Am Berliner Wannsee machte kürzlich ein kurioser Deal von sich reden: Der Eigner einer schmucken Bayliner-Motoryacht kaufte sich ein zweites Boot, einen leicht grünspanigen Fünf-Meter-Kajütkreuzer aus den 1970er-Jahren. Tatsächlich ging es dem Berliner nicht um das Boot – das wurde rasch verschrottet. Das eigentliche Kaufobjekt war der dazugehörige Liegeplatz in einem kleinen Yachthafen am westlichen Seeufer. Denn dort werden Parkmöglichkeiten für Boote zur Mangelware.
Wie sieht’s anderswo mit freien Dauerliegeplätzen aus? „Ganz schlecht!“, sagt Ralf Schmidt vom Yachthafen Ancora Marina in Neustadt. Wer für sein neues Boot eine Box braucht, kriegt eine freundliche Absage. Die Marina, mit 1.400 Liegeplätzen eine der größten Deutschlands, ist bis auf den letzten Platz ausgebucht. Nur einen Platz auf der Warteliste bietet Schmidt an – doch wie lang die ist, kann er nicht sagen. „Das ist dynamisch.“
Auch eine Prognose der Wartezeit fällt dem Yachthafen-Chef schwer: „Das kann nächste Woche sein, aber auch erst nächstes Jahr.“ Es spielt auch keine Rolle, ob die anfragende Person ein Acht-Meter-Boot unterbringen will oder eine 15-Meter-Yacht.

Nebenan in Kiel sieht es nicht besser aus. „Wir sind übervoll“, heißt es beim Sporthafen Kiel, der insgesamt 2.000 Liegeplätze von der Innenförde bis nach Schilksee verwaltet. Im vergangenen Jahr habe man 300 Absagen verschickt. Eine Warteliste führe man schon seit Jahren nicht mehr. Wichtigster Tipp aus dem Management: „Schauen Sie erst nach einem Liegeplatz, bevor Sie sich ein Boot kaufen – manche stehen jetzt da mit ihrer Zehn-Meter-Yacht und finden nichts.“

In vielen Yachthäfen ist die Situation ähnlich, sagt auch Axel Brinkmann vom Skipperportal des ADAC: „Das betrifft vor allem die Hotspot-Reviere Ostsee, Müritz und Brandenburgische Gewässer.“ Brinkmann führt das Gedränge in den Häfen vor allem auf den Wassersport-Boom in Folge der Corona-Krise zurück. „2021 hat sich allein die Zahl der Bootsführerscheinprüfungen um 15 Prozent gesteigert.“ Er empfiehlt, möglichst viele Yachthäfen abzuklappern. Tipp: Vereine haben oft noch Liegeplätze speziell für Mitglieder, da lohne eine genauere Nachfrage.
„Der Liegeplatz wird zum Nadelöhr“
„Die Menschen sind verzweifelt, der Liegeplatz wird zum Nadelöhr“, sagt Hans Jaich, größter privater Marina-Betreiber in Deutschland. An sieben Standorten von Bremerhaven bis Rügen vermietet Jaich rund 1.600 Plätze. „Wir waren schon vor der Krise gut ausgelastet, jetzt müssen wir vielen absagen.“ Auch Jaich hat eine Warteliste, doch die Dynamik sei extrem unüberschaubar – daher tut auch der Marina-Betreiber Jaich sich mit Prognosen der Wartezeit schwer.
Was nach Willkür klingt, berührt ein grundsätzliches Problem: Wie bei der Vergabe von Kindergartenplätzen gibt es bei Bootsliegeplätzen keine zentrale Steuerung. Wer einen Platz sucht, hinterlässt wohlmöglich in einem Dutzend Yachthäfen ein Gesuch. Wird irgendwo etwas frei, meldet sich die Marina – doch viele Eigner sagen die übrigen Wartelistenplätze oft nicht ab, sodass sie als Karteileichen weitergeführt werden.

Jaich: „Sogar Händler klagen schon, dass sie keine Boote verkaufen können, weil die Liegeplätze fehlen.“ Grotesk: Vor zehn Jahren hatte der Marinabetreiber in einer Studie eine spürbare Schrumpfung prognostiziert. „Unser Szenario war, dass wir 2020 eine Auslastung von 70 Prozent haben würden.“ Das ist nun Geschichte. Natürlich dürfte die Begeisterung bei manchen Neu-Wassersportlern nach Corona wieder sinken: „Sicher, das Wetter kann zu Frust führen – aber Boote sind langwährende Wirtschaftsgüter, die verschwinden nicht so schnell.“ Hinzu kommt: Wie im Automarkt wachsen auch auf dem Wasser die Bootsgrößen seit Jahrzehnten, der verfügbare Parkraum im Hafen nimmt also zwangsläufig ab.
Auch Mooring-Häfen erfordern Infrastruktur
Jaich rechnet daher auch damit, dass die Liegegebühren steigen müssen. Aufgrund der Inflation und heftig erhöhter Wasserpachten der Wasser- und Schifffahrtsämter. Das macht auch die Entwicklung neuer Häfen schwierig. „Es ist leicht, in diesem Geschäft rote Zahlen zu schreiben – allein eine Spundwand verschlingt Millionen.“
Ein besonders krasses Beispiel: Der Yachthafen Kopperby am Ostufer der Schlei machte vor fünf Jahren dicht, weil sich die Modernisierung nicht lohnte. Inzwischen hat er neue Eigentümer, der Umbau ist angeblich im Gang. Doch hier handelt es sich um maximal 100 Liegeplätze. Ein Tropfen auf den heißen Stein?