Langsam nähert sich das filigrane Objekt von oben der Wasseroberfläche, die Nase geht tiefer, mit einer langen Fahne aus Schwell und Gischt taucht der glitzernde Rumpf in die Fluten und kommt schließlich zur Ruhe – er schwimmt. Die Landung eines Flugboots, heute seltener als ein Windjammer vor Kap Hoorn, ist immer ein spektakuläres Ereignis. Vor 100 Jahren war das auf dem Bodensee fast alltäglich, als die Flugzeugwerft von Claude Dornier (1884-1969) dort vor dem Zweiten Weltkrieg ihre Erzeugnisse testete und präsentierte.
Jetzt darf die Seegemeinde auf neue Landungen und Starts eines Dornier-Produktes hoffen: Seit wenigen Tagen ist das Flugboot Do 24 ATT wieder in Friedrichshafen. 50 Jahre verbrachte es in der bayerischen Flugzeugwerft Schleißheim, Teil des Deutschen Museums München. Nun gehört es zum Dorniermuseum, das seit 2009 neben dem Flughafen die Erinnerung an den einstmals weltbekannten Flugzeugbauer bewahrt – für eine Stippvisite nach oder vor der „Interboot“ ideal gelegen.

Damit ist diese Do 24 mit der Werknummer 5345, die 1943 in Holland gebaut wurde, das älteste originale Flugzeug der Sammlung. Doch der Klassiker soll nicht in der Museumshalle verstauben: Als „lebendes Exponat“ ist die Maschine dazu bestimmt, wieder in die Luft zu gehen. Wann? „So oft wie möglich“, sagt Julia Menzer vom Dorniermuseum. Noch in diesem Jahr, so hofft sie, könnten auch erstmals wieder Start und Landung auf dem Wasser erfolgen.
Das ist leider nicht mehr so einfach wie zu Claude Dorniers Zeiten: Für eine Wasserung seien diverse Genehmigungen notwendig. Zum Glück ist die Do 24 als einziges von 245 gebauten Exemplaren nicht auf eine glatte Wasseroberfläche als Start- und Landebahn angewiesen. Noch in ihren aktiven Zeiten wurde sie versuchsweise zum Amphibienflugzeug umgebaut. Ein Fahrwerk unter den Tragflächen macht klassische Rollbahnen zugänglich.

Flugboote für den Fernverkehr
Flugboote repräsentieren eine wichtige Entwicklungsphase im Flugzeugbau: Sie sind konstruktiv dort zuhause, wo Luft und Wasser sich berühren. Zu einer Zeit, als kommerzieller Personentransport in greifbare Nähe rückte, mangelte es am Boden vielerorts noch an Infrastruktur. „Damals, in den 1920er-Jahren, gab es noch keine Flughäfen im heutigen Sinn“, so Julia Menzer zu float. Vielfach wurde auf planierten Wiesen gelandet, an einer Bude daneben hing der „Flugplan“. Im Wasser war die Infrastruktur in Form von Landebahnen und Häfen dagegen weltweit vorhanden.
Menzer: „Hinzu kam die Möglichkeit des Notwasserns.“ Fliegen war vor hundert Jahren noch ein Wagnis, die Gefahr eines Maschinenausfalls wesentlich höher als heute. So erschien es nur folgerichtig, die ersten Maschinen für transkontinentale Flugverbindungen als flugfähige Schiffe auszulegen. Gab es unterwegs ein Problem, ließen sich mit Glück eine geschützte Bucht oder ein See ansteuern.
Die Dornier Do 24 wassert auf dem Bodensee – spannend wird’s ab Minute 2:00
„Der Wal hat Dornier gemacht“
Das brachte Dornier, der ursprünglich in Diensten des Zeppelin-Konzerns stand, zum Zuge: Mit seinem Flugboot „Wal“ wurde der Deutsch-Franzose 1922 schlagartig international bekannt. Es ist das Produkt, das „Dornier gemacht hat“, wie der Konstrukteur selbst einmal sagte. Insgesamt mehr als 300 Stück baute das Unternehmen, die Lufthansa und viele andere Fluggesellschaften setzten es weltweit als Postflugzeug ein.
Berühmt geworden ist vor allem die Do X, das 40 Meter lange „Verkehrsflugschiff“, das den Höhepunkt dieser Ära repräsentiert. Sie war für eine Kapazität von 166 Passagieren konstruiert und seinerzeit das größte Flugzeug der Welt. 1929 ging die Konstruktion von Claude Dornier auf zweijährigen „Weltflug“ und bewies seine prinzipielle Tauglichkeit. Überall wurde das gigantische Vehikel mit dem Schiffsrumpf und den Bullaugen begeistert gefeiert – bis heute. „Die weitaus meisten Archiv-Anfragen betreffen die Do X, sie kommen aus allen Teilen der Welt“, sagt Julia Menzer.

