Es gibt Regatten, die segelt man mal eben so: Mitmachen ist alles und das anschließende Stegbier ist Lohn genug. Hierzu zählen die Mittwochsregatta mit den Kumpeln genauso wie Clubmeisterschaften oder die Baggersee-Trophäe. Dann sind da Regatten, auf die man sich jahrelang akribisch vorbereitet, für die man hart trainiert, sich qualifiziert und „brennt“: Weltmeisterschaften, Olympiaden, Transatlantikrennen, Weltumseglungen.
Schließlich wären da noch Rennen, die zu einer Reise ins Innere werden. Die brutal schön sind und ganz schön brutal, die anspruchsvoll alles von den Teilnehmern fordern und großzügig zurückgeben. Vorausgesetzt, man erkennt den wahren Wert von tagelangen Stürmen, schlaflosen Nächten, bitterer Kälte und mitunter auch Angst um Leib und Leben. Regatten, für die man als Segler nicht weniger vorbereitet sein sollte als für eine Mini-Transat oder eine Laser-Master-WM. Regatten, wie zum Beispiel das Race to Alaska!
R2AK, noch nie gehört? Dabei ist das Race längst ein Kult-Rennen, nicht nur für Nordamerikaner. Eine Regatta, die Abenteuer und Segeln auf eine Art verbindet, wie es heutzutage nur noch selten gelingt. Motto: „Nah am Wasser, voller Einsatz, alles so simpel wie möglich, Maul halten und einfach machen!“
Each wave here is its own god and they are all angry
Der Sprecher lässt ahnen, wie es sich anfühlt, dabei zu sein.
Hoher Abenteuerfaktor
Das R2AK führt in zwei Etappen über 750 Seemeilen von Port Townsend im US-Bundesstaat Washington nach Ketchikan in Alaska. Die Strecke muss auf einem Boot ohne jegliche Motorunterstützung zurückgelegt werden – segeln, rudern, paddeln oder sogar das Boot schwimmend vor sich herschieben ist ausdrücklich erlaubt.
So weit, so gut. Doch das R2A wäre nicht das Race to Alaska, wenn es da nicht gewisse natürliche Hindernisse gäbe. Die Organisatoren des erst seit vier Jahren durchgeführten Rennens vergleichen sich gerne mit dem weltberühmten Iditarod, bei dem die Teilnehmer auf Hundeschlitten quer durch Alaska unterwegs sind. Beim Abenteuerfaktor können die Wassersportler durchaus mithalten. Die Risikoliste ist nämlich beeindruckend.
Man kann mitsamt seinem Kahn absaufen, wenn man auf umhertreibende Baumstämme brettert; vielleicht fährt auch ein Frachter über einen hinweg, ohne dass man dies auf dessen Brücke überhaupt bemerkt. Oder ein Grizzly fällt den Segler an, der nach tagelangem Kreuzen gegen eine bockige See und zickigen Wind endlich mal wieder mit festem Boden unter den Füßen pinkeln wollte. Orcas begleiten die R2AK-Boote gerne mit zynischem Grinsen ums Maul, Stürme und Fallböen lauern genau dort, wo man sie nicht gebrauchen kann, also überall, und in manchen Meerengen steht ein Tidenstrom von bis zu 16 Knoten Geschwindigkeit. Kein Pappenstiel, wenn man dort zur falschen Tageszeit aufkreuzt.
Etappe 1 führt von Port Townsend nach Victoria im kanadischen British Columbia. Ein Sprint über 40 lächerliche Seemeilen, der jedoch als Qualifier für die zweite Etappe zählt. Nur wer die kurze Etappe 1 schafft, darf für die eigentliche Abenteuerstrecke an den Start. In der zweiten, 710 Seemeilen langen Etappe, sind zwei Checkpoints anzusteuern, der Rest sei Fleetwood Mac, schreiben die Organisatoren auf ihrer Website und verlinken zu dem berühmten FM-Song: „You can go your own way!“
Für eine handvoll Dollar
Dieser Weg führt für nahezu alle Teilnehmer meistens unter Land, jedoch zwischen unzähligen kleineren und größeren Inseln hindurch. Nur die größeren, wirklich seegängigen Kajütboote oder die schnellen Katamarane und Trimarane trauen sich weiter raus in den Charlotte Sound oder in die Hecate Strait. Um dort vielleicht mehr Meilen zu segeln, aber auch um frischen Wind zu erwischen. Denn interessanterweise sind zu starke Winde in den bisherigen drei Ausgaben des R2AK selten ein Hindernis gewesen. Vielmehr fluchten die Segler über lange Flautenzonen in den Insel- und Landabdeckungen. Doch genau diese Schwachwindzonen machen das Race to Alaska so spannend.
Denn auf jedem Segler sind auch Ruder- und sonstige Vortriebsvorrichtungen angebracht, die das jeweilige Boot ohne Motorunterstützung durch die genannten Flautenlöcher bringen soll. Und SUP-Paddler oder Rennruder-Boote – ja, auch die gibt es beim R2AK – holen hier meist gewaltig auf.
Da paddelt die Crew auf einer Holzjolle mit Schlupfkajüte aus dem Jahre 1940, kleine Rennjollen werden mit einem Liegerad-Pedalantrieb vorwärts bewegt oder – ein wahrer Se(e)hgenuss – ein 31-Fuß-Corsair-Trimaran von einem Mann mit zwei Ruderriemen, auch im kühlen Alaska durchaus schwitzend, auf dem Heck des Hauptrumpfes vorwärts gepuscht.
Die Sieger erhalten übrigens die stattliche Summe von 10.000 US-Dollar. Das zweitplatzierte Boot dagegen nur ein Set Steakmesser. Ab Rang Drei gibt’s reichlich Ruhm und Ehre zu gewinnen.
Man wird wohl noch träumen dürfen!
Bei der Ausgabe 2017 des R2AK wurden 41 Teams von der Regattaleitung akzeptiert (trotz größtmöglicher Freiheit in der Bootswahl und Ausstattung desselben müssen doch Sicherheitsstandards eingehalten werden) von denen 27 am bitteren Ende in Ketchikan ankamen. Die besten Ergebnisse erzielten naturgemäß Tri- und Katamarane mit Kajüte – Siegerzeiten liegen bei 4-5 Tagen. Die bisher langsamste Zeit erlaubte sich das „Team Barefoot Wooden Boats“ auf einem Custom-Ruderdinghy: Die drei Abenteurer brauchten während der Premiere 2015 ganze 26 Tage und 2 Stunden.
Das nächste Race to Alaska startet am 14. Juni 2018. Die Meldefrist läuft im April aus – die Regattaleitung versichert, dass noch Plätze frei sind (hey, man wird doch wohl noch träumen dürfen?) Apropos träumen: Das nachfolgende 30-Minuten-Video von den „Waterlust“-Filmern ist ein kleines Doku-Meisterwerk. Das Filmteam begleitete zwei Brüder auf ihrem Kat, die nach reichlich Bruch, Notstopps und dergleichen im Jahre 2015 Rang 4 belegten. Aber nur, weil sie vorher einen indianischen Schamanen um seinen Segen gebeten hatten.
Anmeldung zum R2AK.
https://www.youtube.com/watch?v=8EMET5lC90s
R2AK-Waterlust-Video