Das Sunday Times Golden Globe Race polarisierte wie kaum eine andere Regatta: Sie sei die „Mutter aller Rundum-Regatten“, das wohl „wichtigste Hochseerennen aller Zeiten“, der „unverantwortlichste Schwachsinn, der jemals zur See organisiert wurde“, so sagte man ihr nach.
1968 war die Hochsee noch ein weitgehend unbekanntes Terrain für Segler. Nur ein paar Dutzend durften sich mit dem Titel „Langfahrt“ schmücken. Überhaupt wären nur wenige Custom-Bauten in der Lage gewesen, kreuz und quer über die Meere zu segeln. Wer mit kleiner Crew, etwa als Paar oder sogar mit Kind und Kegel in teils extrem kleinen Booten über den Atlantik oder in die pazifische Südsee segelte, galt nicht nur als Exot par excellence, sondern meist auch als verantwortungslos, suizidal veranlagt oder respektlos gegenüber den Naturgewalten.
Alleine rundum mit nur einem Stop
Kein Wunder also, dass Einhandsegler (singlehanded = eine Person) unter den Blauwasserskippern einen Sonder-Chaoten-Status einnahmen: Wer sich wochen- oder gar monatelang ohne Zwischenstopp alleine auf Hohe See wagte, sich dabei nervtötender Einsamkeit und brachialen Elementen aussetzte, dem wurde von den einen bedingungslose Hochachtung, Anerkennung und Verehrung entgegen gebracht, während er bei anderen nur verständnisloses Kopfschütteln erntete.
Trotz all dieser Widrigkeiten starteten 1968 bereits weit über 30 Einhand-See-Helden und -Heldinnen auf eher kleineren Yachten zur dritten Transatlantikregatta OSTAR und die oft als obskur bezeichnete internationale Einhandszene wuchs – wie so vieles andere damals – buchstäblich über sich hinaus.


Die Pioniere
In den späten Sechzigern, als die Peace- and Love-Woodstock-Generation die Welt veränderte und die Apollo-Astronauten dieselbe sogar vom Mond aus betrachteten, als der Begriff Freiheit fast überall auf der Welt einen neuen Stellenwert erhielt, war ein gewisser Francis Chichester 1966 auf seiner 16 Meter langen Ketsch „Gipsy Moth“ in nur 226 Tagen einhand um die Welt gesegelt. Damit war er zwar nicht der erste Einhandsegler, der es rundum geschafft hatte – das erledigte bekanntlich Joshua Slocum bereits im 19. Jahrhundert auf einem epischen Törn mit vielen Zwischenstopps. Chichesters Leistung wurde so hoch bewertet, weil der damals 65-Jährige mit nur einem Halt (in Sydney) rund um die Welt gesegelt war. So lange alleine auf engstem Raum und quasi pausenlos den Elementen ausgesetzt, das hatte bis dato kaum jemand für möglich gehalten.
Als Chichester 1967 wieder in seinem Ausgangshafen Plymouth in England anlegte, stand eine ganze Nation kopf. Endlich hatten die Briten wieder einen echten Seehelden, endlich waren sie zumindest im sportlichen Sinne erneut eine Seemacht.
Doch während Chichester gefeiert und Königin „Elsbet“ ihn mit dem Schwert des Piraten Francis Drake zum Ritter schlug, machten sich einige Chichester-Kollegen in der Einhandszene so ihre ganz eigenen Gedanken zu dem Rundum-Abenteuer: „Wenn es der alte Haudegen mit einem Halt um die Welt geschafft hat, dann müsste der Törn um die Welt doch eigentlich auch nonstop möglich sein?“
68.000 Euro Preisgeld
Chichester Reise hatte die britische Tageszeitung „Sunday Times“ mit einem für die damalige Zeit üppigen Budget gesponsert. Doch als ein gewisser Robin Knox-Johnston – ein ehemaliger Handelsmarine-Offizier, der seine selbstgebaute „Suhaili“, eine Holz-Ketsch von 9,80 m bereits 10.000 Seemeilen weit solo über den Atlantik gesegelt hatte – mit dem Vorhaben vorstellig wurde, wirklich nonstop um die Welt segeln zu wollen, winkte man ab. Das Boot sei zu unsicher, befand man bei der Sunday Times, sein Skipper zu draufgängerisch. Nach dem Chichester-Erfolg wollte man sich nicht mit einem „vorhersehbaren Desaster“ blamieren. Knox-Johnston fand schließlich Gehör bei der Sunday Mirror, die ihrem Konkurrenzblatt nur allzu gerne die prestigeträchtige Hochseesegelei streitig machen wollte.

Als jedoch durchsickerte, dass sich gleich mehrere Skipper auf eine Nonstop-Einhand-Weltumseglung vorbereiten, darunter auch der geheimnisvolle Franzose Bernard Moitessier, der mit seinen Hochseeabenteuern in Frankreich gerade erste schriftstellerische Erfolge feierte, knickte man in der Sunday Times Redaktion dann doch ein. Bevor man anderen das Terrain vollständig überließ, einigte man sich auf einen Kompromiss und schrieb eine „Art Regatta“ aus. Wer als Erster den Solo-Nonstop-Törn um die Welt schaffen würde, sollte mit der Sunday Times Golden Globe Trophäe belohnt werden. Wer es in der schnellsten Zeit schaffen würde, sollte 5.000 Pfund erhalten; was einem heutigen Gegenwert von etwa 68.000 Euro entspricht.
So blieb die Sunday Times als Titelsponsor weiterhin im „Segelgeschäft“, ging aber kein Risiko mit den teils chaotisch und schlecht vorbereitet wirkenden Segelabenteurern ein.

Wie geht nochmal „halsen“?
Neun Teilnehmer schrieben sich schließlich zum Golden Globe Race ein: Robin Knox-Johnston, Nigel Tetley, Bernard Moitessier, Chay Blyth, John Ridgway, Bill King, Alex Carozzo, Loick Fougeron und Donald Crowhurst. Da eine Einhand-Weltumseglung sowieso schon als Selbstmordkommando eingestuft wurde, gab es nur wenige Regeln, die einzuhalten waren. Der Start sollte vor der englischen Küste und im Zeitraum zwischen 1. Juni und 31. Oktober 1968 stattfinden. Ja, richtig gelesen: das GGR war keine herkömmliche Regatta mit Booten, die an der Startlinie aufgereiht gleichzeitig auf den Weg geschickt wurden. Jedem war überlassen, wann und wie er sich auf den Weg machen würde.
Wie es den Weltumseglern auf dem Race erging und wer tatsächlich ankam und wer eben nicht, lesen Sie im 2. Teil: Männer, die Meer wollten.