Karl Nauer war ganz offenbar fasziniert von der Kultur Neuguineas: Der langjährige Kapitän des Dampfers „Sumatra“ vom Norddeutschen Lloyd sammelte zehn Jahre lang fast ununterbrochen. Für sich selbst, aber auch für Auftraggeber erwarb er unzählige Erzeugnisse der Eingeborenen: Kultgegenstände, Schmuckstücke, Waffen, Werkzeuge.
Wenige Jahre darauf stiftete der Seemann seine Sammlung der bayerischen Gemeinde Obergünzburg, aus der er stammte – 1.500 Objekte, darunter gut die Hälfte Waffen. Dazu gehören Speere, 400 Pfeilspitzen, Dolche, Speere. Aber auch heikle Stücke: So riet Nauer in einem Schreiben an die Heimat davon ab, manches öffentlich auszustellen, zum Beispiel „meine Prachtkerle mit ihren außergewöhnlich stark veranlagten Genitalien“.

So wie Karl Nauer taten es viele in der kurzen deutschen Kolonial-Ära von 1884 bis 1919. Mit Geld, Tauschmitteln, aber oftmals auch Gewalt brachten Kaufleute und Kapitäne im Kaiserreich kulturelle Artefakte der kolonisierten Völker in ihren Besitz.
Viele solche Dinge schlummern noch heute in musealen Depots, anderes in den Archiven der Universitäten – Schätze, die inzwischen das Potenzial zu heißen Eisen haben, denn ihr kolonialer Hintergrund wird mehr und mehr kritisch beleuchtet. Das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven hat sich jetzt zum Ziel gemacht, die Rolle des Norddeutschen Lloyd im Kolonialismus während des Deutschen Kaiserreichs zu untersuchen.
Eine der größten Reedereien der Welt
Die Reederei aus Bremen, die 1970 mit der Hamburger Hapag zur heutigen Hapag-Lloyd AG fusionierte, war damals die zweitgrößte der Welt. Ein Teil ihres Aufstiegs verdankt sie dem Imperialismus: 1885 richtete der Norddeutschen Lloyd im Auftrag der Reichsregierung die ostasiatische und australische Reichspostdampferlinie ein.
Die Ausschreibung resultierte aus dem Bedarf nach Verkehrsverbindungen zwischen Mutterland und den neuen Territorien – mit regelmäßigem Fahrplan, schnellen Fahrten und definierten, auf jeder Fahrt einzuhaltenden Zwischenstationen.

Ab 1905 ging es sogar bis nach Australien, damals dem britischen Empire angehörig. Was man seinerzeit unter schnellen Reisen verstand: Mit 11,5 Knoten Geschwindigkeit ging es von Bremerhaven ans andere Ende der Welt. Für die über 13.000 Seemeilen war eine 50-Mann-Besatzung ohne Zwischenstopp über die Suezkanal-Route nach Sydney gut 48 Tage unterwegs.
Angetrieben wurden die Frachter seinerzeit von einer Vierfachexpansions-Dampfmaschine mit 3.200 PS. Zum Vergleich: Heutige Containerschiffe sind, mit teilweise über 60.000 PS motorisiert, mehr als doppelt so schnell.
Umstrittene kolonialzeitliche Sammlungen
Die Geschichte von kolonialzeitlichen Objekten ist derzeit ein gesellschaftlich und politisch umstrittenes Thema. Die Debatte um Rückforderungen und eine kritischere Sicht auf den damaligen Erwerb hat dazu geführt, dass viele Wissenschaftler ihre lang gehegten Schätze zunehmend neu bewerten.

Das Deutsche Schifffahrtsmuseum, das als Leibniz-Institut für Maritime Geschichte zur Leibniz-Gemeinschaft gehört, wird nun mit einem gezielten Forschungsprojekt seinen Beitrag liefern, um Licht in bisher Unerforschtes zu bringen. Außerdem möchte man auch unter maritimen Museen eine Debatte um kolonialzeitliches Sammlungsgut anstoßen.
Gefördert wird das Projekt durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste. Die mit Sitz in Magdeburg angesiedelte Stiftung – getragen von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden – befasst sich seit drei Jahren unter anderem mit Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Zeiten. Schwerpunkt der Arbeit sind übrigens die NS-Raubkunst und die Kulturgüter, die in der DDR Bürgern zur Devisenbeschaffung weggenommen wurden.

Involviert in den Transfer waren ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem europäische Militärs, Wissenschaftler und Kaufleute. Hauptsächlich sie brachten diverse Kultur- und Alltagsobjekte aus den damaligen Kolonien in ihre Heimatländer.