Sie forderten uns auf, auf Nummer sicher zu gehen und den Sturm auszusitzen. Ich wüsste nicht, dass jemals während einer Regatta die Teilnehmer gebeten wurden, sich vor dem Wetter in Sicherheit zu bringen. Arnaud Bossieres und ich verschanzten uns am Kap Hoorn, Brian Thompson bei der Insel Estados. Ich nutzte die Zeit, um die Batterien zu laden, drei Reffs ins Hauptsegel zu schlagen und es sauber am Baum zu verzurren, das Sturmsegel aufzuziehen und das Deck zu kontrollieren.

Dranbleiben
Nach einem guten Essen und einem Heißgetränk machte ich mich auf zu den La Maire Straits, um bloß nicht den Anschluss zu verlieren. Der Wind steigerte sich auf 60 Knoten. Damit lag er unter der Marke von 68 Knoten, die wir ein paar Tage zuvor in den Ausläufern eines anderen Sturms im offenen Pazifik gemessen hatten. Damals musste ich bei 50 Knoten Windgeschwindigkeit meine Halse Richtung Kap Hoorn riskieren.
Als wir Kap Hoorn im Kielwasser des Sturms passiert hatten und uns in der sicheren Atlantikbadewanne befanden, nahm ich Kontakt zu Brian Thompson auf. Er hatte 75 Knoten Windgeschwindigkeit gemessen, am Tierra del Fuego waren es 88 Knoten. Das gab der Entscheidung der Renndirektion im Nachhinein recht. Aber es kratzte doch an unserer Seglerehre. Denn das Kap Hoorn ist für die Schiffahrt ein Mythos.

Kopf an Kopf am Point Nemo
In den Tiefen des südlichen Pazifiks liegt ein besonderer geografischer Punkt, der Point Nemo, der Pol der Unzugänglichkeit. An diesem Ort befindet man sich näher zur ISS-Weltraumstation als zu festem Land. Du bist allein, ruft Point Nemo den Seglern zu. Das stimmt bei dieser Vendée Globe nur bedingt. Das Feld segelt so dicht beieinander wie nie zuvor.
Statt tausender Meilen trennen die Boote lediglich ein paar Stunden. Das verspricht ein dramatisches Kopf-an-Kopf-Rennen ums Kap herum in den Atlantik bis zum Zielhafen. Ende Januar sollten wir die ersten Boote in Les Sables d’Olonne begrüßen können.
Die Hälfte der Strecke ist geschafft. Jetzt heißt es nicht mehr, „Ich habe schon soundsoviele Meilen hinter mir“, sondern „Ich habe nur noch soundsoviele Meilen vor mir“. Sobald Kap Hoorn umrundet ist, befinden sich die Segler auf dem Heimweg. Im Atlantik wird das Wetter freundlicher, das Wasser wärmer, das Grundgefühl schwingt um auf easy-going. Die üblichen Schifffahrtswege rücken näher – und damit auch die Aussichten auf Rettung, wenn nötig.

Übermütig sollte man allerdings nicht werden. Immer noch müssen 7.000 Meilen durch unbeständige Wetterzonen abgeritten werden. Man muss höher am Wind laufen und den gefürchteten Flautengürtel überwinden. Aber wer dieses Kap umschifft hat, wird zuversichtlicher, sich selbst und seinem Boot gegenüber.
Man wagt mehr, magnetisch angezogen von der Zielgeraden. Beim Endspurt in einem so dichten Feld geht es darum, viel zu riskieren, aber nicht zu viel. Ein Reff mehr oder weniger kann entscheidend sein. Bei der Vendée Globe über die Ziellinie zu kommen, ist ein persönlicher Sieg. Als Erster über die Ziellinie zu kommen, ist ein historisches Ereignis.