Treffen sich drei Oldtimer in Niederfinow: Zum denkmalgeschützten Schiffshebewerk und dem uralten Kanal, der dorthin führt, gehört neuerdings ein historisches Boot. Die „Funtensee“ ist seit wenigen Tagen auf der ältesten nutzbaren technischen Wasserstraße in Betrieb. Das hölzerne Salonboot befördert Besucher vom Bahnhof Niederfinow, der fußläufig vom Ufer entfernt liegt, zum Schiffshebewerk und zurück.
Der alte Schiffsfahrstuhl hebt Binnenschiffe und Sportboote über eine 36 Meter hohe Stufe zwischen der Oder und dem Kanalsystem in Richtung Berlin und Westdeutschland. Mit dem Neubau ist ein noch leistungsfähigeres Hubsystem hinzugekommen. Die historische Riesenmaschine kann nur Schiffe bis 84 Meter Länge heben, die neue kommt bei einer Troglänge von 110 Metern auch mit dem Binnenschiffsverkehr der Zukunft zurecht.

Die Funtensee hingegen ist so klein, dass sie im Trog des Neubaus sogar wenden kann. Das 9,20 Meter lange Bötchen existiert noch einige Jahre mehr als das 1934 eingeweihte technische Denkmal im Norden Brandenburgs. 1919 befuhr sie erstmals mit Touristen den Königssee in Berchtesgaden. Damals war sie eines der wenigen Schiffe mit Elektromotor.
Der bayerische Kronprinz Rupprecht, letzter seiner Art, soll damals der Überlieferung nach diesen Antrieb verlangt haben. Der Ruhe wegen: Der Adelige besaß zwar keine monarchischen Privilegien mehr, doch das Jagdschloss der bayerischen Könige liegt in direkter Nachbarschaft einer Anlegestelle.
Vorübergehend mit Diesel
Auch heute sind sämtliche Fahrgastschiffe auf dem Königssee elektrisch betrieben. Die Funtensee hingegen fährt vorübergehend mit einem Dieselmotor. Der alte ist bei einem früheren Eigentümer geblieben: Eine Zeit lang war das Salonboot in Hamburg Teil der Sammlung des seefahrtbegeisterten Verlegers Peter Tamm.

Seine kolossale Kollektion ging 2008 im Internationalen Maritimen Museum auf, einem der weltweit größten seiner Art. Die Funtensee sollte dort indes nicht ausgestellt, sondern wieder flottgemacht und als Shuttle-Schiff zwischen dem Museum und benachbarten Hotels dienen. „Daraus wurde aber nichts“, sagt Volkmar Ritter, der sich inzwischen in Niederfinow um das Boot kümmert. Ritter zufolge mangelte es an einer Zulassung zur Personenbeförderung.
Auf dem Finowkanal ist das nicht notwendig. Auch ein Elektroantrieb wird nicht verlangt, doch den soll die Funtensee bald wieder haben. Das Schiff mit dem Aufbau aus Eiche, Rumpf aus Buchenholz und einer GfK-Ummantelung ist Teil eines Tourismus-Konzepts rund um das alte und das neue Schiffshebewerk. Denn es hat sich gezeigt, dass der wachsende Verkehr von Land dringend reguliert werden muss. Eigens dafür hat sich 2021 die „SHW Tourismus- und Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Niederfinow mbH“ gegründet, kurz SHW Touristik genannt. In Koordination mit dem Schiffshebewerk übernimmt sie seitdem den Betrieb.
Ehrenamtliche Touristiker
„Das Schiffshebewerk war schon immer ein Tourismus-Magnet“, erläutert Jan Mönikes, Geschäftsführer der SHW Touristik. Der Jurist lebt in Niederfinow und arbeitet als Rechtsanwalt in Berlin. „Die SHW Touristik mache ich sozusagen nebenbei, ich habe einfach auf Sieben-Tage-Woche umgestellt“, sagt er augenzwinkernd. Viele aus dem Dörfchen mit seinen 600 Einwohnern engagieren sich ehrenamtlich in der GmbH: „Wir sind inzwischen 59 Personen, viele Rentner, darunter Schreiner und Schlosser.“ Den Kern bilden 14 hauptamtliche Mitarbeiter.

