Auf der boot Düsseldorf 2023 hat das „Blue Innovation Dock“ ein Fenster für Nachhaltigkeit in der Bootsbranche aufgestoßen. Erstmals zeigte die Industrie unter diesem Label auf der Messe – und weit darüber hinaus – umweltfreundliche Innovation vom emissionsfreien Antrieb bis zum nachhaltigen Entsorgungskonzept. Ein wichtiges Thema: die Marina von morgen.
Die Yachthäfen platzen aus allen Nähten, Betreiber versuchen neue Standorte zu entwickeln. Umweltschützer stellen sich dem entgegen. Beide haben gute Gründe für ihr Engagement – wie lässt sich das vereinbaren? Durch nachhaltige Marinas.
„Wir haben keine Zeit zu warten“, sagt Stavros Katsikadis von der griechischen Yachthafen-Vereinigung während der Panel-Diskussion in Düsseldorf. Treiber sei dabei gar nicht so sehr die Umwelt, sondern die EU-Gesetzgebung: „Ab 2025 müssen bereits Nachhaltigkeits-Reports erstellt werden, von denen sich viele Marinas noch gar keine Vorstellung machen“, setzt der Grieche fort, der selbst zwei Marinas vorsteht.
Wer dann nicht das entsprechende Datenmaterial parat hätte, würde keine Kredite für notwendige Investitionen mehr erhalten. „Wir können nicht warten, sonst sind wir aus dem Geschäft“, insistiert Katsikadis.
Es liegt also im nächsten Interesse der Branche, ihre Häfen möglichst nachhaltig zu betreiben. Fest steht: Die Marina wird immer der Hotspot des Wassersports bleiben. Hier beginnen und enden alle Törns, und hier treffen Wassersport und Außenwelt aufeinander.
Das heißt auch: Hier entsteht ein Bild vom Wassersport in der Öffentlichkeit. Marinas sind Portale für die Branche und alles, was auf dem Wasser bewegt.

So wie der Eindruck eines lebendigen, gepflegten und sauberen Yachthafens Menschen dazu bewegen kann, ihren Traum vom Wassersport in die Tat umzusetzen, so ist er auch ein Positiv- oder Negativ-Beispiel für den richtigen Umgang mit der Herausforderung durch den Klimawandel. Handeln tut not, aber wie?
Was kostet zum Beispiel die Umrüstung einer Marina auf Elektro-Boote? Wie aufwändig ist die nachhaltige Entsorgung aller Abfallstoffe, die in Boxen, Werft und Yachthafen-Restaurant anfallen? Wo lassen sich erneuerbare Energien gewinnen? Um solche Fragen geht es.
Bereits bei der Auftaktveranstaltung im Oktober 2022 stellte boot-Projektleiter Petros Michelidakis einen Hafenbetreiber vor, der strategisch vorgeht.
D-Marin macht seine Yachthäfen nachhaltig
Ein Beispiel, wohin das Boot steuert, zeigt der internationale Yachthafenbetreiber D-Marin mit Hauptsitz in der Türkei: Das 2003 gegründete Unternehmen verfolgt seit kurzem den strategischen Plan, seine 21 Liegenschaften zwischen Arabien und Italien nachhaltig zu machen.
Ein hoher Anspruch, schließlich liegen Yachthäfen naturgemäß oft in besonders sensiblen und geschützten Zonen der Welt. „Und die müssen auch zukünftig geschützt sein“, sagt Dean Smith von D-Marin. Das Vorhaben abgekürzt: „Marinas dürfen keine Spuren hinterlassen.“
Smith sieht diverse Ansatzpunkte, um einen Yachthafen nachhaltig zu betreiben. Ein wichtiges Thema sei die Energieversorgung. Ein Vorteil sei hierbei, dass Marinas oft in sonnenreichen Regionen der Erde liegen. Und das betrifft insbesondere die Standorte von D-Marin.
