderbildt, Sir Thomas Lipton, Baron Marcel Bich, der „Hinterwäldler“ Bill Koch (der sich selbst als „hick from Kansas“ beschrieb), der Australier Alan Bond, der Schweizer Pharma-Milliardär Ernesto Bertarelli, der amerikanische Software-Milliardär Larry Ellison.
Die Club-Suche der Cup-willigen Multimillionäre und Milliardäre nimmt bisweilen bizarre Formen an. Vom Mercury Bay Boating Club, der 1987 noch nicht einmal ein Bootshaus besaß sondern nur einen Wagen am Strand, hatte man noch nie gehört, bis der Investmentbanker und Eigentümer der Insel Great Mercury, Michael Fay, seine Herausforderung startete. Larry Ellisons Leute sprachen 2001 mit einem halben Dutzend Yacht-Clubs in Kalifornien, bevor Ellison, bis dahin ein Fremdkörper im Segelestablishment, sich für den sehr bodenständigen Golden Gate Yacht Club entschied, um mit ihm den Genfer Club „Societé Nautique de Genève“ (Alinghi) herauszufordern.
Viel Geld, Ehrgeiz und Ego
Im kommenden Cup ist der italienische Club „Circolo della Vela Sicilia“ der Challenger of Record, dahinter steckt das Luna-Rossa-Team des Prada-Milliardärs Patrizio Bertelli. Der Gedanke, dass Clubs und keine Personen die Herausforderer sein sollen, war gut. Aber er bildet nur eine Art Gegengewicht zur Realität. Der America’s Cup war die Spielwiese ausgesprochen reicher Männer, denen es vor allem um nationale Ehren geht, und ein bisschen Ruhm für sich selbst.

Die amerikanischen Boote hießen entweder nach amerikanischen Tugenden „Freedom“, „Liberty“, „Coureageous“, „Endeavour“ oder „USA“, „Yankee“, „America“, „America³“ „Young America“ und „Stars and Stripes“. Dahinter standen immer Männer mit Geld und sozialem Ehrgeiz und großem Ego. Ein amerikanischer Journalist verglich ihre Cup-Aktivitäten drastisch mit den Weitpinkel-Wettbewerben kleiner Jungs.
Das sehen die Eigner natürlich anders: Für Bill Koch (1992, „America³“) war es eine intellektuelle Herausforderung. Er gewann den Cup im ersten Anlauf, ein Novum in der Geschichte, und gab „nur“ 68 Millionen Dollar aus.
Rechtliche Spitzfindigkeiten
Des weiteren schreibt die Deed of Gift den New York Supreme Court als das Gericht vor, das im Falle von Streitigkeiten anzurufen ist. Außerdem skizziert sie den Herausforderungsprozess: Wer als erstes dem Inhaber des Cups eine Herausforderung reicht, muss als Herausforderer akzeptiert werden. Es muss weiterhin ein Club sein, der seine Jahresregatta auf einem See- oder Küstenrevier abhält. Dieses kann auch – wie im Falle des Schweizer Clubs – etwas weiter entfernt sein, etwa im Mittelmeer.

1987 hatte der Neuseeländer Michael Fay die Amerikaner überrumpelt, indem er seinem Anwalt einfach mal die Deed of Gift zu lesen gab. Der Jurist fand prompt heraus, dass es keine Vorschrift gab, die als Schiffstyp die damals üblichen Zwölfern verlangte. Die Zwölfer waren nur eine Vereinbarung zwischen den Parteien – wenn man sich nicht einig wurde, galt die Deed of Gift.
Und die schrieb lediglich eine Wasserlinienlänge vor: maximal 90 Fuß bei slupgetakelten Yachten und 115 Fuß bei Zweimastern. Fay forderte den San Diego Yacht Club bei der Austragung im Jahr 1988 mit einem 90-Fuß-Schiff heraus. Die Amerikaner hatten keine Chance, mit einem ähnlich großen Schiff zu kontern, aber ihnen fiel auf, dass die Deed of Gift auch die Anzahl der Rümpfe nicht vorgibt. So antwortete Dennis Conner mit einem 45-Fuß-Katamaran. 44 Fuß ist die kürzeste Wasserlinienlänge, die die Deed of Gift zulässt.

Ende der alten Rennyachten
Bis 1988 wurden die Cup-Rennen mit mehr oder weniger normalen Rennyachten ausgetragen. Es waren prachtvolle Schiffe, jeweils die Top-Produkte des zeitgenössischen Yachtbaus. Mit fachkundiger Crew konnten auch normale Segler sie steuern. In Auckland segeln heute Touristen auf ausgedienten America’s Cuppern, und sie dürfen auch ans Steuer.
Nach den Riesenschiffen der frühen Jahre kam die J-Class (1930 – 1937), nach dem Zweiten Weltkrieg die 12-mR-Klasse, die berühmten Zwölfer. Diese Klasse beruhte auf einer Formel von 1908, die mehrfach modernisiert wurde. Vielen gilt diese Zeit als die Blüte des America’s Cups.
Auf der Verteidiger-Seite bewarben sich meist mehrere Syndikate um das Recht, den Cup verteidigen zu dürfen, auf der Gegenseite kämpften ebenfalls mehrere Bewerber darum, ins Match Race um den Cup einzuziehen.
1983 entriss „Australia II“, vom Konstrukteur Ben Lexcen mit einem geheimnisvollen Flügelkiel ausgestattet, den Amerikanern den „heiligen Gral des Segelns“. Sie hatten sich seiner so sicher gewähnt, dass er 132 Jahre auf seinem Sockel im New York Yacht Club (NYYC) festgeschraubt gewesen war.