Auf diese überschaubare Personenzahl treffen zu guten Zeiten tausende „Sehleute“: Bereits in den 1930er-Jahren seien Besucherscharen aus der Hauptstadt zu dem gigantischen Fahrstuhl gepilgert, auch in der DDR sei das Interesse nicht abgeebbt, sagt Mönikes. Rund 150.000 Besucher im Jahr waren es durchschnittlich in der jüngeren Vergangenheit, Tendenz steigend.
Um eine Übernutzung zu verhindern und den verschiedenen Gruppen etwas zu bieten, hat die kleine Tourismus-Gesellschaft einen umfangreichen Plan ausgearbeitet: Die Liegenschaft von altem und neuem Schiffshebewerk soll zu einem großen Park entwickelt werden. Es sollen Wanderwege, ein Großparkplatz, ein Spielplatz, Sanitäranlagen für Camper und gastronomische Betriebe entstehen. An der Wasserseite ist ein Schiffsanleger für Sportboote geplant.
Zukunftsprojekt historische Schleusentreppe
Im nächsten Schritt soll die historische Schleusentreppe wieder zugänglich werden: vier gewaltige Schleusenbecken, die bis 1934 den Schiffsverkehr zwischen Berlin und Stettin ermöglichten. Mit Indienststellung des Schiffshebewerks wurden sie überflüssig und teilweise abgerissen, doch zwei sind noch heute vorhanden. Auch diese Industrieruine, derzeit zugewachsen und verfallen, ist denkmalgeschützt und nach Mönikes Einschätzung eine beeindruckende Sehenswürdigkeit. Es gibt bereits Pläne für einen Park rund um die Schleusentreppe.

Die wachsende Nachfrage hat nur einen Nachteil: „Die Anreise findet typischerweise mit dem Auto statt.“ Das führt zwangsläufig zu erhöhtem Verkehrsaufkommen – mehr, als die kleine Ortschaft und die Straßen verkraften. Eine Hauptaufgabe der SHW Touristik liegt also darin, Anreise mit der Bahn attraktiver zu machen. Ein weiteres Verkehrsmittel wird zukünftig die Pferdekutsche sein: Die Touristiker kooperieren mit einem ansässigen Gestüt und werden ihre eigenen Fuhrwerke betreiben, um die Besucher über das ausgedehnte Gelände zu kutschieren.
Auf dem Wasser soll das die Funtensee erledigen. Vergangenes Jahr hat die SHW Touristik das drei Tonnen schwere Schiff gekauft. 47 PS leistet der Motor, ein Verdeck schützt vor Regen. „Man sitzt etwas hölzern, an Bord gibt es keine Toilette, aber es hat was“, sagt Volkmar Ritter. Für die Instandhaltung können die Betreiber sich beim Original erkundigen: Ein fast baugleiches Boot, die „Ramsau“, fährt noch heute auf dem Königssee.
Chöre zwischen den Trögen
Wie sie kann auch die Funtensee bis zu 25 Personen transportieren – in Brandenburg über den rund einen Kilometer langen Kanal-Abschnitt. Die Kahnpartie ist auch Teil der Strategie von Mönikes, schon die Anreise zum Schiffshebewerk zum Event zu machen – damit die Besucher etwas länger bleiben. Bis zur nächsten Saison soll das Schiffchen wieder mit Elektroantrieb ausgestattet sein. Da ist schon abzusehen, dass es nicht bei einem Shuttle-Boot bleiben wird.

Mönikes ist davon überzeugt, dass das Gelände auch für Großveranstaltungen und Konzerte geeignet ist. Einen Vorgeschmack zeigte im Herbst 2022 die Eröffnungsfeier: Es gab Höhenfeuerwerk, Markt und das erste Hebewerks-Konzert „Höhenrausch“ auf einem Fahrgastschiff im Trog. Ein ähnliches Event im Rahmen der Konzertreihe „Brandenburgisches Sommerkonzert“ soll es am Pfingstsonntag, 28. Mai, mit den „Chören zwischen den Trögen“ geben.
Der Touristik-Geschäftsführer sieht die nächsten Jahre als Vorbereitung auf die Zeit, wenn das alte Schiffshebewerk außer Betrieb geht und nur noch als technisches Denkmal erhalten wird. 2028 soll es so weit sein. „Und wir wollen natürlich auch die Hundert-Jahr-Feier erleben“, sagt Mönikes.