Es ist wieder soweit. Was für die Schweden Mittsommer, ist für den aufgeschlossenen Teil der Bevölkerung von New York City die Mermaid Parade auf Coney Island. Um den längsten Tag des Jahres herum, kurz bevor der New Yorker Sommer am heißesten ist, sind hier die Meergeister los: Die Mermaid Parade kommt. Auf der Halbinsel im Süden des Stadtteils Brooklyn fallen Tausende von Seejungfrauen und Neptunen ein, angetan mit Fischhaut, Muschel-BHs in allen Größen und Seemannsgarn. Sie feiern den Beginn der Badesaison – und in ihrem Schlepptau sind rund eine halbe Million Zuschauer, egal ob die Sonne dräut oder es regnet.
Seit drei Jahrzehnten ozeanisches Gewühle
In den 1950er-Jahren, der großen Zeit von Coney Island als Vergnügungsviertel für New Yorker Arbeiter und Neu-Immigranten, gab es fast jeden Tag einen anderen Aufzug: die Parade der Polizisten und – getrennt davon – der Feuerwehrmänner ebenso wie die „Baby Parade“, zu der die Kleinsten im Bollerwagen über den Boardwalk geschoben wurden.
Die wildesten Kostüme bewertet anschließend eine zufällig besetzte Jury. Wer 100 Dollar zahlt, sucht mit aus, sagt Paradengründer Dick Zigun.
Zum ozeanischen Verständnis der Organisatoren, der Künstlergruppe Coney Island USA, gehören gold angemalte Drag Queens ebenso dazu wie dreieinhalb Meter hohe Hummer – oder Matrosen, die Kerle lieben. „Wirklich alle kommen: vom Szenekünstler über Lesben und Hip-Hop-Teenager bis zu russischen und jamaikanischen Immigranten“, zählte der Paradensprecher und -erfinder Dick Zigun auf. Das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten seit dem Start im Jahr 1980 nicht verändert. In diesem Jahr gehen die Parade-Teilnehmer zum 36. Mal am Start.


Schon Blondie und Iggy Pop waren Königin und König
Ihren Underground-Charme hat die Mermaid Parade, die zum ersten Mal 1983 mit 200 Teilnehmern und einigen verwunderten Passanten als Zuschauern stattfand, bis heute behalten. Dick Zigun, der tätowierte Performance-Künstler, offizieller Standesbeamter des Staats New York und spiritus rector zahlreicher Burlesque-Shows, hält das Zepter des Umzugs seit 1980 in der Hand, getreu dem Credo der veranstaltenden (See-) Graswurzelaktivisten: „ozeanisch denken, lokal handeln“.