Das Unternehmen hat begonnen, auf dem Areal der Liegenschaften Photovoltaik-Anlagen zu bauen. „Kürzlich erhielten wir die Genehmigung der lokalen Behörden, einen unserer Häfen so aufrüsten zu können, dass wir ihn zu 40 Prozent mit Solarenergie betreiben werden.“

Aber nicht nur die Energiegewinnung, auch der Verbrauch verdient nach Smiths Überlegung gründliche Betrachtung: In vielen Revieren wurde über Generationen für Gastlieger die Miete inklusive Landstrom erhoben – ungeachtet des Verbrauchs.
Smith: „Das bedeutete, Menschen machten sich keinerlei Gedanken darüber, wie viel Energie sie verbrauchen würden und ob es sinnvoll wäre, sparsam damit umzugehen.“
„Was man misst, das managt man“
D-Marin hat damit Schluss gemacht: Im ersten Schritt wird der Verbrauch an jeder Ladestation im Hafen gemessen. „Was man misst, managt man.“ Bei D-Marin sieht das Management so aus, dass die Kunden den Strom selbst an- und abschalten können. Es lässt sich zeitversetzt so programmieren, dass die Batterien voll sind, wenn der Törn beginnen soll.
Ein Preissystem mit einem Sockelbetrag und verschiedenen Preisstufen vermittelt den Kunden transparent, wie Mehrverbrauch tarifiert wird. Das Beispiel zeigt: Oft bedarf es keiner riesigen Investitionen und glitzernder neuer Technik, um einen guten Schritt in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen.
Das zeigt auch die Entsorgungsstrategie des Yachthafenbetreibers. „Wir prüfen regelmäßig die Wasserqualität mit digitalen Messinstrumenten“, so Smith. Das Ziel ist es, in naher Zukunft die internationale Auszeichnung Blaue Flagge für hervorragende Wasserqualität zu erhalten.
Baden im Yachthafen – ein ambitionierter Ansatz, bedenkt man, wie eklig das Wasser in Yachthäfen oft aussieht. Etwas aufwändiger ist der nächste Schritt: D-Marin investiert in Meerwasserentsalzung. Das soll den Verbrauch an natürlichem Süßwasser, zum Beispiel zum Duschen oder zur Bootsreinigung, reduzieren.
Außerdem entwickelt D-Marin ein Recycling-Programm für jede Art von Abfall, der die Yachthäfen verlässt. Das betrifft organische Abfälle ebenso wie Antifouling oder Maschinenteile. Dafür arbeiten die Marinas eng mit den Entsorgungsunternehmen zusammen, die Smith ausdrücklich „Partner“ nennt.
Die Partnerschaft ermögliche es, jederzeit den Weg von Abfällen nachvollziehen zu können. Damit stellt das Unternehmen sicher, dass jede Art von Unrat dort landet, wo es bestimmungsgemäß hingehört.
Das Beispiel D-Marin liefert bereits viele Ansatzpunkte, die jeder Yachthafen angehen kann. „Es wird noch Jahre dauern, bis bestimmte Dinge feststehen“, sagt der griechische Yachthafen-Manager Stavros Katsikadis. So könne heute noch niemand sagen, ob Wasserstoff als Energieträger für Bootsantriebe sich irgendwann durchsetzt.
„Was aber feststeht: Diesel wird noch bis zu 50 Jahre als Kraftstoff für Boote genutzt werden. Also müssen wir uns darum kümmern, in dem wir Biodiesel anbieten.“
Zero-Emission-Yachthafen in Holland?
Der niederländische Bootsbauer und Elektroyacht-Vercharterer Jurjen Poorting geht einen Schritt weiter: Er will noch in diesem Jahr eine „Zero-Emission-Marina“ an einer Binnenwasserstraße seiner Heimat eröffnen. Wie Poorting auf der boot Düsseldorf gegenüber float verriet, wird dazu ein ehemaliges Werftgelände umfassend umgestaltet. Poorting, der seit kurzem auch Vertriebspartner von X-Shore ist, will im ersten Ausbauschritt Liegeplätze für 50 bis 60 Elektroyachten schaffen.
