Hamburg ist die Stadt der Schiffe, Hafenkräne, Möwen und Matrosen. Und als gehöre das selbstverständlich hierher, gibt es in Hamburg einen Ausstellungsort für alle, die das Meer und die Seefahrt lieben: Seit fast zehn Jahren ist das Internationale Maritime Museum in der Speicherstadt zuhause. Im Juni wird Jubiläum gefeiert. float war schon einmal da.
Das Museum beherbergt und zeigt die vermutlich weltweit größte Privatsammlung maritimer Objekte, die ein einzelner Sammler zusammengetragen hat. Der 2016 verstorbene Peter Tamm, der zunächst als Journalist und später in Geschäftsführung und Vorstand des Axel-Springer-Verlags Karriere gemacht hat, sammelte seit seinem sechsten Lebensjahr Modellschiffe und maritime Gegenstände aller Art. So kam eine Sammlung zustande, die neben 40.000 Schiffsmodellen und -miniaturen einen riesigen Fundus anderer Objekte umfasst: Schiffsbaupläne, Bücher, Fotografien in großer Zahl, Gemälde, Plakate, Skulpturen, Uniformen, Orden und Insignien sowie nautisches Gerät und andere Originalgegenstände aus 3.000 Jahren Seefahrts- und Marinegeschichte.

Um seine außergewöhnliche Sammlung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, gab Tamm sie einer in seinem Namen gegründeten Stiftung weiter, der Peter Tamm sen. Stiftung. Mit der Stadt Hamburg wurde im Jahr 2004 ein Vertrag geschlossen, der die gemeinsame „Errichtung eines Internationalen Schifffahrts- und Meeresmuseums“ projektierte. Nicht unumstritten leistete die Stadt einen großen finanziellen Beitrag zur Gründung: Sie stellte dem Museum ein Haus zur Verfügung.
Im historischen Kaispeicher
Der gewählte Ort könnte kaum geeigneter für seinen Zweck sein: Das Museum ist im ältesten noch erhaltenen Gebäude des Freihafens untergebracht, dem Kaispeicher B aus dem Jahr 1878. Das unter Denkmalschutz stehende Haus wurde umsichtig saniert und zugleich für den Museumsbetrieb umgebaut. Diese Sanierung kostete die Hansestadt mehr als 30 Millionen Euro. Dieser Aufwand hat sich gelohnt. Jeder von Hand aufgearbeitete Ziegelstein, jeder gusseiserne Pfeiler, jedes originale Dielenbrett macht die Atmosphäre der alten Speicherstadt wieder lebendig. Damit wurde für die maritimen Geschichten, die das Museum erzählt, ein äußerst stimmiges Ambiente geschaffen.
Ende 2006 wurde das fertig sanierte Gebäude der Stiftung zur Nutzung als Museum übergeben. Die Einrichtung des Museums und der Aufbau der Ausstellung brauchten noch einmal anderthalb Jahre, bevor am 25. Juni 2008 die Türen öffneten.


Getreu der Überzeugung des Sammlers und Museumsgründers Tamm, dass sich die komplette Menschheitsgeschichte in der Geschichte der Seefahrt abbilde, zeigt das Museum auf 12.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche im Grunde alles, was es über die Fortbewegung der Menschen auf dem Wasser zu entdecken gibt. Es ist geglückt, die Vielfalt der Sammlung in ein schlüssiges Konzept zu gießen und alles modern zu präsentieren. Das Museum erzählt die Geschichte der Seefahrt nicht linear, sondern gegliedert in neun Themenblöcke. Keine Epoche wird ausgelassen: Vom Einbaum bis zum Tiefsee-Tauchroboter kommen alle Entwicklungsstufen vor.
Erkundungsgang von Deck zu Deck
Auf jeder der neun Etagen – oder besser: der neun „Decks“ – des alten Speichers findet ein eigenes Thema seinen Raum. Am besten erkundet man das Museum und seine Schätze von oben nach unten. Diesen Tipp gab uns ein Museumsführer, der die Bestände des Hauses wie seine Westentasche kennt. Und noch eine Erkenntnis hat er uns vermittelt: Eine Führung oder alternativ die Nutzung eines Audio-Guides lohnen sich unbedingt. Denn hinter jedem Objekt, das hier zu sehen ist, verbirgt sich ein eigener, kleiner Wissenskosmos. Mit einem Lotsen läuft man weniger Gefahr, sich im Universum der Seefahrtsgeschichte zu verlieren.


Ganz oben auf Deck 9 sind in Vitrinen und Dioramen die Schiffsminiaturen ausgestellt – eine Wunderwelt im Einheitsmaßstab 1 zu 1.250. Das Deck darunter ist der bildenden Kunst gewidmet. Gemälde aus mehreren Jahrhunderten und verschiedenen Ländern illustrieren die Entwicklung der Seefahrt. In der Schatzkammer des Museums gibt es Kunstobjekte aus Silber, Gold und Bernstein zu entdecken. Bizarr ist die Sammlung seltener Knochenschiffe, die zur Zeit der napoleonischen Kriege von gefangenen Seeleuten gefertigt wurden. Ebenfalls auf Deck 8 ist das Atelier von Gemälderestauratorin Bianca Floss, der man bei der Arbeit zuschauen kann. Alle Fachfragen beantwortet sie geduldig.

