Wenn der „Große“ zu schnell fährt, kommt die Bugwelle der geschleppten Yacht hoch, das Wellental wird tief, das Schiff will mal zur einen, mal zur anderen Seite hin ausbrechen. Und der Steuermann fleht den Schlepper an, er soll doch bitte langsamer fahren.
Bei Sturm auf See gibt es Kräfte, die einen ähnlichen Effekt erzeugen: hohe Wellen. Wenn sie steil genug sind, schieben und heben sie das Schiff. Wie Schwerkraft in Fahrt umgewandelt wird, kennen wir vom Skifahren. Was macht ein „langsamer“ Skifahrer auf steiler Piste, bevor er sich die Knochen bricht? Er bremst. Segler in zu hohem Seegang versuchen etwas ähnliches, indem sie Leinen schleppen oder einen Treibanker. Was sie – siehe Moitessier – in große Schwierigkeiten bringen kann.

Kein Treibanker ist auch keine Lösung
Die Methode Dumas/Moitessier, aktiv vor dem Wind zu segeln und keine Leinen zu schleppen, ist jedoch kein Allheilmittel. Wenn man Knox-Johnstons GGR-Untersuchung liest, fällt auf, dass die Riggverluste von Abhilash Tomy, Are Wiig, Shane Freeman und Gregor McGuckin ohne Heckleinen oder Treibanker erfolgt sind.
Auch die Kenterungen von Jean-Luc Van Den Heede, Marc Slats und Istvan Kopar, deren Riggs stehen blieben, geschahen ohne geschleppte Leinen oder Treibanker. Knox-Johnston selbst kenterte vor 50 Jahren ohne Treibanker, danach benutze er einen und kenterte nicht mehr.
Wieso können bewährte Langkieler, die bei normaler Fahrt wunderbar seetüchtig sind und ein angenehmes Seeverhalten zeigen, so aus dem Ruder laufen? Es liegt daran, dass ein Unterwasserschiff, wenn es schneller angeströmt wird als vorgesehen, enorme Querkräfte erzeugt. Im Normalfall halten sich die Kräfte, die im Rigg und am Kiel wirken, beim Segeln einigermaßen die Waage, und das Ruderblatt ist gewissermaßen das Zünglein an der Waage, mit dem diese Kräfte ständig im Gleichgewicht gehalten werden – und das Schiff auf Kurs.
Das Schiff bringt sich selbst zum Kentern
Wenn ein Boot auf der Vorderseite einer Welle aber viel stärker beschleunigt, als dies allein unter Segelkraft möglich wäre, treten Querkräfte auf, denen der Rudergänger nichts mehr entgegen zu setzen hat. Ein dahinrasender Langkieler mit seiner großen Lateralfläche unter Wasser erzeugt ganz von allein die Querkraft und den Widerstand, die ihn querschlagen lassen.


Beim Golden Globe Race kam das unzählige Male vor, nicht in jedem Fall mit einer Kenterung verbunden. Aber immer mit der Gefahr einer Kenterung.Schiffe mit kleinerem Kiel und einem weit achtern liegenden Ruder, das bessere Hebelwirkung hat und deshalb weniger Kraft erzeugen muss, sind bei „Schussfahrt“ einfacher auf Kurs zu halten.
Je schwerer, desto schwerer kontrollierbar
Das Konstruktionsbüro Judel/Vrolijk in Bremerhaven ist eines des gefragtesten der Welt. Dort entstehen Fahrtenyachten für Hanse ebenso wie Rennyachten (TP-52 Weltmeister „Platoon“ 2018), der AC-Katamaran „Alinghi“ (2008) und der Volvo-Ocean-70er „Mean Machine“. Würden sie auch einen Langkieler für den Southern Ocean zeichnen?

„Warum nicht? Der Kunde ist König“, sagt Konstrukteur Matthias Bröker. Dann ergänzt er: „Wir würden vielleicht nicht dazu raten, ausgerechnet in diese Gegend zu fahren, aber generell gibt es ja sehr seetüchtige Langkieler.“ Ein Grundproblem liege in der Konstruktion:
„Wenn man vor sehr hohen Wellen abläuft, wird ein Boot fast zwangsläufig schnell. Ein schweres Boot zieht dabei ein sehr tiefes Wellental und verliert viel Stabilität, wenn es in erster Linie auf den für klassische Boote typischen schlanken Bootsenden ,aufliegt‘.
5 Kommentare
[…] Langkieler gehören nicht in den Southern Ocean (floatmagazin.de) […]
[…] Langkieler gehören nicht in den Southern Ocean (floatmagazin.de) […]
[…] oder: Gedanken zum Bericht von Hans-Harald Schack im Float Magazin! (https://floatmagazin.de/orte/langkieler-gehoeren-nicht-in-den-southern-ocean/) […]
Nur wird sich der alterssture McIntyre nicht von seiner Meinung abbringen lassen. Es geht ihm um sein persönliches Ego und nicht primär um die Segler.
Aber zum gesamten Inhalt des Artikels ist auch zu erwähnen, dass auch W. Erdmann quergeschlagen ist. In diesem Falle ist es aber für jeder Art Hochsee-Yacht brandgefährlich, ob Lang-, gemässigter Kurz- oder einer Kurzkieler. Allerdings ist mir ein kräftiges Rigg, eher kürzer als berechnet, eine schwere, sehr solide Verstagung wichtiger. Eine Ketch hat dann auch seine Vorteile, genau deswegen.
Allerwichtigst aber scheint mir das Ruder und seine Aufhängung. Wenn ich an das Prinzip der Hebelkräfte denke, dann wird mir schwindelig beim Betrachten eines freistehenden Ruders – dessen geführter und gelagerter Schaft mal kaum 20 % der Rudergesamtlänge ausmacht.
Schöne Zusammenfassung für ein sehr komplexes und immer wieder kontroverses Thema.