Strom stammt aus Wind- und Solarenergie vor Ort und wird in Großbatterien zwischengespeichert. Es soll auch einen Langzeitspeicher in Form von Methanol für Brennstoffzellen geben. Die Boote sollen Teil des Grids sein, also je nach Situation Energie speichern und abgeben.
„Anstatt den Kraftstoff mühevoll aus Arabien oder von anderswo herbeizuschaffen, produzieren wir ihn hier selbst – das ist einfach nur sinnvoll“, so Poorting gegenüber float.
Der Hafen soll ausschließlich Elektrobooten dauerhaften Aufenthalt ermöglichen. „Für Gastlieger mit Verbrennungsmotor wird es eine separate Anlegezone geben.“ Sie soll so exponiert sein, dass sich davon die Elektro-Yachties nicht gestört fühlen.
Aqua plant Marina-Projekt in England
Der britische Ladenetzbetreiber Aqua superPower beschäftigt sich ebenfalls mit dem Thema. „Der Hafen von morgen wird ein Kraftwerk sein“, prophezeit auch Stewart Wilkinson, CEO und Gründer des Unternehmens, das weltweit Schnellladesäulen in Yachthäfen installiert.
In Kürze wird Aqua ein Projekt mit einer Marina in Südwestengland auf den Weg bringen, das diese Vision in die Tat umsetzen soll: Boote am Steg dienen als Zwischenspeicher, als „Grid“. Die Energiereserve kann von Land – zum Beispiel zum Kranen – oder von anderen Booten, die auslaufen sollen, angezapft werden.
„Die Eigner, deren Boote im Grid sind, werden dafür selbstverständlich bezahlt“, ergänzt Wilkinson, der über seine Leidenschaft für Boote zum Umwelt-Unternehmer wurde.

Die Marina der Zukunft werde auch nur noch wenig Betonanlagen besitzen. An ihre Stelle kommen Pontons aus Kunststoff, die mit integrierten Solarzellen zur Energiegewinnung beitragen: „Einige Hersteller entwickeln bereits solche Pontons.“ Sie nutzen nicht nur jede erdenkliche Fläche für nachhaltige Energiegewinnung, sondern machen das Anliegen der Marina auch jedem deutlich, der sie sieht und betritt.
Bewusstsein für Umweltschutz vermitteln
Denn die Öffentlichkeitsarbeit spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, meint Dean Smith: Yachthäfen, wo Seereisen beginnen und enden und wo auch viel Laien-Publikum den ersten Kontakt mit dem Wassersport knüpft, haben eine Vorbildfunktion. „Der Zugang zu Tausenden Wassersportlern erlaubt uns, das Bewusstsein für Umweltschutz zu vermitteln.“ Das bedeutet zum Beispiel Skippern klarzumachen, ihre Boote nicht in geschützten Seegraswiesen zu ankern.

Doch wann werden wirklich durchgreifende Maßnahmen umgesetzt und auch an Nord- und Ostsee nachhaltige Marinas entstehen? Die Zeit drängt, doch eine zentrale Lenkung wird es vorläufig nicht geben: „Die EU kann hier keine Vorschriften machen, es handelt sich um ausschließlich nationale Gesetzgebung“, sagt Linos Voskarides, bei der EU-Kommission zuständig für „Maritime and Coastal Tourism“. Doch jedes EU-Land hat seine eigenen Schwerpunkt, wie Philip Easthill vom Verband Europäische Bootsindustrie (EBI) gegenüber float erklärt. Der Umgang mit Antifouling sei in Küstenländern naturgemäß ein wichtigeres Thema als in Binnenstaaten wie Österreich, umgekehrt genieße dort die Elektromobilität eine höhere Aufmerksamkeit als in Ländern mit langen Küstenlinien.