Die Karibik ist ein Sehnsuchtsort für viele Segler, auch für uns auf unserer Dilly-Dally. Doch wie lange noch? Der Klimawandel verändert das Paradies. Das Wetter wird immer unberechenbarer, die hohen Wassertemperaturen zerstören die Korallen. Und dann sind da noch die gigantischen Seegras-Teppiche.
Mehr noch als der menschengemachte Strukturwandel erschwert Langfahrtseglern auf der Suche nach Abenteuern zunehmend der Klimawandel das Reisen. Wetterextreme nehmen zu. Die Wassertemperaturen in Mittelmeer und Atlantik erreichen immer neue Höchststände. Im Atlantik haben Messbojen dieses Jahr bei Florida 38 Grad Celsius Wassertemperatur gemessen. Der Ozean hat Fieber.
Und mit dem Wasser, das als natürliche Klimaanlage für die Atmosphäre dient, steigt auch die Lufttemperatur. Gerade erst wurde der Sommer 2023 global als der heißeste seit Aufzeichnung der Wetterdaten klassifiziert. Hitze und Dürren entfachen Waldbrände, wechseln sich mit Unwettern ab, in denen schier unglaubliche Regenmengen binnen kurzer Zeit auf die ausgedörrte Erde preschen und zu dramatischen Überschwemmungen führen, wie erst kürzlich in Spanien, Griechenland und der Türkei – oder auch auf Hawaii oder in Kanada.
Neue Qualität des Wetters
Schon im vergangenen Jahr klagten Segler im Mittelmeer über das abnormale Wetter. So einen Sommer, so der Tenor, hätten sie noch nie erlebt. Und dieses Jahr? Da ist alles noch viel schlimmer. Zumindest subjektiv. Aber auch die Wetterdaten scheinen das zu belegen. Als im August vergangenen Jahres ein gigantisches Unwetter über Korsika aufzog und etliche Yachten an Land spülte, sprach Sebastian Wache, Diplom-Meteorologe bei Wetterwelt in Kiel, bereits von „einer neuen Qualität des Wetters“.
Getrieben vom Klimawandel würden die Extreme an Intensität und Häufigkeit zunehmen, prognostizierte er. Ein Faktor sei die hohe Wassertemperatur. Die Folge: Die Luft kühlt auch nachts nicht ab. Und je wärmer die Luft, umso mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen – pro Grad Celsius sieben Prozent mehr. „In der feuchten warmen Luft steckt unglaublich viel Energie“, erklärt Wache. Insbesondere wenn unterschiedlich temperierte Luftmassen (warme auf noch viel wärmere oder warme auf kalte) an sogenannten Fronten oder Konvergenzlinien aufeinander treffen. „Da passiert dann Wetter“, so der Meteorologe.
Für Segler wird das Wetter zunehmend unberechenbarer – und damit zu einem Risiko. Einst feste Parameter geraten ins Wanken. Im vergangenen Jahr bildeten sich beispielsweise die konstanten Passatwinde auf dem Atlantik erst sehr spät aus. Die Atlantic Rally for Cruisers (ARC), die jedes Jahr in der zweiten Novemberhälfte von Gran Canaria in die Karibik startet, kämpfte zu Beginn mit Sturm, dann mit Flaute. Statt vor dem Wind segelnd mussten einige Boote hunderte Meilen vor dem Ziel gegen ihn ankreuzen. Und die diesjährige Hurrikansaison startete mit gleich zwei benannten Stürmen im Juni sehr früh. Zum Glück blieb die Karibik bis zum Höhepunkt der Hurrikan-Saison Mitte September von Katastrophen verschont.
Buchten-Billard durch Klimawandel
Kaum jemand ist so sehr Wind und Wetter ausgesetzt wie Segler. Ein Unwetter ist mehr als ein Ärgernis über ein verregnetes Wochenende, wenn vielleicht an Land das lange Zeit geplante Grillfest ins Wasser fällt. Auf einem Boot kann Wetter existenzbedrohend sein. Nicht nur auf See, vor allem in Ankerbuchten. Mittlerweile haben wir abtreibende Boote als eines der größten Risiken beim Langfahrtsegeln ausgemacht. Mehr als einmal – im Mittelmeer wie in der Karibik – mussten wir unser Boot im Sturm beim Buchten-Billard sichern.
Auch wenn sich große Wetterlagen langfristig ankündigen und bei vorsorglicher Planung eine sichere Bucht angesteuert werden kann, überraschen Extremwetter immer wieder auch erfahrene Segler. Denn die Wettermodelle, die basierend auf der Auswertung statistischer Daten Prognosen für die Zukunft errechnen, kommen an ihre Grenzen. Das bestätigt auch Sebastian Wache von der WetterWelt.
Das Problem bei den automatisierten Prognosen sei, das nur ein Modell genutzt wird und kaum ein Mensch auf aktuelle Wetterentwicklungen im Kurzfristbereich schaut, sagt Wache, der sich auf das weltweite Wetter-Routing für Segler spezialisiert hat. Er berät Regatta- wie auch Langfahrtsegler. Teils seien Wetterdaten auch mit statistischen Werten versehen, die Wetterextreme noch nicht beinhalten, so Wache. „Und Statistiken können Peaks zusätzlich glätten.“
Seegras-Todeszonen
Es fehlten für die Extremwetter einfach die Erfahrungswerte. Das sei die aktuelle Herausforderung für die Wetterinstitute. „Die Wettermodelle müssen nachjustiert und Wetterextreme eingearbeitet werden, um näher an die Realität zu kommen“, sagt Wache. Zwar seien die Wetterdaten, die heute geliefert würden, besser als jemals zuvor. „Sie müssen nur richtig und am besten von Fachleuten vorab interpretiert werden“, sagt der Meteorologe.
Der Klimawandel mit seinen Extremwettern wird Langfahrtsegler also auch in Zukunft immer mehr herausfordern. Und nicht nur das Wetter direkt, sondern auch die Folgen für die Natur werden zum Manko. Da sind zum einen die riesigen Seegrasfelder, die sich jedes Jahr von Afrika aus über den Atlantik in Richtung Karibik, Golf von Mexiko und die Küste Floridas bewegen. Die US-Behörden sprachen im März diesen Jahres von einem Teppich, der sich über 5.000 Meilen erstreckte.