Beim Wort Sturmflut denkt man sofort an die Nordsee. Doch auch in der Ostsee ist Hochwasser möglich. Relativ regelmäßig folgt der hohe Wasserstand auf den Durchzug von Tiefdruckgebieten – so wie in den kommenden zwei Tagen.
Was hat es damit auf sich? Sebastian Wache von der Wetterwelt erklärt es. Tiefs ziehen oft mit ihren Kernen über den Süden Skandinaviens. Der dann meist starke Westwind drückt das Ostseewasser in Richtung Baltikum. Er lässt aber gleichzeitig auch mehr Wasser als gewohnt aus der Nordsee über den Skagerrak einfließen.
Lässt der Westwind dann nach, schwappt das Wasser aus der östlichen Ostsee zurück in Richtung deutsche und dänische Küste: der berühmte Badewanneneffekt.
Der berühmte Badewanneneffekt
Zuletzt gesehen haben wir das vor rund zwei Wochen. Plötzlich kam das Wasser nach einigen Tiefs an einem windstillen Abend unter neuem Hochdruckeinfluss zurück. Die Ostsee erreichte in der Kieler Förde einen Pegel von rund 1,20 Meter über Normal.
Die Stege waren für einige Stunden unter Wasser: Alle Liegeplatzinhaber – inklusive mir – bekamen nasse Füße, als sie nach den Leinen ihrer Boote geschaut haben. Das war allerdings ein eher seichtes Zurückkommen des Wassers.
Doch nun steht eine etwas andere Lage an: eine Ostseesturmflut. Denn das aktuelle Hoch über Deutschland zerreißt in der Mitte. Ein Teil rutscht in Richtung Schwarzes Meer, der andere Teil platziert sich über Skandinavien.
Bringt das Hoch schönes Wetter?
Bei manchem klingelt es jetzt vielleicht: Ein Skandinavien-Hoch ist meist ein stabiles Gebilde. Oft bringt es schönes Wetter für die Ostseeregion – dieses Mal allerdings nicht.
Zum einen wandert das Hoch etwas zu weit nach Nordschweden. Zum anderen drücken ziemlich intensive Tiefs von der Biskaya und dem Atlantik, über Frankreich kommend, nach Deutschland. Ihren Ursprung haben sie zum Teil als ehemalige Tropenstürme, es steckt also viel feuchtwarme Luft drin.
Gleichzeitig schickt uns das skandinavische Hoch Luftmassen aus dem hohen Norden Finnlands, die recht kalt sind. Beide Luftmassen – feuchtwarm aus dem Süden und kalt aus dem Norden – treffen sich direkt über dem Norden Deutschlands und der Ostsee.
Starkwind steht an
Eine markante Luftmassengrenze mit einem Temperaturunterschied von mehr als 10 Grad auf engem Raum kommt. Das bedeutet oft, dass die Isobaren – also die Linien gleichen Luftdrucks – stark gedrängt werden. Alle, die segeln, wissen, was das bedeutet: Starker Wind steht an.
Die Luftmassengrenze befeuert also einen starken Oststurm mit Böen von 10 bis 11 Beaufort. Womöglich sehen wir auch Orkanstärke mit 12 Beaufort. Das kann das Boot kosten, wenn man nicht vorbereitet ist. Die Stabilität des Hochs ist hier ein Faktor für große Gefahr, denn es wandert kaum weiter.
So beginnt der Wind im Laufe des Donnerstags mit der ersten Regenfront, und es wird über 48 Stunden stark bis stürmisch wehen. Das Hoch wird wohl erst am Samstag (21. Oktober) abwandern, wodurch sich die Lage entspannen kann.
Die Prognosen zeigen steigende Werte
Deshalb reagieren bereits jetzt die Prognosemodelle der Ostseepegel. Jeder neue Lauf korrigiert die Werte nach oben. Angefangen mit 1,20 Meter über Normal und damit einer normalen Sturmflut, liegen wir keine 24 Stunden später bereits bei 1,80 Meter in Kiel.
Knapp 2 Meter über Normal sind es in Flensburg. Das ist nach Definition eine schwere Sturmflut, ab 2,00 Meter eine sehr schwere Sturmflut. Da auch der Wind stark weht und das Wasser nicht eben schleichend kommt, spielt auch der Wellengang eine große Rolle.
Kurz gesagt: Das Wasser wird deutlich über die Ufer treten. Nasse Füße und Autos sind sehr sicher zu erwarten. Auch Boote, die noch im Wasser liegen, sollten unbedingt gesichert werden, denn Schwimmstege sind an der Ostsee noch immer in der Minderzahl.
Erster Peak in der Nacht zum Freitag
Und das Beeindruckende an der aktuell kommenden Wetterlage ist deren Langlebigkeit. Mit dem Beginn des Windes sehen wir vermutlich in der Nacht zum Freitag einen ersten Peak beim Pegelstand. Das leichte Nachlassen des Windes am Freitag früh führt nur zu leicht sinkenden Pegeln, um 20 bis vielleicht 30 Zentimeter.
Insgesamt bleiben die Wasserstände weiter sehr hoch, denn der Wind lässt kaum nach. Im Laufe des Freitags wird der Wind dann durch das nächste folgende Tief und dessen Ausläufer erneut befeuert – und drückt. So steigt das Wasser, das sich ohnehin schon an der Ostseeküste gesammelt hat, noch einmal.
Der zweite, noch höhere Peak ist dadurch zu erwarten. Der Seegang tut dann sein Übriges, sodass das kommende Hochwasser sicher manchem im Gedächtnis bleiben wird. Bleibt zu hoffen, dass sich – mit den frühen Vorwarnungen – auch die Schäden in Grenzen halten.