Weiter geht es abwärts zum Deck 7 mit dem Namen „Expedition Meer“, das in Kooperation mit dem Konsortium Deutsche Meeresforschung entwickelt wurde. Es ist der Erforschung der Ozeane und der Tiefsee gewidmet. Auf dem Deck darunter geht es um die Handels- und Passagierschifffahrt mit allen ihren Facetten, seit im 19. Jahrhundert Dampfmaschinen und Stahlrümpfe den Schiffbau revolutionierten.
Das Deck 5 „Krieg und Frieden“ beschäftigt sich mit Seeschlachten, Seehelden, heldenhaften Schiffen, schicksalhaften Ereignissen und Einzelschicksalen. Im Wesentlichen fußt diese Bestand auf den marinehistorischen Teilen der Sammlung Tamm – ebenso Deck 4 „Dienst an Bord“, das sich mit dem Leben der Matrosen und Offiziere, Hierarchien an Bord, Symbolen und den Ritualen des Schiffsalltags befasst.
Ins Schwärmen geraten
Fast geschafft, denkt man… doch dann wird es nochmal richtig spannend. Das Deck 3 „Geschichte des Schiffbaus“ zeigt, wie ein Schiff entsteht. Welche Baustoffe fanden vor Jahrhunderten Verwendung, und wie wird ein Schiff im Computerzeitalter gefertigt? Material, Werkzeuge und Konstruktionszeichnungen führen die historische Entwicklung vor Augen.
Die Abteilung darunter, das „Deck 2“, ist der Schifffahrt unter Segeln gewidmet. Vom Wikingerschiff bis zu den Windjammern des frühen 20. Jahrhunderts reicht das Spektrum ausgestellter Exponate. Hier finden sich Modelle und reichlich Anschauungsmaterial zum Thema Besegelung. Auf dem untersten Deck 1 „Die Entdeckung der Welt“ lernen wir etwas über Navigation und Kommunikation. Ohne diese wäre die Erkundung der Welt unmöglich gewesen – ob mittels Kompass und Quadrant oder mit Hilfe von satellitengestützter Positionsbestimmung.
Auf der ersten Etage befindet sich auch die Modellbauwerkstatt des Museums, die für den Erhalt der vielen Schiffsmodelle wichtig ist. Wenn ein Mitarbeiter im Einsatz ist, kann man hier die Arbeiten an den Objekten durch eine Glasscheibe beobachten. Die elf Mitarbeiter der Werkstatt sind allesamt ehrenamtlich im Einsatz, so wie übrigens der Großteil des übrigen Museumspersonals auch. Denn das Museum ist nach wie vor eine private Institution in der Trägerschaft der Stiftung, die für den laufenden Betrieb keine Förderung aus öffentlicher Hand erhält.
Mit großem Einsatz
Ohne den engagierten Einsatz von über 90 ehrenamtlichen Mitarbeitern und des Freundeskreises Internationales Maritimes Museum Hamburg e.V. könnte das Museum in seiner jetzigen Form nicht weiterbestehen. Jeder erlöste Euro ist wichtig. Man ist dabei erfinderisch, und das muss man auch sein. Verschiedene Räume des Museums lassen sich für Veranstaltungen mieten. Besonders beliebt sind Kindergeburtstage, die den Nachwuchs für ein paar Stunden in die Welt der Piraten entführen. Gern von privaten Gruppen gebucht wird auch der hauseigene Schiffsführungssimulator, den die Reederei Hapag-Lloyd dem Museum gestiftet hat: Im raumgroßen Simulator auf „Deck 1“ kann man eigenhändig ein Containerschiff in den Hafen steuern. Unter fachkundiger Leitung, versteht sich.


Am Ende der Besuchszeit ist gefühlt noch viel zu viel Museum übrig. Hätte man die ein oder andere kleine Wissensgalaxie noch gründlicher erforschen mögen oder sich in Details verlieren wollen? Zeit bleiben sollte auch für den Museumsshop und die Buchhandlung im Foyer mit dem thematisch passenden Sortiment.
Wer jetzt endgültig k.o. ist und keinen überflüssigen Schritt mehr tun mag: Für ein gutes Essen muss man das Haus gar nicht verlassen. Das Restaurant Catch oft the Day im Erdgeschoss bietet geniale Fischgerichte an und einen hervorragenden Kaffee obendrein.
Tipp: Am Sonntag, den 24. Juni 2018 feiert das Museum sein 10-Jähriges Jubiläum mit besonderen Angeboten. Informationen dazu gibt es in Kürze auf der Museumshomepage.
Koordinaten
Internationales Maritimes Museum Hamburg
im Kaispeicher B, Koreastraße 1
20457 Hamburg
Tel. (040) 30 09 23 00
Öffnungszeiten: täglich 10 -18 Uhr
N 53° 32′ 35.93″ / E 9° 59′ 59.30


