Der Klimawandel ist voll im Gange – für Laien bisher gut erkennbar durch das weltweite Schrumpfen der Gletscher. Doch mit steigender Erderwärmung droht eine Kettenreaktion: Schmelzen auch die südpolaren Eismassen, könnte den Meeresspiegel dramatisch ansteigen. So hoch, dass Städte wie Hamburg, New York und Shanghai bedroht würden.

Kolossale Dämme gegen die Flut
Angesichts der drohenden Fluten haben zwei Wissenschaftler einen verblüffenden Vorschlag gemacht. Um Überschwemmungen an der Küste der Nord- und Ostsee wirkungsvoll zu vermeiden, könnten zwei kolossale Dämme gebaut werden. Die beiden Flutschutz-Bauwerke würden zwischen der Bretagne und Cornwall den Eingang zum Ärmelkanal sowie zwischen Nordschottland und Norwegen den Eingang in die Nordsee versperren.

Was spontan wie ein Scherz anmutet, soll auch als Weckruf verstanden werden: „Wir schreiben das Jahr 2500. In den vergangenen 500 Jahren ist es der Menschheit nicht gelungen, die Emission von Treibhausgasen und damit auch die Erwärmung unseres Planeten substantiell einzudämmen.“ In diesem dystopischen Science-Fiction-Stil beginnt die Pressemitteilung.
Gut 500 Kilometer Länge
Die Machbarkeitsstudie rechnet vor, dass die 161 Kilometer sowie gut 500 Kilometer langen Bauwerke in bis zu 85 Meter bzw. bis zu 320 Meter tiefem Wasser technisch umsetzbar sind. Sie wären im Prinzip auch bezahlbar. „Zwischen 250 und 500 Milliarden Euro, was bei einer Bauzeit von 20 Jahren Investitionen zwischen 0,07 bis 0,16% des jährlichen Bruttosozialprodukts der 15 Anrainerstaaten bedeuten würde“, rechnet das Geomar vor.
„In unserer Schätzung haben wir der Dammhöhe 20 Meter hinzugefügt, so dass das Bauwerk einem Anstieg von etwa zehn Meter widerstehen könnte“, so Prof. Joakim Kjellsson gegenüber float. Der Juniorprofessor in der Maritimen Meteorologie und Ko-Autor vom Geomar hat gemeinsam mit Sjoerd Groeskamp vom Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ) die Studie verfasst. Auf dem Meeresgrund wäre der Damm etwa 400 Meter breit.
Preisgünstiger als Küstenschutz?
„Nach unseren bisherigen Maßstäben klingt die Dimension eines solchen Projekts völlig unvorstellbar“, ergänzt Kjellson. Ganz abgesehen von den technischen Herausforderungen eines solchen Vorhabens – es hätte natürlich auch massive Einschnitte für Fischerei- und Schifffahrtsindustrie. Ganz zu schweigen Einflüssen auf das marine Ökosystem der Nordsee und darüber hinaus.
Trotzdem könnte so ein System, wenn es überhaupt technisch realisierbar wäre, wirtschaftlicher sein als individuelle Küstenschutzmaßnahmen in den 15 Anrainerstaaten, so die Autoren.
Man wagt es sich nicht auszumalen: Keine Gezeiten mehr, kein Watt mehr, keine Fischwanderungen mehr. Beide Meere würden zu Binnenseen, enthalten zunehmend Brackwasser – zugleich muss der Eintrag durch Flusswasser in gewaltigem Umfang abgepumpt werden. All das kann niemand wollen.
Parallelen zur „Atlantropa“-Idee

In ihren Dimensionen erinnert die Idee an den Vorschlag des Architekten Hermann Sörgel von 1928. Er dachte daran, mittels eines riesigen Damms bei Gibraltar Afrika mit Europa zu verbinden und das Mittelmeer in Teilen trocken zu legen. „Atlantropa“ sollte der Völkerverständigung dienen, Energie aus Wasserkraft gewinnen und Siedlungsraum erschließen. Die ökologischen Folgen wären nicht absehbar gewesen.
Auch heute geht es um ökologische Folgen menschlicher Eingriffe: „Wir möchten betonen, dass die beste Option nach wie vor darin besteht, gegen den Klimawandel vorzugehen und zu verhindern, dass eine solche Lösung überhaupt notwendig wird“, so der schwedische Wissenschaftler. So solle die Studie der Nordsee-Dämme vor allem ein Bewusstsein dafür schaffen, „vor welch immensen Herausforderungen wir stehen.“
Risiko für den Küstenschutz
Dies unterstreicht eine aktuelle Berechnung des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), eine der weltweit renommiertesten Forschungseinrichtungen dieser Disziplin. Der „Antarktis-Faktor“ würde die Meere über die bereits berechnete Menge hinaus gewaltig anschwellen lassen.
Konkret könnte der Verlust von Eismassen der Antarktis schon in wenigen Jahrzehnten zu einem erheblichen Risiko für den Küstenschutz werden.