Produkt der Nazi-Aufrüstung
Die Do 24 ist – wie viele von Dorniers Konstruktionen – in ihren Grundzügen ein Produkt der Aufrüstung Nazideutschlands: Sie entstand 1937 als Bewerbung auf eine Ausschreibung der Reichsregierung, die ein Fernaufklärungsflugzeug bestellt hatte. Der Zuschlag ging zwar an einen Mitbewerber, doch interessierte sich noch zu Friedenszeiten die holländische Regierung für das Flugboot. Ein Auftrag von 30 Maschinen für die ostindischen Kolonien stand bevor.
Die ersten Maschinen entstanden in Deutschland, anschließend sollte ein niederländisches Unternehmen sie in Lizenz fertigen. Der Krieg und die Besetzung Hollands durch das Deutsche Reich verhinderte dies, fortan wurde die Do 24 für deutsche Streitkräfte weiter gebaut. 1944 hat das Exemplar, das heute in Friedrichshafen steht, nach einer kurzen Dienstzeit bei der deutschen Luftwaffe der spanische Staat gekauft. Dort diente es rund 30 Jahre als Seenotrettungsflugzeug auf Mallorca.

Iren Dornier nennt sie „Latina“
Ihr Fahrwerk erhielt die Do 24 dann 1982 – und dazu noch einen Beinahmen: ATT steht für „Amphibischer Techologie-Träger“. Ziel des Projektes, gefördert vom Bundesforschungsministerium, war damals der Nachweis einer Tauglichkeit von Amphibienflugzeugen. Der Dornier-Konzern versprach sich ein weltweites Auftragsvolumen von 150 Flugzeugen. Dazu ist es nicht gekommen. Daimler übernahm Dornier 1985, wurde später an den US-Flugzeugbauer Fairchild verkauft und ging im Zuge der Luftfahrtkrise nach den Terroranschlägen vom 11. September 2011 mit ihm unter.
Claude Dornier glaubte bis zu seinem Tod an die Zukunft von Flugbooten. Geblieben sind sie als Feuerwehr- und Rettungsflugzeuge – und nun als lebendes Exponat im Dorniermuseum Friedrichshafen. Gesteuert wird die Do 24 von einem direkten Nachfahren des berühmten Konstrukteurs: Iren Dornier, Enkel des Firmengründers, ist nicht nur Eigner, sondern auch zugelassener Pilot des Flugboots. Er ließ es seinerzeit aufwendig restaurieren und entwickelte mit den Jahrzehnten ein inniges Verhältnis zu dem Oldtimer. Bis hin zum Kosenamen: Dornier nennt sie, wohl wegen ihres langjährigen spanischen Dienstorts, „Latina“.
Termin auf Museums-Website
Noch in diesem Jahr soll es wieder einen Wasserstart vor Friedrichshafen geben. Wann genau, ist noch nicht bekannt. Wer dieses Event nicht verpassen will, sollte regelmäßig auf der Museums-Website vorbeischauen.